Fahrlässige Tötung?

Ermittlungen und Debatte nach SUV-Unfall

Ein zerstörter SUV wird auf einen Abschleppwagen gehoben. Im Stadtteil Mitte waren bei einem schweren Verkehrsunfall vier Menschen getötet worden. Foto: Paul Zinken/Dpa
Ein zerstörter SUV wird auf einen Abschleppwagen gehoben. Im Stadtteil Mitte waren bei einem schweren Verkehrsunfall vier Menschen getötet worden. Foto: Paul Zinken/Dpa

BERLIN (dpa) - SUV raus aus den Innenstädten? Der Unfall in Berlin-Mitte mit einem solchen PS-starken Auto hat eine Debatte angefacht. Ein Grünen-Experte denkt an Obergrenzen und bundesrechtliche Regelungen.

Die Polizei ermittelt nach dem schweren Unfall eines Sportgeländewagens (SUV) mitten in Berlin wegen fahrlässiger Tötung. Das sagte eine Polizeisprecherin am Montag. Währenddessen ist eine Debatte über Sinn und Unsinn von SUV (was für Sport Utility Vehicle steht) entbrannt.

Das Auto kam am Freitagabend von der Straße ab und verletzte vier Fußgänger an einer Ampel tödlich, darunter einen Dreijährigen. Anwohnern zufolge überholte der SUV den stehenden Verkehr an der Ampel sehr schnell auf der Gegenfahrbahn und geriet auf den Gehweg. Das Auto knickte einen Ampelmast und mehrere Poller um, durchbrach einen Bauzaun und kam erst auf einem Baugrundstück zum Stehen.

Nach Informationen vom Wochenende zog die Polizei unter anderem einen medizinischen Notfall beim Fahrer als Unfallursache in Betracht. Der 42-Jährige liegt demnach schwer verletzt im Krankenhaus. Vorsatz wurde zunächst ausgeschlossen.

Der Unfall löste eine Diskussion über SUV in Innenstädten aus. Am Samstagabend kamen rund 500 Menschen zu einer Mahnwache an die Kreuzung Invalidenstraße/Ackerstraße. Auch am Sonntag legten Passanten Kerzen, Blumen und Bilder an der Unfallstelle ab.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach sich bei einem Talk der «Bild»-Zeitung gegen ein Verbot dieser Geländewagen aus. SUVs sollten aber durch Steuern wesentlich teurer werden, sagte sie am Montag: «Die Frage, was es kostet, ist viel entscheidender als ein Verbot.» Sie wünsche sich eine «vernünftige Gleichberechtigung zwischen Fahrradverkehr, Fußverkehr und Autos». Göring-Eckardt forderte «Vorfahrt für diejenigen, die vernünftig fahren: die elektrisch fahren und die ohne CO2 fahren».

Der CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor sagte bei «Bild»: «Dieser Unfall schockiert. Er zeigt das Gefährdungspotential. Aber ich würde keine Verbotsdebatte lostreten.» Der rechtliche Rahmen sei durch die Straßenverkehrsordnung bereits gesetzt.

Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer, sagte hingegen im «Tagesspiegel»: «Wir brauchen eine Obergrenze für große SUV in den Innenstädten. Am besten wäre eine bundesrechtliche Regelung, die es Kommunen erlaubt, bestimmte Größenbegrenzungen zu erlassen.»

In diesem Jahr werden nach Branchenschätzungen erstmals über eine Million der geländegängigen Limousinen in Deutschland neu zugelassen, wie die Zeitung schreibt. Der Marktanteil werde auf rund ein Drittel steigen. Der Verkehrs- und Umweltexperte Krischer sagte: «Die Autos brauchen immer breitere Parkplätze in Städten, wo der Raum immer knapper wird. Sie sind eine Gefahr gerade für Fußgänger und Radfahrer.» Es brauche dringend eine Debatte, «wie groß die Autos denn noch werden sollen, die in unseren Innenstädten rumfahren».

Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, forderte im «Tagesspiegel» rasch umsetzbare Maßnahmen gegen SUV: Entweder eine City-Maut, die die Einfahrt in Städte für große, schwere Wagen sehr teuer mache – oder ein Parkverbot beziehungsweise deutlich erhöhte SUV-Parkgebühren in Städten.

