MÜNSTER (dpa) - Jahr für Jahr sterben Fußgänger im Straßenverkehr - auch durch Lastwagen. Forscher habe neue Erkenntnisse zu Unfällverläufen gewonnen - und einen ungewöhnlichen Crashtest durchgeführt.
Auch wenn ein Lastwagen mit nur geringer Geschwindigkeit anfährt und dabei einen Fußgänger frontal erfasst, hat dieser laut einem Test kaum Überlebenschancen. Das haben Unfallforscher am Donnerstag nach einem Crashtest mit einer Puppe betont. In der Simulation sei der Lkw ganz langsam angefahren, habe eine in wenigen Metern befindliche Puppe frontal erfasst und mit der Vorderachse überrollt. «Ein Mensch hätte wohl keine Überlebenschance gehabt. Wir haben den Lkw ja noch gestoppt, sonst wäre auch die Hinterachse über die Puppe gefahren», sagte Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV), am Donnerstag in Münster.
Beim Zusammenstoß habe die Anfahrtsgeschwendigkeit rund sieben Kilometer pro Stunde betragen. Das größte Problem seien für den Fußgänger überraschend anfahrende Lkw im Stop-and-Go-Verkehr oder auch Müllfahrzeuge, schilderte Brockmann.
Aus der zeitgleich vorgestellten UDV-Studie geht zudem hervor, dass Fußgänger bei Unfällen mit Lastwagen vor allem frontal oder seitlich von einem geradeaus fahrenden Lastwagen erfasst werden. Im Gegensatz zu Radfahrern, die vor allem mit rechts abbiegenden Lastwagen kollidierten. Zum besseren Schutz von Fußgängern im Straßenverkehr brauche es einen automatischen Anfahrstopp-Assistenten für schwere Lastwagen, forderte die UDV.
Laut amtlicher Statistik kamen 2018 im Straßenverkehr 458 Fußgänger ums Leben. 54 von ihnen starben bei einem Unfall mit einem Lastwagen über 3,5 Tonnen, 148 Personen wurden schwer verletzt.
Die Notbremstechnik für Lkw müsse so optimiert werden, dass sie Fußgänger nicht nur sicher erkenne, sondern auch das Anfahren automatisch blockiere, wenn sich ein Fußgänger oder Radfahrer im kritischen Bereich befinde, verlangte Brockmann. Das Sichtfeld der Lkw-Fahrer sei zudem häufig durch Gardinen, Deko oder Namensschilder eingeschränkt, kritisierte der UDV. Fahrer und Fußgänger sollten stärker sensibilisiert werden.
Vor allem aber müssten die Hersteller zügig eine verbesserte Technik entwickeln, meinte die UDV. Die bisherigen Abbiege-Assistenten oder auch Bremssysteme, die Fußgänger auf der Fahrbahn erkennen könnten, reichten nicht aus.
Von Mercedes-Benz Lkw hieß es aus Stuttgart, man werde Anfang 2020 europaweit einen Notbremsassistenen mit Fußgänger-Erkennung serienmäßig verbauen. Und zwar in jedem neuen Actros- und Arocs-Modell - sofern ein solches System gesetzlich vorgeschrieben sei, was fast ausnahmlos der Fall sei. Dieser Assistent bremse auch bei geringer Fahrtgeschwindigkeit auf einer Geradeausfahrt automatisch ab, wenn Fußgänger auftauchten, ergänzte eine Sprecherin. Unfallforscher Brockmann sagte, nötig sei aber eine Technik, die dafür sorge, dass der Lkw erst gar nicht los fahre. «Das ist eine andere Systematik, die es noch bei keinem Hersteller gibt.»