Gericht: Kein Behördenversagen bei Kindesmord

Der Gerichtssaal des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ist vor der Urteilsverkündung am Gericht in Straßburg zu sehen. Foto: epa/Patrick Seeger
Der Gerichtssaal des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ist vor der Urteilsverkündung am Gericht in Straßburg zu sehen. Foto: epa/Patrick Seeger

STRAßBURG: Im Fall eines von seinem Vater ermordeten Jungen in Österreich sieht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kein Versagen der Behörden. Eine reelle und unmittelbare Gefahr eines Angriffs auf das Leben der Kinder der Familie sei nicht erkennbar gewesen, urteilte das Straßburger Gericht am Dienstag. Es habe deshalb keine Pflicht der Behörden gegeben, weitere Maßnahmen zu treffen. Das Recht auf Leben sei nicht verletzt worden. Das Urteil der Großen Kammer ist endgültig. (Nummer 62903/15)

Geklagt hatte eine Frau, die 2012 die Scheidung von ihrem Ehemann eingereicht und ihn wegen Vergewaltigung und Drohungen angezeigt hatte. Die Polizei verhängte gegen ihn ein zweiwöchiges Verbot, die Familienwohnung und deren nähere Umgebung zu betreten. Wenige Tage später ging der Mann zur Schule seiner Kinder und bat eine Lehrkraft, diese zu sehen. Der achtjährige Junge wurde daraufhin mit Kopfschuss gefunden und starb im Krankenhaus. Sein Vater erschoss sich. Die Klägerin wirft den Behörden vor, ihren damaligen Ehemann nicht in Untersuchungshaft gesteckt zu haben. Es hätte klar sein müssen, dass ein Kontaktverbot keinen ausreichenden Schutz biete.

Das Menschenrechtsgericht befand, dass die österreichischen Behörden schnell und sorgfältig reagiert hätten. Die getroffenen Maßnahmen erschienen demnach zum Zeitpunkt angemessen, um weitere Gewalt an den Kindern zu verhindern. Dass der Mann sich eine Waffe zulegen und seinen Sohn töten würde, sei nicht wahrscheinlich erschienen. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass Untersuchungshaft nicht als Präventionsmaßnahme eingesetzt werden könne.

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat. Gemeinsam kümmern sich die beiden von der Europäischen Union unabhängigen Organe um den Schutz der Menschenrechte in den 47 Mitgliedstaaten.

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