Gaddafis Sohn taucht nach jahrelanger Stille wieder auf

Prof. Saif al-Islam Gaddafi bei einer Pressekonferenz in Tripolis. Foto: epa/Sabri Elmhedwi
Prof. Saif al-Islam Gaddafi bei einer Pressekonferenz in Tripolis. Foto: epa/Sabri Elmhedwi

TRIPOLIS: Zehn Jahre nach seiner Flucht und nach mehrjähriger Gefangenschaft wagt sich ein Sohn des getöteten früheren libyschen Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi zurück in die Öffentlichkeit. Saif al-Islam sprach mit der «New York Times» über die Lage in dem Bürgerkriegsland und machte dabei auch Andeutungen, bei der im Dezember geplanten Präsidentenwahl möglicherweise selbst anzutreten. «Man muss langsam, langsam zurückkommen», sagte Al-Islam, über dessen mögliche Rückkehr in die Politik schon länger spekuliert wurde. Das letzte Lebenszeichen von ihm hatte es 2014 gegeben.

Al-Islam hatte in Libyen die brutale Niederschlagung von Protesten gegen seinen Vater im Jahr 2011 unterstützt. Im wurde vorgeworfen, im Rahmen der Aufstände zur Tötung friedlicher Demonstranten aufgerufen zu haben. Auf der Flucht wurde er dann von einer Miliz gefasst und kam in der westlibyschen Stadt Sintan in Haft. Dort verbrachte er nach eigener Aussage mehrere Jahre mit kaum Kontakt zur Außenwelt.

Seit 2014 fordert der Internationale Strafgerichtshof seine Auslieferung, um ihm wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit den Prozess zu machen. 2015 wurde er von einem Gericht in Tripolis in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Die Machthaber in Sintan ließen ihn aber weder nach Tripolis überstellen, noch lieferten sie ihn aus.

«Sie haben das Land vergewaltigt - es ist auf Knien», sagte Al-Islam der «New York Times» über diejenigen, die Libyen in den vergangenen zehn Jahren beherrschten. Nach seiner Auffassung hat Libyen seit dem Sturz seines Vaters im Jahr 2011 keinen Staat gehabt. Die Mächtigen hätten seitdem «kein Interesse an einer starken Regierung», seien «gegen die Idee eines Präsidenten» und hätten deshalb auch «Angst vor Wahlen». Er zeigte sich überzeugt, dass seine rechtlichen Probleme im Fall seiner Wahl zum Präsidenten ausgeräumt werden könnten.

Am Montag sagte der libysche Analyst Faradsch Farkasch: «Saif al-Islams Auftritt in den Medien schadet ihm und verringert seine Chancen, irgendetwas zu erreichen.» Al-Islams Haltung «will uns zurückbringen zu der schlechten und einzigartigen Version von Demokratie seines Vaters, unter der viele Libyer gelitten haben», sagte Farkasch der Deutschen Presse-Agentur. Selbst unter seinen Anhängern habe Al-Islam sein Image mit dem Interview geschädigt.

Ob die Wahlen wie geplant am 24. Dezember stattfinden können, ist derzeit unklar. Als möglicher Kandidat für das Präsidentenamt gilt neben Al-Islam der frühere Innenminister Fathi Baschagha. Als Gegenspieler genannt wird auch General Chalifa Haftar, der mit Anhängern und Verbündeten weiterhin große Teile im Osten Libyens beherrscht.

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