Der BER trägt Perlenkette - Die Kunst und der neue Flughafen

Foto: epa/Hayoung Jeon
Foto: epa/Hayoung Jeon

BERLIN: Die Kunstwerke am neuen Hauptstadtflughafen Berlin haben schon einige Jahre auf dem Buckel. Doch mangels Passagieren sind sie bisher weitgehend unentdeckt. Ein Blick lohnt sich.

Das Schmuckstück ist schon aus der Luft zu sehen. Der neue Hauptstadtflughafen BER trägt Perlenkette. Das Geschmeide aus riesigen weißen Lampions schlingt sich mehrfach um Gate A 17. Die Fluggastbrücke ist für Großraumflugzeuge wie den A380 konzipiert - und wird von dem Kunstwerk auf ganz besondere Weise markiert.

«Gadget» stammt von dem in Berlin lebenden Künstler Olaf Nicolai. Es gehört zur Kunst am Flughafenbau. Realisiert schon zur geplanten Eröffnung 2012, musste auch dieses Werk zusammen mit anderen wegen jahrelanger Verzögerungen warten, bis es mit der Eröffnung an diesem Samstag nun endlich zur Geltung kommen kann.

«Ich hätte auch jede andere Fluggastbrücke genommen», sagt Nicolai der Deutschen Presse-Agentur zu dem sehr speziellen Ort am südlichen Ende des 715 Meter langen Main-Piers. Dies für ein Kunstwerk ausgeschriebene Gate bot ihm allerdings mehr Volumen. Nicolai hat seine mit Leuchten versehene Arbeit direkt mit dem Verkehrsbetrieb am BER verbunden. «Die Lichtsteuerung erfolgt über Flugprotokolle», erläutert der Künstler. Unterschiedliche Lichtintensitäten und Bewegungsmuster markieren den Status des am Gate erwarteten oder abzufertigenden Fliegers.

Während Nicolais Arbeit nun endlich wirken kann, kommt die Eröffnung für ein schon vor acht Jahren fertiges Kunstwerk zu spät. Der Künstler Bjørn Melhus hatte für den Großflughafen einen «virtuellen Ort» erschaffen. Seine Familie aus Vater, Mutter, Kind wirkte, als seien sie einem der Sicherheitsvideos aus Flugzeugen entsprungen und nun am nicht existenten «Gate X» zu finden. Allerdings hat die Technik die rasante Entwicklung nicht überstanden, «Gate X» gibt es auch virtuell nicht mehr.

Sehr präsent ist dagegen der fliegende Teppich der US-amerikanischen Künstlerin Pae White. Im Terminal 1 überspannt die rostrote Konstruktion weite Teile der Halle mit den Check-In-Schaltern. Die verwobenen Metallbänder scheinen in großen Wellen zu flattern und durch den riesigen Raum zu schweben. Die Unregelmäßigkeiten in «Magic Carpet» regen die Fantasie an, White verbindet die scheinbare Leichtigkeit der Konstruktion mit der Sehnsucht nach Reisen in mehr oder weniger ferne Länder.

Im Sicherheitsbereich passieren Reisende dann die «Open Sky Box» des japanischen Künstlers Takehito Koganezawa, der mit seinem Wechsel von weißem und blauem Licht die fernen Ziele unter anderen Himmeln abstrahiert.

In der Ankunftshalle wartet ein «Sternentalerhimmel» mit manifester Bodenhaftung. Das Künstlerduo Cisca Bogman und Oliver Störmer hat Tausende internationaler Münzen in den Boden eingelassen. Bei der Konzeption des Werks vor zehn Jahren ging es ihnen darum, dass Passagiere aus anderen Ländern am Berliner Flughafen ein Stück Heimat in Münzenform entdecken können. Inzwischen lastet auf dem Werk der Fluch des umgebenden Gebäudes: es wird häufig als Metapher für die Geldverschwendung des mit fast sechs Milliarden Euro fast dreifach überteuerten Flughafens interpretiert.