SUV sind bei Autokäufern in Deutschland zunehmend beliebt, obwohl sie von Kritikern als besonders umweltschädlich bezeichnet werden.

«Man kann nicht einfach sagen: SUV ist grundsätzlich gefährlicher als ein Polo oder als ein Smart», sagte dagegen der Unfallforscher Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft indes der Deutschen Presse-Agentur. Mehr Einfluss als das Gewicht hätten Geschwindigkeit und Art des Zusammenstoßes. Im Berliner Fall hätte aber der Ampelmast einen Polo möglicherweise gestoppt.

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Mike Dong 14.09.19 21:30
Bin auch so ein Angeber. Habe hier immer nur SUVs, bisher Fortuner, Pajero, jetzt MUX. Der jetzige ist der beste meiner Nippon-Freunde, und das beste ist man kann ihn unter 7 l / 100 km fahren. Richtig klasse meine Kids u die Eltern und die ganzen Einkäufe locker reinzukriegen. 7 bequeme Sitze zum Angeben. Ätsch. Ich hätte allerdings noch lieber den Jaguar, Porsche, BMW, wenn die nicht 3-4 mal so teuer wären. Aber am liebsten den Maserati (sorry mein lieber MUX) !!!
Jürgen Franke 14.09.19 14:24
Herr Raktin, wenn Sie zufälig so eine
zusammengeschusterte Karre fahren, ist es nicht unbedingt erforderlich, sich angesprochen zu fühlen. Ansonsten nehme ich von meinem Recht der freien Meinungsaußerung gebrauch.
TheO Swisshai 14.09.19 09:45
@Michael Meier / Schon klar,...
... meine Frage war ja auch rhetorisch gemeint. Eigentlich wollte ich damit zum Ausdruck bringen, dass ein SUV nichts mit angeblicher "Deutscher Angeberei" zu tun hat sondern mit einem weltweiten Trend und alle Marken mittlerweile SUV anbieten, nicht nur Porsche & Co. auch KIA uvm.
Jürgen Franke 13.09.19 21:12
Lieber Michael, es sprengt zwar etwas das
Thema, aber ein kurzer Hinweis zu dieser SUV Euphorie sei gestattet: Die Feuerwehr hatte Anfang der 70jahre das Problem bei einem Unfall auf der Autobahn zeitnah zum Unfallort zu gelangen. Im Range Rover, mit der entsprechenden technischen Ausrüstung, wurde ein Fahrzeug gefunden, in dem es möglich war, neben der Autobahn, am Stau vorbei, im Gelände zu fahren, bis die Unfallstelle erreicht wurde. Dort wurden die Leitplanken zerschnitten und die Unfallstelle war erreicht. So konnte das Opfer aus dem verunfallten Fahrzeug geborgen werden. Die Nachfrage nach dem Range Rover überstieg bei weitem die Liefermöglichkeiten der Engländer. (Bei meinem Besuch 1976 wurde mir die völlig veraltete Fertigungsanlage, in der seinerzeit die Invasion vorbereitet wurde, gezeigt.) Es war der Moment, wo jeder mit einem geländegängigen Fahrzeug entweder in die Oper fahren, oder über die Autobahn brettern wollte. Alle Hersteller von Autos wollten mitmischen. Als BMW sich von Rover getrennt hat, fing auch BMW an, SUVs zu konzipieren.
Jürgen Franke 12.09.19 21:51
Lieber Michael, ich war viele Jahre in der
Entwicklungsabteilung eines Autoherstellers tätig, da wirst Du quasi gezwungen alle Autos, die auf den Markt kommen, zu fahren. Mein Vater war übrigens auch Konstrukteur, so dass unsere Einstellung zum Auto sicherlich eine andere ist, als die eines Normalverbraucher.
Jürgen Franke 12.09.19 15:13
Lieber Michael, für mich bleiben die SUVs
Angeberautos, obwohl ich mich seinerzeit für die Herstellung und Vermarktung konsequent eingesetzt habe, da BMW erst später, nach Abgabe von Rover, mit der Entwicklung und Kontruktion eines SUVs begonnen hat, denn die BMW Gruppe hatte mit dem Range Rover ein SUV im Programm. Übrigens: ein Porsche ist für mich ebenso ein Angeberauto.
