Filmfest Cannes startet mit Kontroversen und Zombies

Ein Blick auf den Palais des Festivals beim 71. Internationalen Filmfestival in Cannes, Südfrankreich. Foto: Arthur Mola/Invision/AP/dpa
Ein Blick auf den Palais des Festivals beim 71. Internationalen Filmfestival in Cannes, Südfrankreich. Foto: Arthur Mola/Invision/AP/dpa

CANNES (dpa) - Noch vor der Eröffnung gerät das Filmfest unter Druck, auch wegen der Ehrenpalme für Schauspiellegende Alain Delon. Doch Kritik will der Festivalleiter lieber nicht hören. Er hofft, dass andere Stars für Ablenkung sorgen.

Am Ende eines Filmfestivals kann man sich schon mal wie ein Zombie fühlen. Schließlich schaut man innerhalb weniger Tage zahlreiche Filme und verkriecht sich dafür lange in dunklen Kinosälen fernab vom Tageslicht. Bei den Festspielen im südfranzösischen Cannes hatten die Zombies in diesem Jahr aber deutlich früher ihren großen Auftritt: Gleich zum Auftakt schwanken im Eröffnungsfilm «The Dead Don’t Die» Untote wie Musikikone Iggy Pop über die Leinwand an der Croisette.

Für seine Komödie konnte Regisseur Jim Jarmusch viele Stars gewinnen, von denen am Dienstagabend auch fast alle auf dem roten Teppich vor dem Premierenpalast für die Fotografen posierten: Murray, Chloë Sevigny und «Star Wars»-Bösewicht Adam Driver gehen darin als Polizisten auf Zombiejagd, während Tilda Swinton die Schwert schwingende Bestatterin gibt, die sich gegen die Untoten bestens zur Wehr setzen kann.

Selena Gomez und Steve Buscemi müssen sich ebenfalls in Sicherheit bringen, Tom Waits hingegen taucht als bärtiger Waldschrat auf. Sie alle sind bereits im Trailer zum Film zu sehen, der auch vermuten lässt, dass es sich hier um kein gruseliges Gemetzel handelt. Jarmuschs Version der Apokalypse scheint demnach durchaus schräg und humorvoll.

Doch bevor die von Fans sehnsüchtig erwartete Zombie-Komödie am Abend das Festival mit weiteren Gala-Gästen wie Julianne Moore, Jarvier Bardem und Charlotte Gainsbourg eröffnete, musste Festivalleiter Thierry Frémaux gleich zu mehreren Kontroversen Stellung beziehen - und sorgte mit seinem Auftreten mitunter für Irritation. Warum Alain Delon (83) die Ehrenpalme bekommt, obwohl er in einem TV-Interview unter anderem zugab, früher seine Frau geschlagen zu haben? Die Frage danach versuchte Frémaux zu unterbinden und griff den fragenden Journalisten persönlich an: «Ich weiß nicht, was Sie in Ihrem früheren Leben gemacht haben.»

An der Palme für Delon hielt er jedenfalls fest. «Wir geben ihm ja nicht den Friedensnobelpreis.» Diese Reaktion ist verwunderlich, hatte sich das Festival im vergangenen Jahr doch mit der #MeToo-Bewegung solidarisch gezeigt und «Null Toleranz gegenüber sexuellem Missbrauch und Missbrauch jeglicher Art» geschworen.

Auch Fragen nach der Gleichstellung von Frauen reizten Frémaux spürbar - von 21 Wettbewerbsfilmen stammen gerade einmal 4 von Frauen. Die im vergangenen Jahr verabschiedete Erklärung «5050 in 2020», wonach bis 2020 ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis herrschen soll, gelte nur für das Festival intern, erklärte Frémaux nun. «Es wäre ein Zeichen von Respektlosigkeit, einen Film nur auszuwählen, weil er von einer Frau stammt.»

Inwiefern diese Themen auch während des Festivals für Debatten sorgen werden, bleibt offen. Die Jury um den mexikanischen Oscar-Preisträger Alejandro González Iñárritu («The Revenant») hofft nun darauf, von den Filmen im Wettbewerb emotional mitgerissen zu werden. «Ich möchte versuchen, die Filme so anzuschauen, als wüsste ich nicht, wer Regie geführt hat», sagte der Mexikaner in Cannes. Weder bekannte Regie-Namen noch das Geschlecht der Filmemacher sollten eine Rolle spielen. «Wir sollten die Filme selbst bewerten.»

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