BERLIN: Roger Federer genießt sein Leben als Tennis-Rentner und entwickelt viele neue Leidenschaften. Rasen bleibt wichtig.
Im edlen dunklen Anzug war Roger Federer der gefragteste Mann auf dem schwarzen Teppich in Berlin. Erst bat der frühere Fußball-Nationalspieler Bastian Schweinsteiger um ein gemeinsames Foto, dann war Tennis-Rentnerin Angelique Kerber dran. Und auch Boris Becker oder Steffi Grafs Ehemann Andre Agassi reihten sich in die Schlange der Interessenten ein. Ein Bild mit dem 20-maligen Grand-Slam-Sieger wollte sich einfach niemand entgehen lassen.
In seiner Rolle als Botschafter des Laver Cups ist Federer gerade in Berlin. Bei dem Mannschaftswettbewerb tritt eine europäische Auswahl gegen ein Team Welt an. «Ich genieße die Zeit hier. Nach dem Laver Cup geht es wieder nach Hause. Dann bin ich wieder Vater und Chauffeur», sagte der 43-Jährige zwei Jahre nach seinem Karriereende.
Auf dem Platz steht der achtmalige Wimbledon-Sieger nur noch selten - seine Liebe zum Rasen hat aber nie an Intensität eingebüßt. «Ich habe angefangen, Golf zu spielen. Meine Kinder haben auch angefangen, meine Frau auch», berichtete der ehemalige Weltranglistenerste der Deutschen Presse-Agentur und ergänzte lachend: «Für ein Duell mit Rafael Nadal reicht es noch nicht».
Touri-Punkte in Berlin abhaken
Wer dachte, dass Federer nach seinem Jetset-Leben und ohne den Adrenalinkick in den größten Tennisarenen der Welt langweilig wird, liegt falsch. Der vierfache Vater entwickelt neue Leidenschaften. «Ich habe noch mit dem Tauchen angefangen. Ich habe viel Zeit, absolut coole Trips mit meiner Familie zu machen und bin ganz viel am Reisen», erzählte Federer und wirkte sichtlich zufrieden.
Ein Highlight seien die Urlaube in Vietnam oder Thailand gewesen. Auch die wenigen Tage in Berlin will die Tennis-Legende für ein bisschen Sightseeing nutzen. «Ein paar Touri-Punkte muss ich von meiner Liste jetzt mal abhaken», sagte der frühere Rasen-Spezialist.
Das Kribbeln bleibt
2022 hatte Federer beim Laver Cup sein letztes Match bestritten. Das Kribbeln ist geblieben. Wie ein neugieriger Junge inspizierte er jede Ecke des dunklen Courts in Berlin. «Es fühlt sich immer noch so an, als hätte ich meine Karriere vor fünf Sekunden beendet. Wenn ich hier auf dem Platz stehe, würde ich am liebsten sofort den Schläger nehmen und losspielen», sagte der Fan-Liebling und schwelgte in Erinnerungen: «Da kommen gerade schon viele Flashbacks in mir hoch».
Wie «ein Alien» fühle er sich zwar noch nicht. «Aber es fühlt sich ein bisschen falsch an, einen Platz zu betreten. Der ist doch für Spieler und nicht für Rentner», befand der 43-Jährige, als er am Seitenrand Interviews gab. Immer wieder blickte der Schweizer dabei hinter sich, wo gerade Alexander Zverev und der Norweger Casper Ruud trainierten. Beide gehören bei dem Mannschaftswettbewerb zum Team Europa, das die Weltauswahl um den US-Open-Finalisten Taylor Fritz herausfordert.
«Ich kann's noch»
Viermal schlug Federer selbst beim Laver Cup auf. Nach über zwei Jahrzehnten auf der Tour hat er sich mittlerweile aber auch mit seiner Zuschauerrolle angefreundet. Dass der Dauerrivale von Rafael Nadal und Novak Djokovic nicht viel an Talent eingebüßt hat, demonstrierte er eindrucksvoll bei einem Sponsorentermin.
Die einhändige Rückhand immer noch so elegant wie bei seinen insgesamt 103 Titeln auf der ATP-Tour. Sein Serve-und-Volley-Spiel immer noch so flüssig wie bei seinem letzten Grand-Slam-Sieg 2018 in Australien. «Ich kann's noch», scherzte Federer. Nur die Fitness scheint etwas gelitten zu haben. Erschöpft sank Federer nach ein paar Minuten auf die Bank und schnaufte: «Bald geht's wieder in Urlaub».