Forschen und liefern am Limit

Gesundheitsfirmen im Corona-Kampf

Foto: epa/Rungroj Yongrit
Foto: epa/Rungroj Yongrit

FRANKFURT/HANNOVER: Wer könnte einen Impfstoff gegen das Coronavirus entwickeln? Wer liefert Beatmungsgeräte und Desinfektionsmittel in großem Stil? Die Corona-Krise setzt auch Pharma- und Gesundheitsfirmen unter Druck. Doch einige Produkte sind gefragter denn je.

Die Corona-Pandemie bringt der Wirtschaft immense Schäden, allen voran Luftverkehr, Tourismus, Gastronomie und Autobauern. Einige Firmen aus der Pharma-, Chemie- und Medizinbranche bieten aber wichtige Produkte im Kampf gegen das Virus an. Die Nachfrage ist groß - und die Forschung läuft auf Hochtouren.

Drägerwerk: Der Hersteller von Medizin- und Sicherheitstechnik sorgte jüngst mit einem Großauftrag der Bundesregierung über 10 000 neue Beatmungsgeräte für Aufsehen. Dazu will das Unternehmen seine Produktion in Lübeck erheblich ausweiten. Zudem liefert Drägerwerk persönliche Schutzausrüstung für das Personal in Krankenhäusern.

Beides soll helfen, die Versorgung im Gesundheitswesen während der Virusausbreitung zu sichern. Die bisherigen Beatmungskapazitäten auf Intensivstationen deutscher Kliniken könnten insgesamt zu gering sein, falls es zu einer rasanten Erhöhung schwerer Verläufe der Lungenkrankheit Covid-19 kommt. An der Börse schoss die Drägerwerk-Aktie binnen eines Monats um mehr als ein Drittel hoch.

Treox/Kenkel: Der Mangel an Desinfektions- und Hygieneartikeln machte eine kleine Firma aus dem niedersächsischen Landesbergen bekannt: Treox bekam für das gleichnamige Mittel auch Aufträge aus China. «Wir haben jetzt eine langfristige Partnerschaft mit einem chinesischen Unternehmen», sagt Co-Geschäftsführer Marc Heineking. In Deutschland sei die Nachfrage «förmlich explodiert»: Ursprünglich war das Mittel für Industriezwecke gedacht - nun suche man weitere Vertriebspartner.

Es geht um eine einfache, auf Salzlösung basierende Substanz. «Das Salz wird elektrochemisch aktiviert und dringt in schädliche Zellen oder Viren ein, die es dann abtötet», erklärt Heineking. Ende Februar hatte die Europäische Chemikalienagentur laut dem Unternehmen ihre Zulassung gegeben. Krankenhäuser und Rettungsdienste nutzten Treox, eine explizit medizinische Zulassung stehe aber noch aus. «Wir haben jetzt auch erst mal einen großen Bedarf an Flächendesinfektion.»

Bedarf gibt es auch für mobile Ganzkörper-Desinfektionscontainer. In den Behältern der Firma Kenkel aus Holdorf etwa können sich Helfer oder Patienten vor dem Arztbesuch durch einen «3D-Mantel» aus vernebelten, für den Menschen unschädlichen Stoffen schützen lassen.

Sartorius: Der Göttinger Konzern stellt vor allem Ausstattungen für Forschungslabore und die Pharmaproduktion her. Derzeit gebe es eine «sehr intensive» Zusammenarbeit mit deutschen und internationalen Unternehmen, die einen Impfstoff gegen das neue Coronavirus in der Entwicklung oder auch bereits in den klinischen Testphasen haben. «Wir liefern unter anderem Zellkulturmedien, Bioreaktoren, Spezialfilter und analytische Instrumente», hieß es dazu.

Die Technik werde von Impfstoffentwicklern in aller Welt genutzt. «Wir fokussieren uns deshalb in der aktuellen Lage darauf, unsere Produktion und Lieferketten in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.» Mitte Februar hatte Sartorius-Chef Joachim Kreuzburg die Ziele für die kommenden Jahre genannt. Die größten Wachstumschancen seien in China, Sartorius hat auch schon einen Produktionsstandort in Peking.

CureVac: Das Tübinger Pharmaunternehmen kann möglicherweise schon im Herbst einen Impfstoff bereitstellen. «Bei positivem Verlauf könnten wir ungefähr im Frühsommer mit klinischen Tests beginnen», so Miteigner und SAP-Gründer Dietmar Hopp. Weil der Druck enorm hoch sei, sollte es mit der Behördengenehmigung rascher gehen als üblich. «Wir wären also in der Lage, den Impfstoff im Herbst zu liefern.»

Jüngst hatte es Berichte gegeben, wonach die USA exklusiv die Rechte an einem Impfstoff gegen das neue Coronavirus von CureVac kaufen wollten - was die Firma jedoch ablehnte. Bereits seit Januar forscht das Unternehmen an einem Impfstoff gegen den Erreger. Die EU will bei der Entwicklung mit bis zu 80 Millionen Euro helfen.

Versandapotheken: Die Shop-Apotheke sprach zuletzt von temporärem «Auftragsschub» wegen der Viruskrise. Aus Sorge kaufen Verbraucher verstärkt Erkältungsmedikamente wie Husten-, Schmerz- und Fiebermittel. Wer keine Apotheke um die Ecke hat oder das Haus nicht verlassen will, ordert gern im Internet. Auch die Versandapotheke Apotal berichtet von Andrang: Das Bestellvolumen sei bis zu drei Mal höher als üblich. Man bitte die Kunden um Geduld bei Bestellungen.

Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) erklärte, das Bestellaufkommen bei Online-Apotheken habe seit dem Ausbruch der Viruskrise um 60 Prozent zugenommen: «Alle arbeiten am Limit.»

BioNTech: Die Mainzer Biotech-Firma will mit einem chinesischen Partner einen Impfstoff gegen den Covid-19-Erreger entwickeln. BioNTech und Fosun Pharma in Schanghai vereinbarten dazu gemeinsame klinische Studien. Der Kandidat für einen geplanten Impfstoff soll Körperzellen anregen, Wirkstoffe zur Abwehr des Virus zu erzeugen.

Bei einer Zulassung soll Fosun Pharma den Impfstoff in China vermarkten, außerhalb der Volksrepublik hätte BioNTech dagegen die Vermarktungsrechte. An der Börse legten BioNTech-Aktien daraufhin stark zu. Die Firma gilt wegen ihrer breiten Entwicklungsplattform als gut aufgestellt im Rennen um einen Coronavirus-Impfstoff.

Siemens Healthineers: Der Chef des Medizintechnik-Konzerns, Bernd Montag, berichtet: «Teilweise sehen wir ein deutlich gesteigertes Interesse an unseren bildgebenden Geräten.» Computertomografen kämen zum Einsatz, um Patienten mit akutem oder drohendem Lungenversagen zu überwachen und nötige Therapien sicherzustellen. Zudem arbeite Siemens Healthineers an der Entwicklung eines Coronavirus-Tests, der nicht an eine bestimmte Analyseplattform gebunden sei.

Das Unternehmen will auch mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) Systeme entwickeln, um Veränderungen des Lungengewebes im Computertomographen schneller erkennen zu können. Außerdem soll medizinisches Personal künftig Diagnosen mit digitalen Diensten ortsunabhängig - und damit ohne Ansteckungsrisiko - stellen können.

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