Mit den Pannen und Geschichten rund um den Bau befasst sich auch eine Ausstellung zur BER-Eröffnung. Wer das nicht mehr sehen mag, schlendert weiter auf den Vorplatz, wo der in Berlin lebende US-Künstler Matt Mullican die Auf- und Abgänge zum unterirdischen Bahnhof als «Subjekt-Pavillon» und «Objekt-Pavillon» gestaltet hat. Auf den Fensterfronten verknüpfen sandgestrahlte Motive Themen rund um Fliegen, Kosmos und Himmel mit der umgebenden Region.

Pünktlich zum Flughafenstart heißt es auch im Berliner Kupferstichkabinett «Wir heben ab». Kuratorin Anna Marie Pfäfflin hat für die eindrückliche Ausstellung (bis 21.2.) Arbeiten rund ums Fliegen zusammengestellt. Da geht es um Vögel und Insekten genauso wie um Götter und Heilige, Hexen und Dämonen, Absturz und Verdammung oder Traum und Alptraum. Rund 80 Arbeiten von Picasso, Leistikow, Matisse, Rauschenberg, Klinger, Léger, Klee, Dix, Delacroix, Ensor, Goya oder Kollwitz sind zu entdecken. Mit dabei auch der belgische Künstler Panamarenko. Seine Spezialität: Flugkonstruktionen, die nicht fliegen können. Das soll sich ja jetzt am Hauptstadtflughafen ändern.


Fluggesellschaften starten am BER mit verringertem Angebot

BERLIN: Ungewöhnlicher Start des Hauptstadtflughafens BER am Wochenende: Aufgrund der Corona-Krise wird nur ein Bruchteil der sonst üblichen Passagierzahlen erwartet. Die Fluggesellschaften passen ihr Angebot entsprechend an.

Viele Fluggäste werden zum Start des neuen Hauptstadtflughafens BER an diesem Samstag (31. Oktober) nicht erwartet - mit einem entsprechend verringerten Angebot stellen sich die Fluggesellschaften darauf ein. Der bislang größte Anbieter in Berlin etwa, das britische Luftfahrtunternehmen Easyjet, hat sich mit den Gewerkschaften darauf geeinigt, die in Berlin im vergangenen Jahr stationierte Flotte von 34 Flugzeugen auf 18 zu reduzieren.

Die Fluggesellschaft bietet zum Auftakt 23 Strecken zu internationalen Zielen an, wie sie mitteilte. Im kommenden Jahr sollen es dann 70 Verbindungen sein. «Sollte die Nachfrage steigen, werden wir unser Flugangebot entsprechend ausweiten», hieß es. Damit plant Easyjet für die Betriebsaufnahme am BER mit rund 180 Flügen in der ersten Woche. Im Jahr 2019 waren es demnach von den Berliner Airports Tegel und Schönefeld aus rund 250 Flüge am Tag.

Die Lufthansa hat keine eigenen Flugzeuge am BER stationiert. Sie nutzt den Flughafen vor allem als Ausgangspunkt für Langstreckenflüge mit einmaligem Umstieg an den Drehkreuzen Frankfurt oder München. Für den Start am BER plant die größte deutsche Fluggesellschaft mit lediglich 30 Flügen täglich - etwa halb so viele wie vor der Krise.

Die Lufthansa-Tochter Eurowings wiederum startet am 4. November erstmals vom BER, wie das Unternehmen mitteilte. 70 Flüge pro Woche will die Fluggesellschaft dann zunächst anbieten. Bei einem Großteil davon handelt es sich demnach um innerdeutsche Verbindungen. Von rund 300 geplanten Abflügen im Monat November gehen lediglich rund 16 ins Ausland. «Hier zeigt sich überdeutlich das Bild der Reiserestriktionen für die meisten Urlaubsländer Europas», teilte ein Sprecher mit.

