G20-Gipfel droht wegen Klima-Streits zu scheitern

Foto: epa/Kazuhiro Nogi
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OSAKA (dpa) - Was kann die Gruppe der 20 wichtigsten Wirtschaftsmächte überhaupt noch ausrichten? Beim Gipfel in Japan zeigt sich wieder die Uneinigkeit der Staatengruppe bei zentralen globalen Themen. Das liegt nicht mehr nur an US-Präsident Trump.

Wegen tiefgreifender Differenzen beim Klimaschutz droht der G20-Gipfel in Japan zu scheitern. Die Europäische Union machte am Freitag zum Auftakt der Beratungen der großen Wirtschaftsnationen in Osaka deutlich, dass sie keine Abschlusserklärung mittragen will, die einen Rückschritt gegenüber früheren Gipfeln bedeutet. Die Gruppe der Gegner besonders strenger Klimaschutzziele in der G20 wächst aber. Neben den USA unter Präsident Donald Trump gehören Brasilien, die Türkei, Saudi-Arabien und Australien dazu. Bei früheren Gipfeln war Trump mit seiner strikten Ablehnung des UN-Klimaabkommens von Paris noch isoliert.

Differenzen gibt es auch beim Freihandel und der Frage, welches Gewicht internationale Regeln und Institutionen künftig überhaupt noch haben sollen. Auch hier ist es vor allem Trump mit seiner ganz an nationalen Interessen ausgerichteten Politik, der mit den Europäern und anderen in der G20 über Kreuz liegt. Sollte die Gipfelerklärung scheitern, wäre es das erste Mal seit Beginn der Treffen der Staats- und Regierungschefs 2008. Es wurde mit harten Verhandlungen bis zum Schluss am Samstagnachmittag gerechnet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel absolvierte in Osaka ein dichtes Programm, obwohl sie wenige Stunden vor ihrem Abflug nach Osaka erneut einen Zitteranfall erlitten hatte. Zum Gipfelauftakt merkte man ihr davon aber nichts mehr an. Sie traf sich kurz nach der Ankunft in Osaka mit Trump, der sie als «fantastische Person» und «großartige Freundin» lobte. Kurz vor seiner Abreise hatte der US-Präsident Deutschland noch scharf für mangelnde Verteidigungsausgaben und zu große Nähe zu Russland kritisiert. «Sie bezahlen einen potenziellen Feind», kommentierte Trump die deutsch-russische Zusammenarbeit im Energiebereich.

Merkel hob bei dem Treffen hervor, dass die deutsche Wirtschaft sehr stark auch in den Vereinigten Staaten investiere. «Wir haben nicht nur Handel, sondern auch sehr viele Investments.» Das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA gilt seit dem Amtsantritt Trumps unter anderem wegen des großen deutschen Handelsüberschusses als angespannt.

Auf Merkels Programm stehen insgesamt zehn bilaterale Treffen. Am Freitag kam sie neben Trump auch mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping zusammen. An diesem Samstag sind Gespräche mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geplant.

Putin kritisierte vor Gipfelbeginn die Flüchtlingspolitik Merkels scharf. Ihre Entscheidung, die dazu führte, dass im Jahr 2015 Hunderttausende Flüchtlinge in Deutschland Zuflucht suchen konnten, bezeichnete er in einem Interview der britischen «Financial Times» (Freitag) als «Kardinalfehler». Der russische Präsident lobte dagegen Trump als einen talentierten Menschen. «Er weiß sehr gut, was seine Wähler von ihm erwarten», sagte er. «Er hat seine eigene Vision der Welt.»

Putin und Trump trafen sich in Osaka erstmals seit dem letzten G20-Gipfel in Buenos Aires im vergangenen Dezember. In dem mit eineinhalb Stunden außergewöhnlich langen Gespräch ging es um den Streit über das Verbot atomarer Mittelstreckenraketen, aber auch um die aktuelle Krise in der Golfregion - ohne dass Einzelheiten bekannt wurden. Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran hatte sich in den vergangenen Wochen immer weiter hochgeschaukelt. Bislang ungeklärte Angriffe auf Handelsschiffe in der Golfregion und der Abschuss einer US-Drohne durch den Iran haben die Region an den Rand eines Krieges gebracht.

In Osaka versuchte Trump Druck aus dem Kessel zu nehmen. «Wir haben viel Zeit. Es gibt keine Eile, sie können sich Zeit lassen», sagte Trump zu einer möglichen Konfliktlösung mit Teheran. Er sagte aber auch: «Hoffentlich wird es am Ende gut gehen. Wenn es das tut - großartig. Wenn es das nicht tut, werden Sie davon hören.»

Das wichtigste bilaterale Treffen bei dem Gipfel findet erst Samstag zwischen Trump und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping statt. Dann wird sich zeigen, ob in den seit Monaten festgefahrenen Handelsstreit zwischen beiden Ländern wirklich Bewegung kommt und die Gespräche darüber wieder aufgenommen werden. Medienberichten zufolge soll Trump zugesagt haben, die angedrohte Ausweitung der Strafzölle auf alle Importe aus China erstmal zu verschieben. Das sei Bedingung Xi Jinpings für das Treffen in Osaka gewesen. Zumindest an dieser Stelle gibt es also ein wenig Hoffnung.

Und noch ein weiterer Erfolg könnte gelingen. Die Gespräche über den Abschluss eines Freihandelsabkommens der Europäischen Union mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur sind auf der Zielgeraden. Beide Seiten arbeiteten hart daran, die noch verbliebenen offenen Punkte zu klären, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission. Aus Verhandlungskreisen hieß es, dass eventuell bereits am Rande des G20-Gipfels eine Grundsatzeinigung bekanntgegeben werden könnte. Neben den EU-Spitzen zählen auch Argentiniens Präsident Mauricio Macri sowie Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro zu den Teilnehmern. Das Abkommen mit der Mercosur-Gruppe wäre das größte, das die EU jemals vereinbart hat.

Über Erfolg oder Misserfolg des Gipfels in Osaka wird aber letztlich vor allem entscheiden, ob man beim Klimaschutz eine Lösung findet. «Ich denke, dass wir eine starke Erklärung zum Klimawandel brauchen», sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er könne deswegen keine Verwässerung der Gipfelerklärung aus dem vergangen Dezember akzeptieren. In Buenos Aires hatte man sich damals - mit Ausnahme Trumps - zur «uneingeschränkten Umsetzung» des Pariser Klimaabkommens zur Begrenzung der Erderwärmung bekannt und festgehalten, dass der Vertrag «unumkehrbar» sei. Das Abkommen sieht vor, den Anstieg der globalen Temperatur bei weniger als zwei Grad und möglichst sogar bei nur 1,5 Grad zu stoppen. Vergleichsmaßstab ist die Zeit vor der Industrialisierung.

EU-Ratspräsident Donald Tusk warnte zum Gipfelauftakt eindringlich vor nationalen Alleingängen. «Die globale Bühne darf keine Arena werden, in der die Stärkeren den Schwächeren ihre Bedingungen diktieren, in der Egoismus über Solidarität und nationalistische Gefühle über gesundem Menschenverstand stehen», sagte er.

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