Tausende protestieren gegen Regierung

​«Freiheit, Freiheit» 

Der kubanische Präsident Miguel Diaz-Canel gibt eine Erklärung in San Antonio de los Banos ab, etwa 35 km von Havanna entfernt. Foto: epa/Yander Zamora
Der kubanische Präsident Miguel Diaz-Canel gibt eine Erklärung in San Antonio de los Banos ab, etwa 35 km von Havanna entfernt. Foto: epa/Yander Zamora

HAVANNA: Das hat es im autoritären Karibikstaat Kuba seit langem nicht mehr gegeben. Menschen gehen auf die Straße und demonstrieren gegen die schlechte Versorgungslage und für Freiheit. Die Regierung droht: Wer die Revolution bezwingen wolle, müsse über Leichen gehen.

Erstmals seit Jahrzehnten sind in Kuba wieder Demonstranten in großer Zahl gegen die sozialistische Regierung auf die Straßen gegangen. Sie wandten sich gegen Mangelwirtschaft und Unterdrückung. In der Hauptstadt Havanna und anderen Städten skandierten sie «Freiheit, Freiheit» und «Wir haben keine Angst», wie auf Videos zu sehen war, die in sozialen Medien veröffentlicht wurden. Twitter-Nutzer in Kuba berichteten von einem gewaltsamen Auflösen der Demonstrationen am Abend (Ortszeit).

Die autoritäre Regierung machte von den USA gesteuerte Provokateure für die Proteste verantwortlich. Die Vereinigten Staaten sicherten den Demonstranten ihre Unterstützung zu.

Der kubanische Präsident Miguel Díaz-Canel sprach am Montag im Staatsfernsehen von einem historischen Tag für die Verteidigung der kubanischen Revolution von 1959. Er machte die Wirtschaftsblockade der USA für die Mängel in dem Karibikstaat verantwortlich. In sozialen Medien sei versucht worden, durch Manipulation von Emotionen Unzufriedenheit zu schaffen und die Kubaner zu spalten. Kuba fordere, dass seine Souveränität respektiert werde, sagte Díaz-Canel, der im April auch die Führung der Kommunistischen Partei (PCC) - der einzigen in Kuba zugelassenen - von Raúl Castro übernommen hatte.

«Wenn sie die Revolution bezwingen wollen, müssen sie über unsere Leichen gehen», hatte er am Abend zuvor in einer Fernsehansprache gesagt. Das Volk sei zur Verteidigung der Revolution auf die Straße gegangen, twitterte am Montag die Parteizeitung «Granma».

Die Menschen in Kuba forderten Grundrechte ein, hieß es in einer vom Weißen Haus verbreiteten Mitteilung des US-Präsidenten Joe Biden. «Diese Rechte, einschließlich des Rechts auf friedlichen Protest und des Rechts, die eigene Zukunft frei zu bestimmen, müssen respektiert werden. Die Vereinigten Staaten rufen das kubanische Regime dazu auf, in diesem entscheidenden Moment auf sein Volk zu hören und seinen Bedürfnissen zu dienen, anstatt sich selbst zu bereichern.» Biden kritisierte die «jahrzehntelange Unterdrückung» durch die Regierung.

«Ich denke, es wäre ein schwerer Fehler für das kubanische Regime, das, was in Dutzenden Orten und Städten auf der ganzen Insel geschieht als das Ergebnis oder Produkt von etwas zu interpretieren, was die Vereinigten Staaten getan haben», sagte US-Außenminister Antony Blinken. Das würde nur zeigen, dass man nicht auf die Stimmen und den Willen des kubanischen Volkes höre. Die Unterdrückung dauere schon viel zu lange an, die Menschen seien es leid.

Russland warnte mit Blick auf die Nähe der USA vor einer Einmischung von außen und vor Versuchen, die Lage auf der Insel «durch destruktive Handlungen» zu destabilisieren. Es sei nicht hinnehmbar, sich in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates einzumischen, sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa. «Wir sind überzeugt, dass die kubanischen Behörden alle nötigen Schritte unternehmen, um die gesellschaftliche Ordnung im Interesse der Bürger des Landes im Rahmen der Verfassung wieder herzustellen.»

Auch in der nahe gelegenen US-Stadt Miami, wo viele Exil-Kubaner leben, gab es am Sonntag eine Demonstration. Beobachter sprachen von den größten Demonstrationen in Kuba seit Jahrzehnten - mindestens seit 1994. Damals war es zu einer schweren Wirtschaftskrise nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gekommen, wodurch Kubas Außenhandelsvolumen einbrach. Mit Hilfe der verbündeten Regierung in Venezuela und durch Tourismus-Einnahmen kam Kuba aus dieser «Sonderperiode» heraus.

Nun steckt Venezuela selbst in der Krise, und während der Corona-Pandemie ist der Tourismus eingebrochen. Zudem verschärften die USA unter Ex-Präsident Donald Trump ihre Sanktionen gegen Kuba. Die meisten Kubaner leiden im Alltag unter den Folgen der kubanischen Planwirtschaft und dem Wirtschaftsembargo der USA.

In Kuba fehlt es derzeit Berichten zufolge an Medikamenten und Lebensmitteln. Stromausfälle häufen sich und werden länger. Zudem stiegen die Zahlen der Coronavirus-Infektionen zuletzt deutlich. In Kuba wird mit selbst entwickelten Vakzinen geimpft. Auf Twitter gab es am Wochenende viele Beiträge mit der Kennung #SOSCuba.

Massive Proteste gegen die sozialistische Regierung sind selten. Zuletzt hatten oppositionelle Künstler der sogenannte San-Isidro-Bewegung aber immer wieder Menschen auf die Straßen gebracht und auch international für Aufmerksamkeit gesorgt. So solidarisierten sich bekannte Musiker mit dem Lied «Patria y Vida» (Vaterland und Leben) mit der Bewegung. Demonstranten riefen am Sonntag Berichten zufolge auch «Patria y Vida».

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Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Ingo Kerp 13.07.21 13:10
Es ist einfach erbärmlich, wenn die kub. Regierung die USA und deren "gesteuerte Provokateure" für ihre Unfähigkeit und kommunistisches Betonkopfdenken verantwortlich macht. Bleibt zu hoffen, das die Proteste nicht nur ein Strohfeuer sind. Es sind inzwischen viele junge Leute die auf die Straße gehen und zu recht protestieren. Mit viel Glück und Zähigkeit, dürften sie den Sargnagel der kommun. Diktatur in Kuba sein.