Zürich-Krimi mit französischem Akzent

​Frauen-Duo mischt «Tatort» auf

Die Schweizer Schauspielerin Carol Schuler und Anna Pieri Zürcher posieren auf dem Grünen Teppich für die Eröffnungsnacht des 16. Zurich Film Festival (ZFF) in Zürich. Foto: epa/Ennio Leanza
Die Schweizer Schauspielerin Carol Schuler und Anna Pieri Zürcher posieren auf dem Grünen Teppich für die Eröffnungsnacht des 16. Zurich Film Festival (ZFF) in Zürich. Foto: epa/Ennio Leanza

ZÜRICH: Sie hassen sich, die neuen Schweizer «Tatort»-Kommissarinnen. «Sie oder ich!» brüllt eine dem Chef schon zu. Dann raufen sie sich zusammen, vorerst. Eine Leiche und ein Totenschädel halten sie auf Trab.

Ganz schön unverfroren, wie die Neue da gleich an ihrem ersten Arbeitstag bei der Leiche aufkreuzt. Und gleich mit ihrem Fachwissen glänzt, über fernöstliche Tattoos. Die Augen der Kommissarin, die schon am Tatort ist, sagen alles: Wenn Blicke töten könnten. Da gehen in Zürich zwei Kommissarinnen auf Verbrecherjagd, die das Heu partout nicht auf der gleichen Bühne haben, wie es in der Schweiz so schön heißt. Es ist das «Tatort»-Debüt der bislang wenig bekannten Schauspielerinnen Anna Pieri Zuercher (41) und Carol Schuler (33). Nicht nur das Duo ist neu: Der Schweizer «Tatort» kommt nun auch aus dem Großstadtrevier Zürich statt wie bisher aus Luzern.

Zunächst die Kommissarinnen, die am Sonntag (18.10.) ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen sein werden: Isabelle Grandjean (Zuercher) stammt aus kleinen Verhältnissen in der französischsprachigen Provinz. Sie hat sich alles hart erkämpft: die Polizeiausbildung, das Fernstudium in Jura, den Einsatz am Strafgerichtshof in Den Haag. Und nun den Posten in Zürich. Dort wird sie schon als Nachfolgerin des Chefs gehandelt.

Tessa Ott (Schuler) ist dagegen Spross einer einflussreichen Familie und tritt mit einem Selbstbewusstsein auf, das in solchen Familien schon an der Wiege vermittelt wird. Sie kennt in ihrer Heimatstadt jeden Winkel und alle Leute, kommt frisch von Uni und Ausbildung und will beweisen, dass sie den Job nicht über Vitamin B bekommen hat.

Grandjean und Ott haben es im Fall «Züri brännt» mit einer verkohlten Leiche und einem Chef zu tun, der kurz vor der Pensionierung steht. Er lässt sich gerade bei der Ehrung feiern, als ein Bote ihm vor versammelter Mannschaft ein Päckchen überreicht. Hinaus fällt ein Totenschädel. Es handelt sich um eine seit 40 Jahren vermisste junge Frau, die als verdeckte Ermittlerin seinerzeit in der radikalen Jugendszene unterwegs war. Bald finden die Ermittlerinnen einen Zusammenhang zwischen der verkohlten Leiche und dem Schädel.

Ein Motiv, die Undercover-Polizistin zu beseitigen, haben viele: ihr heute drogenabhängiger einstiger Freund - eng verbandelt mit Tessa Ott, der psychisch angeknackste Bruder der Frau, der Chefredakteur einer Zeitung, der seinerzeit als Radikaler in der Szene mitmischte. Als sich herausstellt, dass der verkohlte Tote damals Polizist in Zürich gewesen war, wächst der Verdächtigenkreis noch weiter.

Grandjean, die für das Haager Strafgericht mit Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien zu tun hatte, und Ott mit ihrem Psychologiestudium tragen entscheidende Expertise zur Lösung des Falls bei. Eine perfekte Ergänzung also? «Tessa ist der Bauch, Isabelle ist der Kopf», sagt Tessa-Darstellerin Schuler. «Das birgt Konfliktpotenzial, macht die beiden aber auch zu einem perfekten Team.»

Aber die beiden machen es «Tatort»-Fans nicht einfach, sie auf Anhieb ins Herz zu schließen. Keine witzigen Dialoge, keine liebenswerten Marotten. Dafür gibt es verbale Kracher, die die gegenseitige Abneigung deutlich machen sollen: «Tu ferme ta geule - Halt die Schnauze», sagt die eine, «Du zynisches Arschloch», die andere.

Die Autoren Stefan Brunner und Lorenz Langenegger haben der in Berlin lebenden Schweizer Regisseurin Viviane Andereggen kein Material für rasante Schnitte oder spannende Szenen ins Drehbuch geschrieben. Grandjean wirkt über weite Strecken verklemmt, Ott nassforsch. Womöglich tun sich in den nächsten Folgen noch Abgründe auf, die noch nicht zu ahnen sind. Der zweite «Tatort» aus Zürich ist schon im Kasten. Er wurde gleich im Anschluss an den ersten und noch vor der Ausbreitung der Corona-Pandemie gedreht. Deshalb gibt es auch keinen Corona-Abstand im Film.

Die deutschen Zuschauerinnen und Zuschauer bekommen eine gehörige Dosis Schweiz geliefert: Man lernt zum Beispiel, dass in Zürich Parteienfilz und Postengeschacher gang und gäbe sind, dass der Zürichberg die Nobeladresse ist und ein Kaffee mehr als fünf Euro kosten kann. Grandjean spricht mit französischem Akzent und erinnert daran, dass nicht alle Schweizer Schweizerdeutsch sprechen.

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