Fluch oder Segen?

Nikotindampfen und Tabakerhitzen statt Rauchen

Foto: epa/Erik S. Lesser
Foto: epa/Erik S. Lesser

GENF (dpa) - Nikotin ist schädlich und macht süchtig, aber sind Geräte wie E-Zigaretten oder Tabakerhitzer nicht gesünder als Zigaretten? Sollen Regierungen sie deshalb fördern? Die Tabakindustrie und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegen darüber im Clinch.

Ryan Sparrow steckt ein kleines Tabakstäbchen in sein Gerät, heizt per Knopfdruck kurz auf und zieht dann genüsslich am Filter. Mit deutlich weniger schlechtem Gewissen als früher, als er noch herkömmliche Zigaretten rauchte, versichert er. Für seinen Nikotinschub nutzt Sparrow den Tabakerhitzer Iqos von PMI, dem internationalen Arm des Marlboro-Herstellers Philip Morris. Sparrow arbeitet bei PMI am Neuenburgersee in der Schweiz.

Die Firma preist das Tabakerhitzen als geniale Entwicklung: Sie legt Studien vor, die zeigen sollen, dass beim Tabakerhitzen statt -verbrennen fast alle krebserregenden Schadstoffe eliminiert werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist alarmiert.

Ältere Zigarettenalternativen, etwa E-Zigaretten, bei denen flüssiges Nikotin verdampft wird, gibt es schon seit Jahren. «Sie sind in etwa 30 Ländern verboten und in 60 Ländern reguliert», sagt Vinayak Prasad, bei der WHO für Tabak-Kontrolle zuständig. Dazu gehören Regeln, wo E-Zigaretten benutzt und an wen sie verkauft werden dürfen. Aber Tabak zu erhitzen statt zu verbrennen ist ziemlich neu und Länder ringen darum, wie damit umzugehen ist. «Der unsichtbare Elefant im Raum», sagte Prasad am Rande einer Tagung mit Vertretern der 181 Mitgliedsländer der Anti-Tabak-Konvention in Genf.

In der Schweiz etwa liegt die Steuer auf Päckchen mit Tabakstangen zum Erhitzen nur bei zwölf Prozent, bei herkömmlichen Zigaretten bei gut 50 Prozent. Der Grund: das neue Produkt wird wie Pfeifentabak versteuert. Der Preis ist pro Packung mit gleich vielen Tabakstäbchen wie Zigaretten aber in etwa gleich. Der Profit für die Tabakfirmen sei bis zu 50 Prozent höher als bei Zigaretten, sagt die WHO.

Sie zitiert Schätzungen, nach denen der Umsatz mit Produkten zum Tabakerhitzen explodiert: von 2,1 Milliarden Dollar 2016 auf 17,9 Milliarden Dollar 2021. Neben Philip Morris sind auch Anbieter wie Japan Tobacco International und British American Tobacco am Markt.

Es gibt rund eine Milliarde Raucher weltweit, sieben Millionen Menschen sterben jedes Jahr durch das Rauchen, so die WHO. «Unsere Position ist klar: alle Tabak-Produkte sind schädlich», sagt Prasad. Philip Morris bestreitet das nicht. «Unser Produkt ist nicht ohne Risiko, und es enthält Nikotin, was süchtig macht», sagt Moira Gilchrist, bei PMI «zuständig für wissenschaftliche Kommunikation».

Aber PMI wende sich ausschließlich an erwachsende Raucher. Für sie sei Iqos eine gesündere Alternative zum Rauchen und eine Aussteigehilfe. «Bei Tabakprodukten entstehen die meisten giftigen Komponenten durch Verbrennung», sagt Gilchrist. «Aber mit Iqos wird Tabak erhitzt, nicht verbrannt. Der Iqos-Dampf enthält verglichen mit herkömmlichem Zigarettenrauch viel weniger schädliche Chemikalien. Unser Produkt ist rauchfrei.»

Rauchfrei, das lassen Forscher unter Leitung von Reto Auer von der Universität Bern in einer Studie nicht gelten. Iqos produziere sehr wohl Rauch, schreiben sie 2017 in der angesehenen US-Fachzeitschrift «Jama Internal Medicine». «Es findet zwar keine vollständige Verbrennung, aber eine Verschwelung statt», erklärt Auer. «Wir haben in dem Rauch aus Iqos die gleichen Stoffe gefunden wie bei Zigaretten, wenn auch weniger.» Philip Morris stellte in einem Brief die Ergebnisse und die Expertise von Auer in Frage und verlangte, dass die Studie zurückgezogen wird - vergeblich.

