In billigen Blechbooten übers Meer

Frontex: neue Schleppermasche

Das Bild zeigt Migranten nach ihrer Rettung. Foto: EPA-EFE/Concetta Rizzo Id: 11454591
Das Bild zeigt Migranten nach ihrer Rettung. Foto: EPA-EFE/Concetta Rizzo Id: 11454591

WARSCHAU: Menschenschmuggler in Tunesien verfolgen eine neue Strategie. Statt in größeren Schiffen schicken sie Migranten in Blechbooten auf das Mittelmeer. Diese sind oft seeuntauglich - doch die riskante Passage ist preisgünstig.

Schlepper aus Tunesien setzen nach Beobachtung der EU-Grenzschutzagentur Frontex zunehmend billige und gefährliche Blechboote ein, um mehr Migranten über das Mittelmeer zu bringen. «Diese Blechboote können in 24 Stunden zusammengeschweißt werden. Sie sind nicht wirklich seetauglich. Etwas Seegang - und sie gehen unter», sagte Frontex-Chef Hans Leijtens der Deutschen Presse-Agentur.

Trotzdem entscheiden sich viele Migranten aus Afrika für die riskante Passage im Blechboot - weil sie günstiger ist als die Überfahrt auf einem größeren Schiff. Leijtens sieht die neue Masche der Schlepper als einen Grund dafür, dass die Zahl der versuchten irregulären Grenzübertritte im zentralen Mittelmeer rasant gestiegen ist.

Mit ihren scharfkantigen Blechrändern erinnern die Boote an Konservendosen. Sie haben einen Außenbord-Motor und werden vollgepfercht mit 30 bis 50 Menschen. Kentert das Boot auf der rund 150 Kilometer langen Fahrt von Tunesien nach Italien, kann sich anders als bei einem Holzboot niemand daran festhalten.

Für die Schlepperbanden sei die neue Methode jedoch sehr profitabel, sagte Leijtens. «Weil die Boote so billig sind, können sie niedrigere Preise anbieten.» Statt 1500 bis 2000 Euro für die Passage auf einem größeren Schiff zahlten die Migranten für die riskantere Überfahrt auf einem Blechboot 500 Euro. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration der Vereinten Nationen (IOM) seien auf der Route in den ersten vier Monaten dieses Jahres bereits fast tausend Menschen ums Leben gekommen.

Nach Einschätzung des Frontex-Chefs könnte unter anderem die neue Strategie der Schlepperbanden für die enorm gestiegene Zahl irregulärer Grenzüberschreitungen über das zentrale Mittelmeer verantwortlich sein. Im Zeitraum von Januar bis April registrierte Frontex auf dieser Route - von Libyen und Tunesien nach Italien und Malta - 42.165 solcher Fälle. Das waren fast dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Gerade die Ausreisen aus Tunesien seien in die Höhe geschnellt, sagte Leijtens. Hier gebe es eine Steigerung um das Zehnfache im Vergleich zu den ersten vier Monaten 2022.

Dabei ist Tunesien vom Herkunfts- zum Transitland geworden: Die meisten Migranten auf dieser Route kommen inzwischen aus Ländern südlich der Sahara. Leijtens rechnet damit, dass die Migrationsbewegung über Tunesien in den kommenden Monaten noch zunehmen wird. «Dies wird ein richtig heißer Sommer.»

Der 60 Jahre alte Niederländer führt Frontex seit vergangenem Dezember. Kein leichtes Erbe: Im April 2022 hatte der langjährige Frontex-Chef Fabrice Leggeri nach schweren Vorwürfen gegen ihn und Mitarbeiter seinen Posten zur Verfügung gestellt. Hintergrund waren insbesondere Ermittlungen zu illegalen Zurückweisungen von Migranten im Mittelmeer. Ihnen zufolge sollen Führungskräfte der in Warschau ansässigen Agentur Frontex absichtlich vertuscht haben, dass griechische Grenzschützer Flüchtlinge zurück aufs offene Mittelmeer brachten. Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Außengrenzen - sogenannte Pushbacks - sind nach internationalem Recht illegal.

Leijtens will anders durchgreifen, wie er sagte. «Jeder Fall, jede Anschuldigung, jede angebliche Beteiligung von Frontex muss untersucht werden, und wir tun dies Fall für Fall.» Sollte eine Beteiligung von Frontex-Beamten nachgewiesen werden, dann würde dies bedeuten, «dass entweder ein Disziplinarverfahren oder sogar ein Strafverfahren gegen sie eingeleitet wird».

Und was sollte die EU nach Meinung des Frontex-Chefs im Fall von Tunesien tun? Leijtens nennt als Beispiel die Status-Abkommen, die die EU-Kommission mit Westbalkan-Ländern wie Serbien, Albanien und Nordmazedonien abgeschlossen habe. Sie ermöglichen einen Frontex-Einsatz in Ländern, die nicht zur EU gehören. Mit den nordafrikanischen Staaten werde dies allerdings schwerer als im Westbalkan, so Leijtens. «Das wird kein Sprint, sondern ein Marathon.»

