G20-Sondergipfel zu Afghanistan

​«Humanitäre Katastrophe verhindern»

Mario Draghi, der italienische Ministerpräsident, schaut während eines Treffens mit der deutschen Bundeskanzlerin im Chigi-Palast in Rom zu. Foto: epa/Roberto Monaldo/lapresse
Mario Draghi, der italienische Ministerpräsident, schaut während eines Treffens mit der deutschen Bundeskanzlerin im Chigi-Palast in Rom zu. Foto: epa/Roberto Monaldo/lapresse

ROM: Afghanistan droht eine humanitäre Katastrophe. Die Rechte von Frauen, Minderheiten und Regimekritikern werden Berichten zufolge massiv eingeschränkt. Das Ausland fürchtet eine neue Terrorgefahr. Über die Krisenlage beraten die G20-Staaten heute bei einem Sondergipfel.

Rund zwei Monate nach dem Fall Afghanistans an die Taliban beraten die wichtigsten Industrienationen in einem G20-Sondergipfel über die Zukunft des Landes am Hindukusch. Auf Einladung des italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi soll in einer Videoschalte an diesem Dienstag vor allem diskutiert werden, wie Afghanistan einerseits humanitär geholfen werden kann und wie andererseits die terroristische Gefahr zu bannen ist.

Zu dem virtuellen Treffen ab 13.00 Uhr sind neben den 20 wichtigsten Industrieländern auch Vertreter der Europäische Union, der Vereinten Nationen und internationaler Organisationen geladen.

Ein zentraler Aspekt der Beratungen ist, wie das Ausland mit den Taliban in Afghanistan umgeht. Am Wochenende hatten die Islamisten erstmals seit der Machtübernahme persönliche Gespräche mit Vertretern der USA geführt; in Doha tauschten sich die beiden Seiten «offen und professionell» aus, wie das US-Außenministerium mitteilte. Bei den Beratungen ging es demnach um Sicherheits- und Terrorismusfragen, um die Ausreise ausländischer Staatsangehöriger, um Menschenrechte und um Hilfen für den Großteil der afghanischen Bevölkerung.

«Wir müssen eine humanitäre Katastrophe verhindern», hatte zuletzt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Treffen mit Draghi in Rom gesagt und die italienische G20-Initiative begrüßt. Draghi hatte schon im August, als dramatische Bilder des Machtwechsels in Kabul und von massenhaften Evakuierungen um die Welt gingen, einen Sondergipfel vorgeschlagen und vorangetrieben. Zuletzt bereiteten die Außenminister am Rande der UN-Vollversammlung das Spitzentreffen vor. Ende Oktober steht dann in Rom der reguläre G20-Gipfel an.

Nach UN-Angaben sind rund 18 Millionen Afghanen - und damit die Hälfte der Gesamtbevölkerung - auf humanitäre Hilfe angewiesen. 93 Prozent der Haushalte haben nicht genug zu essen. Mehr als die Hälfte der Kinder unter fünf Jahren ist von Unterernährung bedroht. Die Grundversorgung steht nach UN-Einschätzung vor dem Zusammenbruch. Es drohe eine noch viel größere humanitäre Katastrophe, wenn die internationale Gemeinschaft es zulasse, dass Afghanistans Gesundheitswesen, die Banken und die Wirtschaft kollabieren.

Bei einer Geberkonferenz im September wurde dem Land zwar mehr als eine Milliarde Euro zugesagt - laut UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi sind davon aber erst 35 Prozent ausgezahlt worden. In dem Land wurden bereits 3,5 Millionen Menschen vertrieben, mehr als zwei Millionen Afghanen flüchteten in Nachbarstaaten.

Der Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin lobte den anstehenden G20-Sondergipfel als «richtiges Format». Er forderte die G20 auf: «Es muss eine starke gemeinsame Position geben, um mit den Taliban jenseits einer diplomatischen Anerkennung über humanitäre Hilfe und den Stopp von eklatanten Menschenrechtsverletzungen zu sprechen.»

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