Flüchtlinge und Staatsinteressen

 Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com
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Glyn Davies, der neue Botschafter der USA in Thailand, verkündete in einem Exklusivinterview der Bangkok Post, die USA würden Thailand auch ohne demokratisch legitimierte Regierung mit offenen Armen in der US-geführten Trans-Pacific-Partnership willkommen heißen. Klartext: Auf die sonst üblichen Forderungen in Sachen Demokratie und/oder Menschenrechte kann verzichtet werden, wenn es im Interesse der USA ist. Die USA verfolgen ihre geopolitischen Ziele auch in Syrien oder der Ukraine auf eigene Faust und das ist legitim.

Wie sieht es aber mit der Interessenvertretung der Deutschen oder aller Europäer aus? Zunächst muss leider gesagt werden, die verantwortlichen Politiker haben dieses vorhersehbare Problem entweder tatsächlich nicht gesehen oder ignoriert. Der Krieg in Syrien tobt seit 2011, auf der einen Seite das von Russen und Chinesen unterstützte Assad Regime, auf der anderen Seite der Westen. Ein Ende ist nicht in Sicht und die Bevölkerung macht sich in großer Zahl auf nach Europa bzw. Deutschland. Wenn man in Deutschland nun zu diesem Thema in die Medien schaut, ist man zunächst erstaunt, wie viele Journalisten die Mär verbreiten, es ginge darum, ein armes und unterdrücktes Volk von einem blutrünstigen Diktator zu befreien. Man gewinnt, ähnlich wie bei der politischen Klasse, den Eindruck, es fehle an der Fähigkeit, in weltpolitischen Kategorien zu denken und daraus eigene Interessen und Ziele abzuleiten.

Willkommenskultur...

Wie bereits Anfang des Jahres in dieser Kolumne befürchtet, handelt es sich beim Thema Flüchtlinge um eine Mammut-Aufgabe ähnlich der Deutschen Wiedervereinigung, die gemanagt werden muss und nicht ausgesessen werden kann. Anders als damals bei der Wiedervereinigung herrscht heute in der Bevölkerung allerdings keine Einigkeit über das Ziel. Die Bevölkerung ist gespalten wie selten in der Nachkriegsgeschichte.

Die einen fürchten sich vor einer Parallelgesellschaft. Sie haben Angst oder zumindest große Sorge, dass sich ihr Lebensraum negativ verändert. Besonders im Osten Deutschlands, der bisher wenig Erfahrung mit Ausländern gesammelt hat, gibt es eine große Bevölkerungsgruppe, die der Blick auf soziale Brennpunkte im Westen Deutschlands erschreckt. Sie wollen verhindern, dass sich Dresden oder andere ostdeutsche Städte in diese Richtung entwickeln. Es könnte sich später als fataler Fehler he-rausstellen, diese Leute einfach mit der Nazikeule in die rechte Ecke zu prügeln wie es derzeit geradezu inflationär passiert. Es wäre gescheiter, mit Ihnen in Dialog zu treten.

Auf der anderen Seite gibt es auch gute Gründe für die Anhänger der sogenannten Willkommenskultur. Abgesehen davon, dass diese Seite freilich die sympathischere ist, kann niemand bestreiten, dass Deutschland massive Zuwanderung benötigt, um die bestehenden Sozialsys­teme und vor allem das Rentensystem nach 2030 am Laufen zu halten. Das renommierte ifo Institut hat beispielsweise ausgerechnet, es bedarf einer Nettoeinwanderung von insgesamt 32 Millionen Menschen (!) um den Altenquotienten von 2035 auf dem Niveau von 2015 zu lassen. Es versteht sich von selbst, dass es sich um gut ausgebildete Immigranten handeln muss, die sich integrieren wollen. Einwanderer in die Sozialsysteme sind konterproduktiv. Der jetzigen Bundesregierung ist vorzuwerfen, dass sie mit ihrer Entscheidung für den Mindestlohn allerdings Einwanderung in die Sozialsysteme vorprogrammiert. Frau Bundesministerin Nahles ist stolz auf ihren Mindestlohn, verkennt aber die Mehrbelas­tung der öffentlichen Haushalte, wenn durch die Fixierung des Mindestlohns - bei sonst gleichbleibenden Bedingungen - die Einwanderung von einer Million Arbeitslosen pro Jahr festgelegt wird. Ein offensichtlicher Zielkonflikt, der allerdings nicht diskutiert wird.

...oder Parallelgesellschaft?

Es ist sowohl für Deutschland aber auch für ganz Europa höchste Zeit, sich über die eigenen Interessen klar zu werden und unter anderem den Vasallen-Gehorsam gegenüber den Vereinigten Staaten zu überwinden. Die Interessen Europas oder Deutschlands sind nicht de­ckungsgleich mit denen der USA. Noch ist es nicht zu spät. 250.000 Teilnehmer an der Demonstration gegen das Trans­atlantische Freihandelsabkommen in Berlin belegen wenigstens, dass nicht alle schlafen.

Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

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Jürgen Franke 27.11.15 12:22
Herr Rasp
es ist erstaunlich, dass Ihr, wie immer super, Bericht, noch nicht kommentiert wurde.