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Leserkommentare

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Norbert Kurt Leupi 14.05.23 11:20
Zu- oder Massen-/ Herren Th.Gittner & Gerhard
einwanderung ! Wer heute in " Arbeit und Brot " ist , soll das weiterhin tun ! Das Problem ist die dauernde Zuwanderung , denn im letzten Jahrzehnt sind netto über eine Million in unser eng gewordenes Land geströmt ! Und es geht weiter und weiter , wir werden mit Asylanten und Wirtschaftsflüchtlingen gegen 80000 -100000 überströmt ! Die CH platzt aus allen Nähten ! Und die meisten der Neuankömmlinge sind gar keine echten Flüchtlinge und sie leben von Sozialhilfe , also zu Lasten der Steuerzahler ! Doch jeder Sozialstaat funktioniert doch nur mit Grenzen ! Wir wollen Lebensqualität , SICHERHEIT und Wohlfahrt - aber ganz sicher keine Zehnmillionen-Schweiz !
Thomas Gittner 14.05.23 09:53
@ N.K.L
...aber ohne diese Leute könntet Ihr doch ein Problem, wer von euch Schweizern will den noch diese Jobs machen ?
Norbert Kurt Leupi 14.05.23 00:40
Quatsch / P. Müller
Die Kriminalstatistik , die ich erwähnt habe , bezieht sich auf Basel und wurde letzthin in der liberalen Basler Zeitung publiziert ! Basel ist die kriminellste Stadt der CH , hängt natürlich auch mit dem Dreiländereck zusammen ! Man muss heute froh sein , dass es eine Partei gibt ( auch wenn man bei denen vieles nicht meiner Meinung entspricht ) , die das Ausländerproblem ernst nimmt und nicht auf beiden Augen blind ist !
Paul Müller 14.05.23 00:10
@ Leuppi
Sie haben eine selektive Wahrnehmung. Ich lebe während 8 Monaten im Jahr in Zürich. Die Stadt hat mit Speckgürtel zusammengewachsene Vororte (rund 1.1 Mio Ew. Sie gilt im Vergleich europaweit als sehr sicher. In jeder Grossstadt gibt es Kriminelle und Drogen, aber Ihr Urteil ist durch fie Kriminalstatistik schweizweit widerlegt. Das Narrativ wird aber durch die Rechte SVP (die schweizerische AfD, aber mit einer Wählerstärke von 32%) hinreichend bedient, wahrer werdrn fie Behauptungen der SVP aber auch nicht. Die gemäss Statistik "kriminellsten" Bewohner der Schweiz sind übrigens due Österreicher (Sorry!).
Norbert Kurt Leupi 13.05.23 23:10
Ãœberfremdung CH
Gegen 2,5 Millionen Ausländer ( auch Eingebürgerte und mit Migrationshintergrund ) bevölkern und verändern unsere kleine Schweiz ! Und es werden immer mehr und mehr ! Unser Alltag erleben wir vor allem mit täglicher Kriminalität ( in Basel zu 64% von Ausländern ) , volle Züge, Trams , Busse , Strassen , öffentliche Plätze etc-etc. Der Leer-Wohnungsbestand ist praktisch auf null gesunken ! Die Schweiz ist aus den Fugen geraten , dazu kommt noch die Klimakatastrophe und die vielerorts grasierende Armut ! " Heil dir Helvetia - es isch nümme schön da " !
Ling Uaan 13.05.23 22:00
Khun Müller,
wenn die Statistiken nicht lügen haben in der Schweiz ca. 39% der ständigen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren einen Migrationshintergrund, in Deutschland ca. 25%. Wobei mehr als 1/3 davon aus Deutschland und Italien stammen. Da könnten wir dann auch die Rucksack-deutschen da zuzählen, die haben ja auch einen (Zwangs)Migrationshintergrund ... – aber lassen wir das.

Worauf Khun Egon anspricht ist offensichtlich das Werbevideo aus 2014 wo das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen realitätsfernen Film drehen, der das Asylverfahren in Deutschland bewirbt. Womit die Völkerwanderung 2015 letztendlich losgetreten wurde. Einfach mal nach „Der Werbefilm für das gelobte Asylland Germany“ googeln.
Paul Müller 13.05.23 20:50
@Egon
Das ist das klassische Pauschalurteil der AfD-Anhänger (und rechts davon). Und es stimmt noch nicht einmal: Die Mittelmeerroute wurde schon zu Zeiten benutzt, als Merkel noch Studentin war. Die Syrer, die Sie vermutlich meinen, kamen zu 95% auf dem Landweg über die Türkei und den Balkan. Nebenbei: die Schweiz hat den DOPPELTEN Ausländeranteil wie Deutschland. Nur zur Info für jene Simpel, die behaupten, Deutschland sei total überfremdet...
Ingo Kerp 13.05.23 12:50
Die Schlepper in Tunesien koennen das Risiko mit billigen Blechbooten eingehen und ebenso die Migranten. Ein bißchen ruhige See abwarten und nach kurzer Strecke sind die Schlepperschiffe der Gutmenschen da und nehmen sie auf. So wird das Risiko minimiert. Zum Dank erwartet die vielen "Fachkräfte" dann die soziale Hängematte in der EU.