Tödliche Bandengewalt schockt Schweden

​Gangs of Stockholm 

Die Menschen schlendern bei kaltem, aber sonnigem Wetter am Standvagen-Kai in Stockholm entlang. Foto: epa/Fredrik Sandberg
Die Menschen schlendern bei kaltem, aber sonnigem Wetter am Standvagen-Kai in Stockholm entlang. Foto: epa/Fredrik Sandberg

STOCKHOLM: Schweden galt lange Zeit als Inbegriff der Friedlichkeit. Ein ausgeprägter Bandenkonflikt lässt von diesem Bild nicht mehr viel übrig. Besonders dramatisch ist, wie Teenager in die Spirale der Gewalt hineinrutschen.

Die Lage in Schweden ähnelt derzeit eher einem Krimi von Stieg Larsson als einer friedlichen Erzählung von Astrid Lindgren. Das viel beschriebene Bullerbü-Idyll des Landes hat durch die immer wieder eskalierende Gewalt unter kriminellen Gangs arg Risse erhalten. Sieben Menschen wurden jüngst innerhalb von nur zehn Tagen rund um die Hauptstadt Stockholm erschossen. Im Durchschnitt einmal pro Tag fallen irgendwo im Land Schüsse. Immer wieder sind Minderjährige beteiligt. Wie konnte es so weit kommen?

«Die Situation wie jetzt haben wir wohl seit 1945 nicht gehabt. Es ist eine gefährliche Zeit», sagte der erfahrene Polizist Jale Poljarevius zuletzt in der Rundfunksendung «Agenda» zur jüngsten Gewaltwelle. Als Geheimdienstchef in der Polizeiregion Mittelschweden leitet er eine Einheit, die sich explizit mit den Gangs befasst. «Wir sehen, dass die Gewalt definitiv gröber geworden ist», sagte er. Es sei unglaublich, dass ausgerechnet ein Land wie Schweden so etwas erleben müsse. «Aber das ist die düstere Realität, der wir ins Auge blicken und die wir mit allen Mitteln bekämpfen müssen.»

Nun ist die Bandenkriminalität in Schweden nichts grundlegend Neues. Seit mehreren Jahren schon hat das skandinavische EU-Land damit zu kämpfen. Dutzende Gangs liefern sich Konflikte, laut der Regierung sind momentan schätzungsweise 30.000 Menschen Mitglieder dieser Banden. Dabei geht es in erster Linie um das große Geld, das im lukrativen Drogengeschäft zu holen ist. Schweden ist nach Angaben des schwedischen Zolls längst zu einem Transitland für Kokain aus Lateinamerika auf dem Weg nach Europa geworden.

All das führt zu Gewalt, die sich immer wieder in Schüssen und vorsätzlich herbeigeführten Explosionen äußert: In den ersten 258 Tagen des Jahres 2023 gab es laut offizieller Polizei-Statistik mehr als 260 Schusswaffenvorfälle mit 34 Toten und 71 Verletzten - manche Opfer der vergangenen Tage sind da noch nicht mit eingerechnet.

Manchmal geraten auch Unbeteiligte wie die zwölfjährige Adriana in die Schusslinien - das Mädchen war vor rund drei Jahren beim Gassigehen erschossen worden. Hinzu kamen in diesem Jahr bislang mehr als 120 Explosionen, bei denen jedoch generell weitaus seltener Menschen zu Schaden kommen. Diese Taten sind vielmehr dazu gedacht, Rivalen einzuschüchtern.

Was jedoch neu ist: die Eskalationsstufe. Zum Pulverfass hat sich gerade die Hauptstadtregion um Stockholm und die Universitätsstadt Uppsala entwickelt. Hier wurden zwischen dem 7. und 16. September gleich sieben Menschen erschossen, darunter auch mindestens ein Unbeteiligter ohne Kontakte ins Bandenmilieu.

«Derzeit befinden sich die kriminellen Netzwerke in einer sehr gewaltsamen, eskalierenden Phase», sagte der Kriminologe Christoffer Carlsson von der Universität von Stockholm. Die Gangs seien dazu übergegangen, auch Angehörige von Bandenmitgliedern anzugreifen. «Wenn es schwierig ist, an die Mitglieder ranzukommen, dann werden sie über Verwandte angegriffen», erklärte der Universitätsdozent. «Es ist eine schreckliche Entwicklung, aber nicht ganz unerwartet.»

