Gleichbehandlung

​Callolo und seine Herzallerliebste - Eine humorvolle Geschichte 

Gleichbehandlung

Wir hatten bei einer Wohltätigkeits-Tombola einen Gutschein für ein Essen in einem Luxus-Restaurant gewonnen: Freie Menü-Wahl für zwei Personen inklusive einer Flasche Wein oder Sekt.

Wir freuten uns auf den Abend, und meine Herzallerliebste war stundenlang damit beschäftigt, ihr Outfit herzurichten. Sie sah wirklich hinreißend schön aus. Aber das schien der Thai-Kellner in diesem Luxus-Restaurant nicht zu bemer- ken, zumindest übersah er Nai geflissentlich, beachtete sie überhaupt nicht.

„Ein Drink zuvor, der Herr?“ fragte er mich und verließ, nachdem ich einen Sherry bestellt hatte, unseren Tisch. Als er mir den Drink brachte, fragte ich ihn, ob er meine Frau nicht nach ihrem Wunsch fragen wolle. Er tat so, als ob er sie jetzt erst bemerkte. Er tat völlig überrascht: „Sie möchten auch etwas?“

„Ja, wenn es nicht zu viele Umstände macht“, entgegnete sie und bestellte sich ihren Lieblingsdrink. Dabei sah sie mich mit einem Gesichtsausdruck an, von dem ich wusste, dass ihm jeden Moment eine Explosion folgen würde.

Ihr Drink kam, wir stießen miteinander an, und ich hatte noch die Hoffnung, dass es vielleicht doch noch ein schöner Abend werden könnte.

Der Kellner kam und reichte mir die Karte. Ich sah sie durch, bis ich bemerkte, dass meine Herzallerliebste keine Karte bekommen hatte.

„Sie wünschen?“ Der Kellner lächelte mich freundlich an. Ich antwortete ohne zu lächeln: „Ich wünsche eine Speisekarte für meine Frau.“ Minutenspäter kam er zurück und warf ihr die Karte lieblos hin.

„Callolo, ich bin hier offensichtlich nicht gern gesehen.“ Ich versuchte zu vermitteln.

„Schatz, in diesen teuren Restaurants sind es die Farangs, die das Geld haben, und deshalb werden sie vielleicht etwas zuvorkommender bedient.“ „Mag sein“, sagte Nai, „aber wenn ich hier nicht willkommen bin, will ich hier auch nicht essen.“

Ich zahlte unsere Drinks und verließ mit meiner Herzallerliebsten das Restaurant. Der unhöfliche Kellner starrte mit offenem Mund hinter uns her.

Wir fuhren heim. Meine Frau kochte ein paar Thai-Leckereien, und ich öff- nete eine gute Flasche Wein.

„Callolo, kannst du mir sagen, warum Thais ihresgleichen oft so herablas- send behandeln?“

„Ich vermute, dass es daher rührt, weil sie selbst arm sind und sich so ein Luxusgericht niemals leisten können. Und wenn sie dann sehen, dass eine Thai-Frau, die mit einem Farang kommt, so ein teures Gericht bestellt, dann sind sie wahrscheinlich neidisch, sauer und missgünstig. Und wahrscheinlich fragen sie sich: Warum die und nicht ich?“

Ich habe schon seit langem bemerkt, dass es hier in Thailand eine Zwei-Klas- sen-Gesellschaft gibt. Häufig zu Gunsten der Farangs. Das ändert sich nur, wenn wir in einen National-Park fahren, in den Zoo oder zur Underwater- world. Da zahlen Ausländer dann oft den doppelten Eintrittspreis.

Meine Herzallerliebste findet das vollkommen in Ordnung: „Callolo, das ist doch nur der gerechte Ausgleich für all die Demütigungen, denen ich so oft ausgesetzt bin, wenn wir ausgehen.“

Ich schlucke meinen Ärger über diese widersinnige Abzocke und über ihre Argumentation runter und stimme ihr zu. Das baut sie wieder auf.

„Morgen, Callolo“, sagt sie mit entschlossener Miene, „gehen wir wieder hin, um unseren Gutschein einzulösen, und dann mache ich den Kellner so runter, dass er wünscht, nie geboren zu sein.“

Das Ergebnis war: Der Kellner war die Höflichkeit in Person, und der Abend wurde zu einem Fest.

„Manchmal“, sagte meine Herzallerliebste später, „ist es nur eine Frage von mangelndem Selbstvertrauen. Das merken diese Kellner sofort, und dann werden sie unverschämt. In Zukunft werde ich selbstbewusster auftreten. Sollte ein Kellner oder wer auch immer es noch einmal wagen, mich zu ignorie- ren, dann werde ich dafür sorgen, dass er sich einen neuen Job besorgen kann.“

Ich nickte und konstatierte: Meine Herzallerliebste hat sich emanzipiert, nicht nur Kellnern, sondern auch mir gegenüber.

Ob das für unsere gemeinsame Zukunft gut ist, wage ich zu bezweifeln. Aber was kann ich machen?

Ich werde mich wohl daran gewöhnen müssen.

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Andrè Hein 10.01.23 15:50
alt aber gut
Schaaade diese Sätze habe ich an gleicher Stelle schon vor längerer Zeit gelesen. Ich schätze, dass wir hier getestet werden. Und Test bestanden ?