LONDON: 2015 lehnte das britische Parlament eine Legalisierung der Sterbehilfe ab. Jetzt gibt es einen neuen Versuch. Klar ist: Es soll eine Gewissensentscheidung geben.
Eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe in Großbritannien rückt näher. Die Abgeordnete Kim Leadbeater von der Regierungspartei Labour brachte einen Entwurf ins Unterhaus in London ein. Er sieht vor, dass in England und Wales künftig ein Richter und zwei Ärzte den Wunsch einer Patientin oder eines Patienten bestätigen müssen, die oder der sterben will.
In Umfragen spricht sich eine breite Mehrheit für Sterbehilfe aus. Bisher gilt sie als Beihilfe zum Suizid in allen Landesteilen bis auf Schottland als Straftat, die Höchststrafe beträgt 14 Jahre Haft.
In Deutschland hatten im Juli 2023 zwei Entwürfe für einen gesetzlichen Rahmen mit Bedingungen und Voraussetzungen für die Sterbehilfe im Bundestag keine Mehrheit bekommen.
«Es geht um unheilbar Kranke»
Die Vorlage für das Unterhaus in London ist ein formaler Schritt ohne Debatte. «Es geht nicht um Menschen mit Behinderungen, es geht nicht um Menschen mit psychischen Erkrankungen», sagte Leadbeater der BBC. «Es geht hier vielmehr um unheilbar Kranke.» Befürworter und Gegner wollten in der Nähe des Parlaments demonstrieren.
Eine erste Debatte ist für den 29. November geplant. Falls es dann zur Abstimmung kommt, wird der Fraktionszwang aufgehoben. Premierminister Keir Starmer hatte noch als Oppositionsführer angekündigt, Sterbehilfe zu legalisieren. Seine sozialdemokratische Labour-Partei hat im Unterhaus eine große Mehrheit.
Kirchen sind gegen Sterbehilfe
Widerstand kommt von den Kirchen. Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, als Oberhaupt der anglikanischen Kirche warnte vor einer gefährlichen Entwicklung, bei der sich noch mehr Menschen gezwungen fühlen würden, ihr Leben medizinisch beenden zu lassen. Nach dem Unterhaus muss noch das Oberhaus zustimmen, in dem auch Welby und 25 weitere anglikanische Bischöfe sitzen.
In anderen Teilen der Britischen Inseln ist die Entwicklung weiter. In Schottland wird ein Entwurf im Parlament diskutiert. Auf Jersey im Ärmelkanal und der Isle of Man in der Irischen See hat jeweils das Parlament dafür gestimmt, eine Gesetzgebung auszuarbeiten, die aber nicht vor 2027 in Kraft treten wird. Beide Gebiete sind sogenannte Kronbesitze, die direkt dem britischen Königshaus unterstellt sind und nicht zum Vereinigten Königreich gehören.