Im Zentrum der jüngsten Gewaltwelle steht der 36 Jahre alte Anführer des sogenannten Foxtrot-Netzwerks. Er ist in Schweden unter dem Namen «Der kurdische Fuchs» bekannt und soll sich mit einem 33 Jahre alten anderen führenden Mitglied des Netzwerks überworfen haben. Beide sollen sich in der Türkei versteckt halten. Nach Informationen des Rundfunksenders SVT nahm dort Anfang September die jüngste Gewalt ihren Anfang: Erst soll jemand aus dem Lager des 33-Jährigen in Istanbul misshandelt, dann auf eine Unterkunft mit Verbindungen zum Lager des «kurdischen Fuchses» geschossen worden sein.

Dieser Konflikt wurde in kürzester Zeit nach Schweden getragen: Am 7. September wurde in Uppsala eine Frau im Alter von rund 60 Jahren erschossen - die Mutter des 33-Jährigen. Laut Polizei handelte es sich um eine regelrechte Hinrichtung. Seitdem jagt eine Racheaktion die nächste - und Schweden ist geschockt, wie zunehmend Minderjährige in die Gewalt hineingezogen werden, manche davon 14 Jahre und jünger.

Die Zahl der Mordanklagen gegen Minderjährige ist nach SVT-Berichten in den vergangenen Jahren stark gestiegen. «Das ist natürlich eine tragische Entwicklung - dass Kinder und Jugendliche zu Mördern und auch zu Verbrechensopfern werden in dem Teufelskreis, in den sie hineingezogen werden», sagte Justizminister Gunnar Strömmer dazu.

Angelockt werden die Jugendlichen von den Gangs unter anderem mit teurer Kleidung, Geld und einem Gefühl von Gemeinschaft - und nicht ohne Hintergedanken: Sie werden oft für die grobe Arbeit eingesetzt, und gemäß dem Jugendstrafrecht in Schweden drohen ihnen bei Verurteilungen deutlich geringere Haftstrafen als Erwachsenen - damit sind sie für die Banden schon nach wenigen Jahren wieder einsetzbar.

Wie all das endet, ist unklar. Konkrete Pläne, wie die Rekrutierung von Minderjährigen gestoppt werden soll, hat die Regierung bislang nicht präsentieren können. Präventionsmaßnahmen bereits bei jüngeren Kindern in Problembezirken und größere Kraftanstrengungen bei der Integration stehen im Raum, Strömmer kann sich auch separate Jugendgefängnisse vorstellen - selbst für 13- oder 14-Jährige.

Kriminologe Carlsson rechnet damit, dass es 10, 15 Jahre dauern dürfte, um die Schusswaffengewalt in den Griff zu bekommen - wenn man heute damit beginnt. Ein früher Indikator für den richtigen Weg sei, wenn die Zahl der Neurekrutierungen der Netzwerke zurückgehe und schließlich aufhöre, sagte er. «Dann beginnen wir, das Ende zu sehen - aber bis dahin ist es noch ein langer, langer Weg.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder
Jürgen Franke 24.09.23 14:40
Lieber Jack, es ist die große Herausforderung der
Länder, diese Menschen wieder zurückzuschicken und die Schlepperbanden zu zerschlagen. Es sei denn, es ist von der Regierung so gewollt, dass dieser Kuturkreis willkommen ist. Die AfD wird nicht in der Lage sein, diese Situation zu ändern, obwohl das zu wünschen wäre.
David Ender 23.09.23 16:50
Tja Herr "Kusch" ...
... nicht jeder Nick name ist auch Klarname, richtig? Zusatzfrage: Was stimmt denn bei den Statistiken dieses (Ihr Zitat) "Machwerks" konkret nicht? Welche KPIs und demokratiepolitischen Fakten haben denn Sie zu den moslemisch gepraegten Staaten dieser Welt? Fakten? Quelle? Irgendwas? Oder bloss untergriffige Prosa?
Norbert Kurt Leupi 23.09.23 13:39
Diesen Satz wieder zu kauen ... ./ Jürgen Franke
Ja , werter Jürgen , die diversen europäischen Regierungen haben es seit 2015 verpasst , das individuelle Fehlverhalten der Flüchtlinge anzuprangern und ihnen den Weg zu weisen ! Gemäss Artikel 2 der Genfer Flüchtlingskonvention sieht dies nämlich genau vor : " Jeder Flüchtling hat in dem Land , in dem er sich aufhält , PFLICHTEN , zu denen insbesondere die Verpflichtung gehört , die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften sowie die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung getroffenen Massnahmen zu beachten " ! Und genau diese " Nichtbeachtung " hat nun in D der AfD zu einem " Riesenerfolg " verholfen ! " Ich gönn`s ihnen " !
Jürgen Franke 22.09.23 13:50
Lieber Jack, diesen Satz immer wiederzukauen
bringt uns nicht weiter, denn hinter der Merkel stand eine Partei, die diesen Unsinn bis heute, nicht nur nicht gändert, sondern sogar verschlimmert hat. Offensichtlich ist dieses Chaos vorprogramiert. Ein Land ohne Grenzen hat aufgehört zu existieren.
Norbert Kurt Leupi 22.09.23 13:40
" Wir schaffen das " ....
für diesen " Merkel-Satz " hat Deutschland und weitere Länder wie etwa Schweden bis heute einen grossen Preis bezahlt ! Der Kontrollverlust an den Grenzen und die Migration ausschliesslich moralisch zu begründen , führte und führt diese Länder weiter ins Chaos !
Ling Uaan 22.09.23 13:20
Über Zahlen und Statistiken ...
... kann man immer streiten, aber 99,5% friedliche Muslime ist wohl eine gewaltige Untertreibung, das gibt es noch nicht mal unter (bio) Deutschen, ok vielleicht unter den Bayern. 55555