Jürgen Franke 12.09.19 10:08
Herr Raktin, um Ihr Wissen über meine Vita
zu erweitern, teile ich Ihnen jetzt noch mit, dass ich so eine Angeberkarre im Nachlaß meiner Schwiegermutter vorfand, die sich so etwas mit 70 Jahren noch zulegen mußte. Sehen Sie sich die durchschnittlich zurückgelegten km der privat genutzten PKWs an, um zu erkennen, wie sinnvoll so ein Fahrzeug ist. Ich gehöre jedoch zu den Menschen, die gönnen können und nicht zu den Neidern, da ich bisher alles erreicht habe.
Jürgen Franke 12.09.19 10:06
Herr Swisshai, Sie haben Ihre Frage schon selbst
beantwortet. Außerdem konnte Rover mit der Fertigung der Fahrzeuge den Qualitätsanforderungen der Deutschen nicht entsprechen.
TheO Swisshai 12.09.19 01:02
@Jürgen Franke / Gezwungen ?
Kleine Frage an den Experten; "Weshalb werden seit Range Rover, alle Hersteller gezwungen, auch so eine SUV Karre im Programm zu haben?" Man hätte die Zielgruppe "Deutschen Angeber" ja auch Range Rover überlassen können, oder der ist dieses Kundensegment so gross und wichtig, dass kein Hersteller darauf verzichten konnte ?
Thomas Knauer 11.09.19 20:53
M.Meier
mein Kommentar bezog sich auf den von Herrn Breitrainer.
Klar wäre bei einem medizinischen Notfall dies auch mit einer Ente passiert, die wäre aber sicher vom Ampelmast gestoppt worden, was wiederum Menschenleben gerettet hätte.
Hans Breitrainer 11.09.19 20:42
Herr Knauer
Sie sind wohl schon in Wahlkampfstimmung weil sie die von den Grünen ausgegebenen Phrasen nachplappern. Wie Herr Meier schon feststellt hat dieser Unfall nichts mit SUV's zu tun.
Thomas Knauer 11.09.19 15:36
Sicher Herr Breitrainer , bin seit Jahren Fan der Grünen, allerdings weit weg von Neid usw. Die derzeit etwas erhöhten Preise für diese Autos sind meines Erachtens lächerlich mit Blick auf die Kosten die durch die Nutzung derselben verursacht werden. Wir werden nicht umhinkommen unsere Mobilität komplett auf den Prüfstand zu stellen und die Folgen der Nutzung in den Preis derselben mit einzubeziehen.
Hans Breitrainer 10.09.19 21:36
Thomas Knauer
Mit Gleichberechtigung haben sie wohl nichts am Hut. Diese Fahrzeugbesitzer zahlen ja sowieso mehr. Grösserer Hubraum, mehr PS usw. Sie stammen sicher aus der grünen Neidgesellschaft. Der Unfall in Berlin hätte genauso mit einem VW Golf passieren können
Jürgen Franke 10.09.19 20:57
Ein normaler Kombi war für die Deutschen
Angeber nicht mehr ausreichend, also mußte ein SUV her. Alle Hersteller waren seit Range Rover gezwungen so eine benzinfressende Karre im Programm zu haben, um in den Spermarkt zu fahren und die Kinder in die Schule zu bringen..
Thomas Knauer 10.09.19 15:23
die SUV und Pickup in D sind in den Innenstädten ein Ärgernis, sie versperren nicht nur Sicht und sind unbeholfen im Stadtverkehr, die meisten Parkplätze sind nicht für Autos dieser Größe geeignet.
Für ein Verbot bin ich nicht aber für eine Verteuerung der Nutzung dieser Autotypen im innerstädtischen Bereich.
Johann Riedlberger 10.09.19 11:49
verbieten, regulieren und besteuern...
Gleich im nächsten Artikel sind E-Roller an der Reihe. Auch Motorroller waren schon auf der Verbotsliste der Grünen. Ob sich wohl die "Hochzeitsgesellschaften" die öfter mit PS-Starken Fahrzeugen von sich reden machen an die Verbote halten?