«Pockengesicht» tötete deutsches Au-Pair

Eine Kerze brennt während der Feier zur Osternacht in der römisch-katholischen Kathedralkirche Sankt Sebastian. Knapp 35 Jahre nach dem brutalen Mord an einem deutschen Au-Pair-Mädchen in Paris. Foto: Ronny Hartmann/dpa
Eine Kerze brennt während der Feier zur Osternacht in der römisch-katholischen Kathedralkirche Sankt Sebastian. Knapp 35 Jahre nach dem brutalen Mord an einem deutschen Au-Pair-Mädchen in Paris. Foto: Ronny Hartmann/dpa

PARIS: Er ist einer von Frankreichs am längsten gesuchten Serientätern. Als das Netz der Fahnder sich nach 35 Jahren um ihn schließt, bringt er sich um. Ein Opfer des Mörders war ein Au-Pair-Mädchen aus Bayern. Die damals 20-Jährige wurde grausam zugerichtet.

Dass das 1987 in Paris ermordete deutsche Au-Pair-Mädchen Irmgard M. aus Bayern einem Serientäter zum Opfer gefallen sein musste, wussten die französischen Fahnder seit Jahren. Ebenso lange blieb «Pockengesicht», wie der Täter wegen seiner von Zeugen erwähnten unreinen Haut bezeichnet wurde, unauffindbar.

Vor einigen Tagen dann, 35 Jahre nach Start der Mordserie, die Sensation: Der wohl am längsten gesuchte Serientäter des Landes sei ermittelt, ein 59-jähriger Pensionär habe sich im Süden Frankreichs vor einer Vorladung bei der Polizei das Leben genommen, es gebe einen Geständnisbrief: «Ja, ich bin das Pockengesicht«», lautet die Schlagzeile.

Unter Hochdruck erstellten Experten einen DNA-Abgleich, um kurz vor Mitternacht dann kam die Nachricht der Pariser Staatsanwaltschaft: Der Serientäter ist ermittelt, es handelt sich um einen pensionierten Polizeibeamten, der sich am Tag der geplanten Polizeivernehmung umgebracht hat. Da man den Täter aus verschiedenen Gründen in den eigenen Reihen vermutete, seien in den vergangenen Monaten insgesamt rund 750 damals im Pariser Raum tätige Beamte vernommen worden.

Dank einer am Tatort gefundenen Zigarettenkippe und daran gesicherter DNA-Spuren war es Fahndern schon einige Zeit nach dem Mord an der Deutschen gelungen, die Tat mit weiteren Verbrechen in Verbindung zu bringen. Es handelte sich um denselben Täter, der schon 1986 eine Elfjährige im Tiefgeschoss eines Wohnblocks vergewaltigte und ermordete. Auch der Mord an einer 19-Jährigen im Pariser Umland 1994 sowie sechs Vergewaltigungen wurden ihm zugerechnet.

Der Tatort im Fall des deutschen Opfers hatte der Pariser Polizei damals einen entsetzlichen Anblick geboten: Wie gekreuzigt hing die nackte und geknebelte Leiche der damals 20-Jährigen aus Kempten im Allgäu am Doppelstockbett im Kinderzimmer, die Kehle durchgeschnitten. Auf die Leiche des ebenfalls gefesselten und geknebelten Vaters der Familie, bei der das Au-Pair gearbeitet hatte, stießen die Fahnder im Schlafzimmer, er war ebenfalls unbekleidet.

Einbruchspuren gab es keine, die Opfer mussten ihren Mörder selber hereingelassen haben. Einzige Spuren: die Zigarettenkippe und ein Notizbuch, in dem die Deutsche Namen und Daten von rund 30 Männern - mögliche Liebhaber und Verehrer - notiert hatte.

Von ihren konnte die Polizei alle ermitteln, bis auf einen. Dieser hatte offensichtlich einen falschen Namen und auch eine falsche Adresse angegeben, unter dieser nämlich fand sich damals ein Fotolabor der Polizeipräfektur. Und auch die Art und Weise, wie die junge Deutsche und der Familienvater gefesselt worden waren, ließ einige Fahnder an die Möglichkeit eines Polizei-Kollegen als Täter denken, hieß es in Medienberichten. Außerdem hatte der Mann bei einer der Taten einer Jugendlichen einen Polizeiausweis gezeigt, um sie gefügig zu machen.

Ein Polizist als Sexualverbrecher - dies erinnert an den Fall der 33 Jahre alten Londonerin Sarah Everard, die im März unter falschen Behauptungen in London festgenommen, entführt, vergewaltigt und ermordet wurde. Der Fall löste eine Vertrauenskrise in die britische Polizei und eine Welle der Empörung über Gewalt gegen Frauen in dem Land aus. Für Entrüstung sorgte unter anderem, dass die Polizei den Mann jahrelang in den eigenen Reihen geduldet hatte, obwohl er mehrmals wegen Exhibitionismus und unangemessenen Verhaltens gegenüber Frauen auffällig geworden war. Der Täter wurde vor wenigen Tagen zu lebenslanger Haft verurteilt.

Weshalb und wie genau es in Frankreich zu dem brutalen Mord an der jungen Deutschen und dem Familienvater kam, bleibt wohl ungeklärt. Wie die Zeitung «Le Parisien» berichtete, machte der 59-Jährige in seinem schriftlichen Geständnis dazu keine Angaben. Es sei nicht gut gelaufen in seinem Leben damals, er habe sich später aber in den Griff bekommen und behandeln lassen, schrieb der Mann demnach.

Was die Fahnder schon vor Jahren vermuteten, ist, dass das Au-Pair-Mädchen eine Art Beziehung mit seinem späteren Mörder gehabt haben könnte. Sie wohnte in einem Mansardenzimmer in der Nähe der Wohnung der Familie, bei der sie arbeitete. Möglicherweise für die Übergabe eines Schlüssels oder wegen eines anderen banalen Anlasses könnte sie «Pockengesicht» die Wohnungstür geöffet haben - fatalerweise.

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