«G1+1»: Wie Trumps Methode die G20 zermürbt

Foto: epa/Andy Rain
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OSAKA (dpa) - Die G20 hat sich in Osaka zu einer Gipfelerklärung durchgerungen, die dünner kaum sein könnte. Die wichtigsten Ergebnisse wurden außerhalb der großen Runde erzielt. Trumps Methode, Weltpolitik zu machen, droht die G20 auszuhöhlen.

Es gehört zu den Ritualen großer Gipfeltreffen, dass man am Ende Zufriedenheit demonstriert - egal wie es ausgegangen ist. Aber Emmanuel Macron will dieses Spiel am Samstag nicht mehr mitspielen. «Wir haben das Schlimmste verhindern können, aber das Schlimmste zu verhindern, ist nicht genug», kritisiert der französische Präsident nach dem Ende des G20-Treffens der wichtigsten Wirtschaftsmächte im japanischen Osaka.

Bei großen Themen wie dem Klimaschutz reichten Minimalkompromisse nicht aus, macht er klar. Die Suche nach Einstimmigkeit dürfe kein Bremsklotz für Ehrgeiz sein - auch nicht bei einem Forum wie den G20.

Kurz zuvor hatte sich ausgerechnet derjenige besonders euphorisch gezeigt, der sich an solche Rituale eigentlich nicht hält und auch schon mal erzürnt einen Gipfel im Nachhinein platzen lässt. «Der G20-Gipfel war fantastisch», jubiliert US-Präsident Donald Trump.

Bei seiner Abschluss-Pressekonferenz will er gar nicht mehr aufhören, Reporterfragen zu beantworten, umgarnt sogar Journalisten, die er in anderen Situationen schon verbal aus dem Saal zu prügeln pflegte. Mehrmals fragt er die weit mehr als 150 versammelten Reporter im Ballsaal des Hotels Imperial: «Sollen wir weitermachen?» Keiner sagt nein.

Es war ein Gipfel, der ganz nach dem Geschmack Trumps verlief. Der US-Präsident und seine Leute schafften es, China im Handelsstreit wieder an den Verhandlungstisch zu bekommen. Das Druckmittel Huawei könnte gewirkt haben. Trump will bei seinem Bann über den Kommunikationsriesen etwas lockerer lassen.

Und auch in Sachen Nordkorea gelingt dem Medienmenschen Trump ein Coup. Über Twitter lädt er den Machthaber Kim Jong Un zu einem Handschlag an der innerkoreanischen Grenze ein und zieht damit die gesamte mediale Aufmerksamkeit auf sich - und weg vom Gipfelgeschehen. Zudem sendet Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Entspannungssignale in Sachen atomare Rüstung aus.

Das sind aber alles Dinge, die mit dem Gipfel der «Gruppe der 20» eigentlich nichts zu tun haben. Sie haben dafür etwas mit der Methode Trump zu tun, die die Gipfel langsam auszuhöhlen droht. Wichtig sind dem US-Präsidenten medienwirksamen Effekte und möglichst spektakuläre Treffen eins zu eins, bei denen man sich in die Augen schaut und Deals vereinbart: G1+1 statt G20 also.

Es ist der Wettbewerb zwischen zwei Weltpolitik-Konzepten, der in Osaka ausgetragen wird. Auf der einen Seite stehen Einzelgänger wie Trump oder der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, die ihre Politik ganz an nationalen Interessen ausrichten. Auf der anderen Seite sammeln sich die sogenannten Multilateralisten, zu denen Bundeskanzlerin Angela Merkel gehört. Sie halten internationale Institutionen und Regeln hoch und legten deswegen bislang auch großen Wert auf einvernehmliche Abschlusserklärungen bei G20-Gipfeln.

Die gibt es aber nicht mehr, seit Trump dabei ist. Der US-Präsident stieg kurz nach einem Amtsantritt 2017 aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Deswegen schrieb die G20 kurz danach auf ihrem Gipfel in Hamburg erstmals in ihrer Geschichte einen Dissens bei diesem Thema fest. 19 gegen 1.

Damals galt die Spaltung als Desaster. In Osaka verkauft Merkel das 19 zu 1 für die Pariser Erklärung als Erfolg: «Es ist gelungen, nach nächtlichen und täglichen Verhandlungen jetzt doch wieder eine 19 zu 1 Erklärung zu haben», sagte sie. Der Grund für die Erleichterung: Es hätte viel schlimmer kommen können. Es gab vier weitere Kandidaten, die sich auf die Seite Trumps hätten schlagen können: Brasilien, die Türkei, Saudi-Arabien und Australien. Dann hätte es nur noch 15 zu 5 gestanden.

Trump wollte eigentlich überhaupt keine Passage zum Klimaschutz in dem Abschlusskommuniqué. Dann hätten die Europäer die Erklärung aber ganz gekippt. Noch nie waren die Verhandlungen so hart wie diesmal. Bis 5 Uhr morgens am Samstag tagen die Unterhändler und dann wieder ab 9.30 Uhr. Erst kurz vor Ende steht das Ergebnis fest. Das Bekenntnis der 19 zum Pariser Klimaabkommen bleib unverändert. Der Preis: Einzelgänger Trump durfte die USA in der Abschlusserklärung als «Führungsnation» beim Klimaschutz loben.

Zumindest für Frankreichs Präsidenten Macron ist am Ende klar, dass es so nicht weitergehen kann. «Ich denke, wir müssen uns fragen, wozu diese Kommuniqués nützlich sind», sagte er nach Abschluss des Gipfels. Als Gastgeber des nächsten G7-Treffens Ende August in Biarritz will er nun ganz auf eine allgemeine Abschlusserklärung verzichten. Stattdessen soll es Verpflichtungserklärungen geben, wenn sich eine ausreichend großen Gruppe von Teilnehmerstaaten auf Ziele einigen kann. «Ich denke, wir müssen sehr viel grundsätzlicher über unsere Formate nachdenken.»

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