Zum Höhepunkt der Völkerwanderung 2015 sagte der damalige Innenminister Thomas de Maizière dass wohl 80 bis 90 Prozent der (syrischen) Muslime friedlich seien. Und der muss es ja wohl wissen und wird da sicherlich nicht übertrieben haben, schon rein aus politischen Gründen nicht.

Was ich da noch viel „erschreckender“ find ist aber das da lt. schwedischen Behörden mindestens 30.000 in solchen kriminellen Organisationen sein sollen. Oh boy.
Muhammad Al-Batrayni 22.09.23 12:23
Islamhasser in der Politik in Europa
David Ender: Ich stimme Ihnen zu. Die Polizei sollte gegen diese Banden hart vorgehen, denn wer am meisten darunter leidet sind die 99,5% friedlichen Muslime in Schweden und Deutschland.

Und es sollten klare Ansagen gemacht werden. Manchmal habe ich das Gefuehl insbesondere bei den Guenen, daß die Muslime absichtlich in ein schlechtes Licht ruecken wollen nach dem Motto: "Das ist in diesen Kulturkreisen ueblich, das muessen wie tolerieren".

Nein, ist es nicht. Ich glaube kaum, daß sich diese Leute das gleiche in einem muslimischen Land herausnehmen wuerden. Diese falsch verstandene "Toleranz" ist fuer mich rassistisch.
Oliver Harms 21.09.23 20:30
So ist es halt.....
Das die Bänden nicht aus Schweden sondern ausschließlich aus Migranten und Asylanten besteht würde mal wieder nicht erwähnt.
Übrigens wenn die Typen in Skandinavien abgelehnt werden,geht's ab nach Deutschland.
Jürgen Franke 21.09.23 19:10
Die Clan-Kriminalität ist auch in
Deutschland, besonders in Nordrhein-Westfalen, nicht unbekannt.
David Ender 21.09.23 17:50
Verfasser/dpa verdient Orden
Mit diesem Text hat sich der Verfasser den "Grossen Political Correctness Orden am Hosenbande" verdient! Glueckwunsch: Im gesamten Text kommt mit der Ausnahme des Fallbeispiels "kurdischer Fuchs" kein einziger Hinweis auf den ethnischen Hintergrund der Gewaltwelle, konkret das Abdriften Schwedens in Parallelgesellschaften mit archaischen kulturellen Normen aus grauer Vorzeit. Ergo stelle ich fest: Die Schweden waren immer ganz friedliche Leutchen, doch seit neuestem organisieren sie sich in Clans, leben nach dem Auge-um-Auge Ehrenkodex, schiessen mit autom. Waffen und schmeissen Handgranaten. Boese Schweden. Ich bin jetzt sehr enttaeuscht! (sorry, so viel agendagetriebene Realitaetsverweigerung kann man bloss noch mit Humor kontern.)