Flugverbot und Last-Minute-Trend fordern Tui heraus

Foto: epa/Focke Strangmann
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HANNOVER (dpa) - Für den US-Flugzeugbauer ist das Debakel mit dem Verkaufsschlager 737 Max ein Riesenproblem - für Kunden wie Tui allerdings auch. Denn noch weiß niemand, wann die Flugzeuge nach zwei Abstürzen mit hunderten Todesopfern wieder abheben dürfen.

Das Flugverbot für Boeings Mittelstreckenjet 737 Max hat dem weltgrößten Reisekonzern Tui schon vor dem Sommer einen herben Gewinnrückgang eingebrockt. Auch die Unsicherheit rund um den Brexit und der Trend zu Last-Minute-Schnäppchen machen dem Touristikriesen aus Hannover zu schaffen. Vorstandschef Fritz Joussen sieht sich daher in seiner Strategie bestätigt, mehr auf eigene Hotels, Kreuzfahrten und Digitalisierung zu setzen. Während Rivale Thomas Cook (Neckermann Reisen) ums Überleben kämpft, kann Tui Preiskampf und Boeing-Krise jedoch verkraften.

Teuer kommt Tui vor allem das Startverbot für die neuen Boeing-Jets zu stehen. Im dritten Geschäftsquartal bis Ende Juni kostete das Desaster den Reisekonzern bereits 144 Millionen Euro. Im gesamten Geschäftsjahr bis Ende September sollten es rund 300 Millionen Euro werden. Bei der Vorlage der Zwischenbilanz am Dienstag hielt Joussen an seiner Prognose fest, dass der um Sonderposten bereinigte operative Gewinn (Ebita) im laufenden Geschäftsjahr um bis zu 26 Prozent zurückgehen dürfte. Im vergangenen Geschäftsjahr 2017/18 hatte Tui noch ein operatives Ergebnis von fast 1,2 Milliarden Euro erzielt.

Im dritten Geschäftsquartal brach der operative Gewinn sogar um fast die Hälfte auf 101 Millionen Euro ein. Unter dem Strich blieb für die Aktionäre gerade noch ein Überschuss von rund 22 Millionen Euro und damit 85 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Der Umsatz legte zwar um knapp vier Prozent auf 4,75 Milliarden Euro zu. Doch das lag vor allem daran, dass Tui das Geschäft mit Ausflügen am Urlaubsort durch zwei Übernahmen zuletzt kräftig ausgebaut hatte.

Beim Buchen von Pauschalreisen für den laufenden Sommer halten sich die Kunden hingegen weiterhin zurück. «Die Menschen reisen zwar, aber sie buchen später», sagte Joussen. Für die Kunden bedeutet das günstigere Preise, beim Veranstalter zehrt das am Gewinn.

So schlug Tui bis Anfang August ein Prozent weniger Sommerurlaube los als ein Jahr zuvor. Zwar gaben die Kunden dabei im Schnitt rund ein Prozent mehr Geld aus. Doch den allgemeinen Anstieg der Treibstoffpreise, der bei den Tui-Airlines wie bei anderen Fluggesellschaften auf die Ergebnisse drückt, mache dies nicht wett, sagte Joussen.

Ohnehin muss Tui wegen des Startverbots für die auf Spritsparen getrimmten Boeing-Jets vom Typ 737 Max deutlich mehr Geld für Kerosin ausgeben als ursprünglich geplant. Tui hat 15 Maschinen der Reihe in der Flotte und sollte für diesen Sommer eigentlich acht weitere erhalten - auch für den deutschen Ableger Tuifly. Doch seit dem Absturz zweier Maschinen des Typs bei den Fluggesellschaften Lion Air und Ethiopian Airlines mit insgesamt 346 Toten darf die «Max» weltweit nicht mehr abheben. Wann Boeing die technischen Probleme gelöst hat und das Flugverbot aufgehoben wird, ist bislang offen.

Die Airlines des Tui-Konzerns müssen vorerst mit älteren und damit spritdurstigeren Maschinen fliegen, etwa der Vorgängerversion Boeing 737 NG. Zudem musste Tui viele Ersatz-Jets samt Besatzung von anderen Airlines im sogenannten Wetlease mieten. Das sei im Sommer «sehr, sehr teuer», sagte Joussen. Ihm zufolge spricht Tui weiterhin mit Boeing über einen Ausgleich des finanziellen Schadens. Boeing hat wegen der Max-Krise bereits mehrere Milliarden Dollar Verlust verbucht.

Unterdessen wollte Joussen die Schieflage des Tui-Konkurrenten Thomas Cook nicht direkt kommentieren. Der Konzern, zu dem neben Neckermann Reisen auch der deutsche Ferienflieger Condor gehört, sei «ein wichtiger Wettbewerber» für Tui. Die Lage des Rivalen habe daher «sicher auch Auswirkungen auf unser Geschäft».

Europas zweitgrößter Reisekonzern Thomas Cook ächzt unter einer milliardenschweren Schuldenlast. Nach hohen Abschreibungen, den Wirren um den Austritt Großbritanniens aus der EU und dem Preiskampf im Fluggeschäft hofft Thomas-Cook-Chef Peter Fankhauser auf eine Rettung des Unternehmens durch den chinesischen Fosun-Konzern, die Banken und andere Gläubiger. Der derzeit geplante Deal soll faktisch durch eine Übernahme von Thomas Cook durch die Chinesen und die Gläubiger führen.

Joussen erwartet, dass die Preisschlacht im Fluggeschäft irgendwann ein Ende hat - und weitere Fluggesellschaften vom Markt verschwinden. «Das geht nicht ewig so weiter. Wir werden eine Konsolidierung im Markt sehen, aber es braucht seine Zeit.» So sei der jüngst pleitegegangene Ferienflieger Germania der erste Fall in Deutschland gewesen, in dem die entstandenen Lücken im Flugangebot nicht sofort von neuen Anbietern gestopft worden seien.

Nach der Insolvenz von Air Berlin 2017 hätten hingegen der Billigflieger Easyjet und die Ryanair-Tochter Laudamotion die freigewordenen Start- und Landezeiten in Berlin und Düsseldorf sehr schnell mit eigenen Maschinen gefüllt. Um Marktanteile zu gewinnen, nähmen Airlines nun Verluste in Kauf, was auch an Tui nicht spurlos vorbeigehe. Dennoch sieht er seinen Konzern dafür gut aufgestellt, auch wenn zwischenzeitlich die Gewinne leiden: «Wir werden nicht die Verlierer sein.»

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