BERLIN (dpa) - Der frühere SPD-Vorsitzende und Außenminister Sigmar Gabriel hat gewarnt, dass Deutschland schlecht auf die gewaltigen Veränderungen in der Welt vorbereitet ist. «Was man von Donald Trump lernen kann: dass man Dinge radikal in Frage stellen kann», sagte Gabriel am Dienstagabend bei der Vorstellung seines Buchs «Zeitenwende in der Weltpolitik» in Berlin. Der FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki betonte: «Ich muss bekennen, ich bin großer Fan von Sigmar Gabriel». Das sei ein sehr wichtiges Buch, es beschreibe die Folgen durch das Ende regelbasierter Politik wie durch Trump.
Durch den Wegfall klarer Ordnungsmächte spricht Gabriel auch von einer G0-Welt. Das Buch ist von Mittwoch an im Handel und basiert auf vielen Gesprächen mit Diplomaten und Wegbegleitern. Es beginnt mit der paradoxen Lagebeschreibung anno 2018: «Eine Gesellschaft mit einer historisch niedrigen Arbeitslosigkeit auf dem Weg zur Vollbeschäftigung. Eine Gesellschaft, die von einer bärenstarken Wirtschaft profitiert und von Freunden umgeben ist. Nie in seiner Geschichte ging es unserem Land so gut.»
«Cool germany» («The Economist») machte Deutschland plötzlich zum Sehnsuchtsort, auch für Hunderttausende Flüchtlinge, auf der Suche nach einem besseren Leben. Der Rückzug auf das Nationale, wie von der AfD gepredigt, sei keine Option. Selbstkritisch räumt er auch große Fehleinschätzungen als Vizekanzler in der Flüchtlingskrise ein. Drinnen im Land wie draußen in Europa braue sich ein Sturm zusammen. Trumps Amerika «als schurkische Supermacht», Chinas Aufstieg, Nationalismus in Europa. Er sieht eine Antwort im Zusammenrücken Europas und mehr Einmischung Deutschlands. Aber das Land beschäftige sich viel zu sehr mit sich selbst, so Gabriel.
Am Ende des Buches stellt Gabriel eine große Frage. «Wie werden die Historiker in 600 Jahren unsere Zeit beschreiben? Als den Beginn einer neuen chinesischen Ära und den selbst verschuldeten Ausstieg Europas aus der Weltgeschichte?» Gabriel sieht Parallelen zu Chinas Abstieg, das Einmotten der großen Seeflotte und den Rückzug in die Isolation Mitte des 15. Jahrhunderts - während von Portugal und Spanien aus Europas Expansion begann. So wie heute China von Afrika bis Lateinamerika seinen Einfluss überall massiv ausweitet.