«Solche Geräte sind wie ein tragbarer Toaster: ein schwarzes Toast macht auch Rauch und ist ungesund», sagt Auer. So sieht es auch Prasad: «Zu sagen, es gibt keine Verbrennung, ist einfach falsch. Es ist gut möglich, dass Leute, die erhitzten Tabak statt Zigaretten nutzen, weniger schädlichen Substanzen ausgesetzt sind, aber das macht das Produkt nicht weniger schädlich», sagt er. «Ob ich aus dem 7. oder aus dem 3. Stock in die Tiefe springe: Ich breche mir trotzdem die Beine und ich könnte sterben», sagt Prasad.

In Großbritannien empfiehlt die Stiftung Krebsforschung E-Zigaretten inzwischen als Hilfsmittel für Leute, die mit dem Rauchen aufhören wollen und die mit anderen Aussteigehilfen keinen Erfolg haben. Bei Tabakheizern ist die Regierung aber skeptisch: «Studien legen nahe, dass Produkte mit erhitztem Tabak vielleicht deutlich weniger schädlich sind als Tabakzigaretten, aber schädlicher als E-Zigaretten», schreibt sie im Gesundheitsbericht 2018.

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Hermann Hunn 03.11.18 22:50
Mit Prozentrechnen Sand in die Augen gestreut
Mit Prozentrechnen Sand in die Augen gestreut
1.) Die Schweizer Tabaksteuer auf Zigaretten ist abhängig vom Verkaufspreis und variiert zwischen ~ 47.5% und 56.6% bezogen auf den Verkaufspreis pro 1'000 Zigaretten (~50 Einzelpakete).
2.) Dazu kommen noch Abgaben wie Mehrwertsteuer, SOTA (Einkaufsgenossenschaft Inlandtabak) und den Tabakpräventionsfond (!). Letztendlich resultiert eine steuerliche Belastung von >60%.
3.) Bei Zigaretten bezieht sich die Steuerberechnung pro 1'000 Stück, bei Pfeifen- und Dreh-Tabak jedoch pro Kilogramm*. Bitte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. (*=Feuchtigkeit zum Gebrauch bereit)
Die (nicht vollständige) steuerliche Belastung eines einzigen Staates (hier die Schweiz, wo zufällig das Forschungszentrum eines Zigarettenmulti und die WHO ihren Sitz haben) und weiteren Argumenten wie Bungee-Jumping ohne Gummiseil vom 3. vs. 7. Stockwerk in eine weltweite «Gesundheits»-Debatte über Rauch vs. Dampf einzubeziehen, zeugt nicht von grossem Journalismus.
Hans-Dieter Volkmann 03.11.18 14:40
Schwachsinn
Wer glaubt das diese Ersatzart "gesünder" sei als Zigaretten und meint jetzt kann er wieder die Treppen steigen, der macht sich selbst was vor. Wer 40 Jahre stark raucht kann sich nicht in 4 Monaten medizinisch regenerieren. Das ist Selbsttäuschung. Selbst der internationale Arm von Philip Morris behauptet das beim Tabakerhitzen "fast alle krebserregenden Stoffe eliminiert werden." Eben nicht alle. Es werden nach wie vor noch krebserregende Schadstoffe inhaliert. Wenn auch weniger. Man bedenke, die Tabakindustrie selbst ist es die zugibt das nach wie vor noch Schadstoffe eingenommen werden. Dies ist umso schwerwiegender zu beurteilen, da sie ja weniger an der Gesundheit der Raucher interessiert ist, als an ihrer eigenen Gewinnerwartung.
Jörg Thomas Kopp 02.11.18 21:49
Schwachsinn !
ich habe 40 Jahre 25-35 Zigaretten am Tag geraucht und noch so einiges anderes ! Meine Mutter wohnt in der 5 Etage dort bin ich nur noch mit zwischen Stopp hochgekommen und musste oben angekommen erst mal Luft holen, bevor ich ein Wort raus gebracht habe ! Nun Vape ich seit 4 Monaten und siehe da ich laufe die Treppen hoch wie ein junger Gott und das als "Raucher" ;-)) Dampfer ^^