Friedensnobelpreis für «WFP-Familie»

​Kampf gegen den Hunger

Welternährungsprogramm mit dem Friedensnobelpreis 2020 ausgezeichnet. Foto:epa/Stian Lysberg Solum / Pool
Welternährungsprogramm mit dem Friedensnobelpreis 2020 ausgezeichnet. Foto:epa/Stian Lysberg Solum / Pool

ROM: Die Helfer vom UN-Ernährungsprogramm riskieren Gesundheit und Leben, um den Hunger zu stoppen. Jetzt bekommen sie den Friedensnobelpreis. Das WFP ist ein Symbol für Multilateralismus - und hat einen US-Chef.

Mehr als 17.000 Frauen und Männer im täglichen Kampf gegen den weltweiten Hunger: So groß ist die Zahl der Mitarbeiter des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP). Manche arbeiten in Büros in Rom, Genf oder Berlin. Entwickeln Konzepte, wie man mit Lastwagen, Schiffen und Geld Millionen Notleidende mit Essen versorgt. Viele andere jedoch packen ihren Rucksack bei Erdbeben, Dürren, Überflutungen. Oder, wenn Menschen wieder einmal irgendwo auf der Welt vor Krieg fliehen müssen. Oft leben sie dann wochenlang in Zelten. Riskieren Gesundheit und Leben. Jetzt werden sie mit dem Friedensnobelpreis geehrt.

So lässt es sich als Signal für die Art des Vorgehens dieser UN-Organisation lesen, dass WFP-Chef David Beasley bei der Auszeichnung mit dem wohl wichtigsten politischen Preis der Erde gerade in Afrika unterwegs war. Im Feld, wie die große Masse seiner Leute auch. «Ich bin gerade in Niger. Gestern war ich in Burkina Faso. Dort ist die Situation ziemlich instabil», sagte Beasley dem norwegischen Rundfunksender NRK. «Jemen, die Demokratische Republik Kongo, Syrien. Es gibt so viele Orte. Dutzende Länder haben Probleme wegen Covid-19 und des wirtschaftlichen Rückgangs.»

Die «WFP-Familie» sei ohne Unterlass im Einsatz an den «kompliziertesten, komplexen Plätzen» der Welt, sagte Beasley dann noch in einem Video auf Twitter. Der 63-jährige Amerikaner war in den 90er Jahren Gouverneur des Bundestaats South Carolina. Beasley ist Republikaner - wie Donald Trump, dem US-Präsidenten, der den Vereinten Nationen häufig gar nichts abgewinnen kann. Beasley hatte 2017 die Führung der größten Hilfsorganisation der Welt zum Kampf gegen den Hunger übernommen.

Das WFP versorgt nach eigenen Angaben Jahr für Jahr rund 100 Millionen Menschen mit Essen. 2019 unterstützte das Anfang der 1960er Jahren gegründete Programm Bedürftige in 88 Staaten. 4,2 Millionen Tonnen Nahrungsmittel wurden zur Verfügung gestellt. Außerdem gab es 2,1 Milliarden US-Dollar (1,78 Milliarden Euro) als Bargeld und in Form von Gutscheinen an Notleidende. Damit will die UN-Organisation sicherstellen, dass lokale Produzenten nicht durch Essenslieferungen behindert, sondern ebenfalls gefördert werden.

Das WFP verfolgt neben der Nothilfe auch eine längerfristige Entwicklungsstrategie. In den vergangenen zehn Jahren habe die Stützung der lokalen Wirtschaft - etwa durch Bargeldtransfers - stark an Gewicht gewonnen. Das Programm sammelt die Mittel nur aus freiwilligen Zahlungen ein. 2019 konnten die Helfer die bisher höchste Gesamtsumme akquirieren: acht Milliarden US-Dollar. Rund 60 Länder - auch Deutschland als zweitgrößter Geber - finanzieren die Programme. Firmen und Privatleute können spenden.

Das Nobelkomitee erläuterte in Oslo, Hunger sei eine der ältesten Waffen der Welt. Die Corona-Pandemie sei ein zusätzlicher Grund für die Entscheidung gewesen. Außerdem scheine es derzeit einen Mangel an Respekt vor Multilateralismus zu geben, führte die Vorsitzende Berit Reiss-Andersen aus. Namen nannte sie keine. Das dürfte aber auch so als Fingerzeig in Richtung Trump verstanden werden.

Am Hauptsitz des Welternährungsprogramms, der etwas außerhalb der italienischen Hauptstadt Rom liegt, war der Jubel groß. Dort arbeiten zwar viele wegen Corona nicht im Büro, sondern im Homeoffice. Am Telefon berichtete eine Mitarbeiterin, dass man sich als internationales Team gemeinsam über die «globale Beachtung unserer Arbeit» freue.

In Berlin betonte WFP-Chefsprecherin Bettina Lüscher, man befürchte in diesem Jahr besonders wegen der Pandemie eine Verdoppelung der Zahl der Menschen, die akut Hunger leiden. «Wenn wir den Hunger bekämpfen, ist das auch ein Weg, Konflikte zu entschärfen. Es ist ein Weg zu mehr Frieden», sagte sie. Und die UN-Organisation insgesamt schrieb: «Der heutige Tag ist eine Erinnerung daran, dass gesicherte Ernährung, Frieden und Stabilität Hand in Hand gehen.»

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Juergen Bongard 10.10.20 10:52
Sehr gut, endlich werden mal die Menschen
geehrt, welche für die Bedürftigsten und damit meistens an den gefährlichsten Orten der Welt arbeiten und ihre Gesundheit und oft das Leben riskieren, ganz abgesehen von den täglichen Einschränkungen. Meine Tochter war 1 Jahr im Südsudan für die Ärzte ohne Grenzen tätig und von daher weiss ich es aus 1. Hand. Diese Menschen verdienen den allerhoechsten Respekt.