Formel 1 umfährt 2020 wohl Deutschland

«Wenige Chancen»

Foto: epa/Valdrin Xhemaj
Foto: epa/Valdrin Xhemaj

HOCKENHEIM (dpa) - Viele Chancen auf einen Heimsieg in Hockenheim dürfte Sebastian Vettel nicht mehr bekommen. Zum 37. Mal gastiert die Formel 1 an diesem Wochenende auf dem Traditionskurs. Für 2020 sind die Aussichten schlecht. Woran liegt das?

Der Formel 1 in Deutschland droht 2020 ein Totalschaden. Die Betreiber des Hockenheimrings haben keine große Hoffnung auf einen Grand Prix auf heimischem Boden im kommenden Jahr. Mit dem US-Besitzer der Königsklasse des Motorsports, Liberty Media, rede man zwar «permanent über die Zukunft, aber noch nicht von einem Vertrag», sagte Hockenheimring-Geschäftsführer Georg Seiler der Deutschen Presse-Agentur vor dem Heimspiel an diesem Wochenende. «Für 2020 sieht es aber so aus, dass es hier keinen deutschen Grand Prix gibt. Es sollen 21 Rennen bleiben, Hanoi und Zandvoort kommen hinzu, also müssen Veranstaltungen rausfallen. So wie es aussieht, gehören Barcelona und Mexiko zu den Kandidaten, wir auch.»

Der Hockenheimring kann sich aufgrund gesunkenen Zuschauerinteresses die Antrittsgebühr nicht mehr leisten und hat zuletzt nur noch alle zwei Jahre den Grand Prix von Deutschland ausgerichtet. Für diese Saison erzielten die Betreiber erst spät eine Einigung mit den Formel-1-Machern, nachdem die geforderte Abgabe von angeblich mehr als 21 Millionen Euro deutlich gesenkt worden war. Mitentscheidend war zudem die Bereitschaft von Autobauer Mercedes, als Titelsponsor des Grand Prix aufzutreten.

«Dass Mercedes den Geldbeutel aufmacht, ist natürlich schön», sagte damals Ferrari-Star Sebastian Vettel und hofft weiter auf einen Heimsieg. Im vergangenen Jahr war der Heppenheimer kurz davor - krachte dann nach einem Fahrfehler in Führung liegend 15 Runden vor Schluss in die Streckenbegrenzung. Den einzigen Formel-1-Sieg in Deutschland feierte Vettel 2013 auf dem Nürburgring beim letzten Rennen dort.

Hockenheim ist nun auch ein Streichkandidat. Der Rennkalender 2020 soll wie in diesem Jahr 21 Grand Prix umfassen. Hanoi in Vietnam und Zandvoort in den Niederlanden kommen neu hinzu - dafür sollen Standorte weichen. Ungewiss ist die Zukunft von Barcelona, Mexiko und eben Hockenheim. Auch der Vertrag von Monza läuft aus, es gibt jedoch eine grundsätzliche Vereinbarung für weitere Rennen bis 2024.

«Wenn es um eine langfristige Zukunft geht, muss unser Sport seine historischen Veranstaltungsorte erhalten», sagte Formel-1-Geschäftsführer Chase Carey noch vor zwei Wochen, als der Vertrag von Silverstone bis mindestens Ende 2024 verlängert wurde. Für Deutschland ist das nicht mehr als eine lose Absichtsbekundung.

Eine kleine Chance auf ein Formel-1-Rennen 2020 in Hockenheim sieht Seiler dennoch, der Ende August in Rente geht. «Es ist ja noch nichts zu 100 Prozent abgesegnet. Es kann noch kommen. Im letzten Jahr waren wir auch nicht so weit für dieses Jahr und haben erst im September oder Oktober den Vertrag für 2019 gemacht», meinte der 66-Jährige. «Eine Hintertür gibt es, aber ich sehe im Moment wenige Chancen.»

Auf dem Höhepunkt des von Michael Schumacher ausgelösten Formel-1-Booms in Deutschland gab es zwischen 1995 und 2006 jährlich sogar zwei Rennen, eines in Hockenheim und eines am Nürburgring. «In der Euphorie mit Michael Schumacher haben wir damals einen Zehnjahresvertrag abgeschlossen. Der hat auch die ersten Jahre funktioniert, wir hatten Gewinne», erzählte Seiler. «Dann kamen die Jahre, wo wir hier nicht mehr ausverkauft waren und Verluste einfahren mussten. Diese waren nicht leicht zu schultern.» Auf rund 28 Millionen Euro beziffert Seiler noch die Schuldenlast.

Unter der Führung des berühmt-berüchtigten ehemaligen Chefvermarkters Bernie Ecclestone erschloss die Formel 1 neue WM-Märkte und strich von Gastgebern wie Baku oder Abu Dhabi dem Vernehmen nach zwischen 40 und 50 Millionen US-Dollar pro Jahr an Antrittsprämie ein. Diese Preisschraube erdrückt manche traditionelle Strecke im Kernmarkt Europa förmlich.

Seiler hat daher ein Alternativmodell ins Gespräch gebracht. «Ich könnte mir ein Rotationsverfahren vorstellen. Sollte die Anzahl der Rennen einer Saison nicht erhöht werden, könnten europäische Traditionsstrecken beispielsweise mit einer angepassten Gebühr alle zwei oder drei Jahre im Wechsel einen Grand Prix austragen», sagte er. Aber das ist vorerst nur eine Idee.

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