Fotoshooting

Selbstdarstellung und Präsentation in den Medien sind ein weltweites Phänomen, aber für die Thai-Ladies scheint es ein gutes Stück Lebensinhalt zu sein. An Wochenenden wird der Strand zur Kulisse von Gelegenheitsmodels, die sich routiniert in Pose werfen: Mal mit festem Blick in die Kamera, das ist die „Melaniapose“, die sie wohl zuhause vor dem Spiegel geübt haben, mal verführerisch lächelnd mit gespielt scheuem Blick, das ist die „Bambipose“. Die ist angeboren, sie können nicht anders, es ist stärker als sie.

Hinter der Kamera ist meist ihr Begleiter, der ihren Regieanweisungen folgt, nicht umgekehrt. Die Ladies kennen ihre Schokoladenseite und wollen sie zur Geltung bringen. Hin und wieder setzen sie einen Hut auf, stecken eine Blume ins Haar und wechseln das Spielbein mit einer koketten Drehung.

Jede eine Diva

Hier ist jede ein Star, Sonne Meer und Strand dürfen dazu den Rahmen geben, dafür sind sie ja da.

Hin und wieder wagt sich eine ins Meer, gerade bis zu den Knöcheln dürfen die Wellen ihre wohlgeformten Rundungen umspielen. So viel Natur muss sein. Dann wirft sie den Kopf in den Nacken, umfasst ihr schönes langes Haar mit den Händen und lässt es spielerisch durch die Finger gleiten. Die Oberweite weitet sich dem Auge des geneigten Betrachters entgegen. Der Vamp ist geboren, wenigstens in ihren Augen.

Auch die Sonne darf dabei sein, wenn auch nur als Statistin. Das Model streckt ihr ihr schönes Gesicht entgegen und lässt das Licht darauf spielen, oder wenigstens auf dem Make-up, das nicht zu knapp aufgetragen ist.

Passanten, die dem Shooting interessiert zusehen, werden tapfer ignoriert. Das würde Melania auch tun. Und weil ich auch zu den Gaffern gehöre, werde ich auch ignoriert, aber damit kann ich leben, bloß hat das Schauspiel unerwartete Folgen: Es wirkt ansteckend. Ich spüre den Drang zu mehr Selbstoptimierung. Strandwandern, Kolumnen schreiben und Gaffen reichen nicht mehr. Ich will mich auch nicht mehr für die anderen Gaffer schämen, weil sie so unverschämt gaffen. Ich bin da viel diskreter. Gäbe es am Strand Schlüssellöcher, wäre ich vielleicht auch wie sie.

Mein erstes Selfie war mein letztes

So habe ich denn mein erstes Selfie gemacht. Man sieht darauf eine hohe, sehr schön geformte Philosophenstirn, umflort von weißem Haar. Der Rest des Bildes ist von einer Hand bedeckt, wohl meine. Damit war meine Karriere als Model wegen Blödheit auch schon wieder beendet. Oder soll ich warten, bis ich entdeckt und zwangsfotografiert werde, wie jener Briefträger in einer Schweizer Stadt, der mir folgende Geschichte erzählte:

Bloß ein Bernhardiner

„Ich musste einmal in einem Nobelquartier stellvertretend einspringen. Bevor ich die Tour begann, zeigte mir ein Kollege die Details des Rundgangs und machte mich vor dem Gartentor einer Villa darauf aufmerksam, dass hier ein Bernhardiner im weitläufigen Park sei. Ein harmloses Tier, das aber immer bellend am Eingang aufkreuze und ihm beim ersten Mal gehörig Eindruck gemacht habe. Nun, als ich ein paar Tage später klingelte, um einen eingeschriebenen Brief abzugeben, tat sich nichts. Kein Hund, kein Mensch und so beschloss ich, das Gittertor zu öffnen und lief über den Park auf das Haus zu. Plötzlich kam der Bernhardiner laut bellend um die Ecke und sprang mich mit einem gewaltigen Satz an. Ich verlor das Gleichgewicht, und fiel zu Boden. Der Hund setzte seine Vorderfüße auf meine Brust und begann mein Gesicht abzulecken. Ich wagte mich nicht zu rühren und rief verzweifelt um Hilfe. Nach einiger Zeit tauchte eine vollschlanke Dame in den Fünfzigern auf, blieb kurz stehen und lachte aus vollem Hals. Statt den Hund zurückzurufen, sagte sie:

„Bleiben Sie so liegen, ich hole nur schnell den Fotoapparat, das glaubt mir sonst keiner.“ Kurze Zeit später kam sie zurück, knipste mich in aller Ruhe ein paarmal ab und rief den Hund dann endlich zurück.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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