Auch die Billigfluggesellschaft Ryanair wird ihre Kapazitäten am BER für den Winterflugplan reduzieren, auf 40 Prozent des Vorjahres, wie das irische Unternehmen auf Anfrage mitteilte. Rund 27 internationale Strecken will Ryanair dann noch bedienen.

Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup hatte zuletzt mit insgesamt rund 5000 Fluggästen am Eröffnungstag des Flughafens am Hauptterminal T1 gerechnet. Mit der Tegel-Schließung eine Woche später würden am T1 dann rund 16.000 Passagiere abgefertigt. Weitere 8000 Fluggäste würden dann über den Flughafen Schönefeld reisen, der als Terminal 5 des BER dient. Das bereits fertiggestellte Terminal 2 wird angesichts dieser niedrigen Zahlen zunächst nicht gebraucht und soll deshalb erst im Frühjahr eröffnet werden.


Taxis und Pinguine: Zahlreiche Protestaktionen zur BER-Eröffnung

SCHÖNEFELD: Zur Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER an diesem Samstag sind in Schönefeld eine Reihe von Protestaktionen angekündigt. Die Polizei rechnet insgesamt mit rund 3000 Teilnehmern an den Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen. Allein bei einer Taxi-Sternfahrt vom Flughafen Tegel bis zum BER wollen nach Angaben der Organisatoren gut 1000 Taxifahrer dabei sein.

Die Gruppe Am Boden bleiben kündigte am Freitag an, sie wolle die Eröffnungsfeier mit einer Aktion zivilen Ungehorsams «massiv stören». «Wir werden die Eröffnung des BER blockieren», sagte Lena Tucnak, eine der Sprecherinnen. Es könne nicht sein, dass in Zeiten der immer heftiger werdenden Klimakrise ein neuer Flughafen eröffnet werde.

«Wir wollen und brauchen den BER nicht», sagte Tucnak. Wenn die Befeuerung der Klimakrise legal sei, dann sei auch eine Blockadeaktion mehr als legitim. Daran sollen mehrere Hundert Menschen als Pinguine verkleidet teilnehmen - «coole Vögel, die am Boden bleiben». Tucnak erinnerte an eine ähnliche Aktion vor rund einem Jahr am Flughafen Tegel, die zu einem Großeinsatz der Polizei geführt hatte.

Die Berliner Taxifahrer wollen am Vormittag mit ihrem Korso in Tegel starten. Realistisch sei, dass sie gegen 11.45 Uhr am BER eintreffen, sagte Initiator Erkan Özmen am Freitag. Bei einer Kundgebung wollen sie fordern, dass alle 7000 Berliner Taxen künftig Laderecht am BER bekommen, nicht nur 300 wie bisher vorgesehen.

Das Aktionsbündnis Berlin Brandenburg, eine Bürgerinitiative von Flughafen-Betroffenen, plant am Vormittag eine Mahnwache. Ein Bündnis verschiedener Gruppen wie Fridays for Future Berlin, Extinction Rebellion und die Jugend des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat eine Demo angekündigt, die von 10.00 Uhr an vom alten Flughafen Schönefeld zum BER führen soll. Zeitgleich startet ein Fahrradkorso vom Platz der Luftbrücke in Berlin-Tempelhof.

Von einigen Plänen mussten sich die BER-Kritiker wieder verabschieden: Die BUND-Jugend darf am Flughafen keine Drachen steigen lassen. Und die Grüne Jugend Brandenburg und Berlin darf nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam nicht im Terminal 1 demonstrieren. Stattdessen schließt sie sich ebenfalls der Bündnis-Demo an.

Ein Sprecher des Polizeipräsidiums in Potsdam sagte am Freitag, die Polizei werde mit einem Großaufgebot vor Ort sein, um die Sicherheit der Eröffnungsveranstaltung zu gewährleisten. «Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet.» Die größte Einzelaktion sei die Taxi-Sternfahrt, die auch zu Verkehrsbehinderungen führen könne. Insgesamt sei anhand der Anmeldungen von rund 3000 Teilnehmern an den verschiedenen Aktionen auszugehen.

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