Explosionskatastrophe in Beirut

alle Verdächtigen freigelassen

Der Staub steigt auf, als Teile der Getreidesilos am zweiten Jahrestag der Hafenexplosion in Beirut einstürzen. Foto: epa
Der Staub steigt auf, als Teile der Getreidesilos am zweiten Jahrestag der Hafenexplosion in Beirut einstürzen. Foto: epa

BEIRUT: Nach der Freilassung aller Verdächtigen im Fall der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut im Jahr 2020 haben Angehörige der Opfer am Donnerstag protestiert. Rund 100 aufgebrachte Menschen versammelten sich vor dem Justizpalast der libanesischen Hauptstadt, um gegen den Schritt zu demonstrieren. Sicherheitskräfte versuchten, den Protest gewaltsam aufzulösen. Mindestens drei Demonstranten wurden dabei verletzt.

Der libanesische Generalstaatsanwalt Ghassan Oweidat hatte am Tag zuvor die Freilassung aller Verdächtigen angekündigt. Die Entscheidung ist eine weitere Schlappe für die ohnehin nur schleppend laufenden Ermittlungen zu der Katastrophe. Der Ermittlungsrichter in dem Fall, Tarek Bitar, hatte Anfang der Woche Anklage gegen acht Verdächtige erhoben - darunter auch gegen Generalstaatsanwalt Oweidat.

Bitars Ermittlungen lagen zuvor mehr als ein Jahr auf Eis. Mehrere Ex-Minister, die in dem Fall beschuldigte werden, hatten Beschwerde gegen den Richter eingereicht und damit den Aufklärungsprozess weiter verzögert. Bitars Vorgänger hatte aufgrund ähnlicher Beschwerden bereits seinen Posten räumen müssen. Mehrere hochrangige Politiker sehen sich durch die Ermittlungen bedroht. Generalstaatsanwalt Oweidat kündigte am Mittwoch rechtliche Schritte gegen Bitar an.

Viele Libanesen geben der politischen Führung die Schuld an der Katastrophe und werfen ihr auch vor, Einfluss auf die Entscheidungen der Justiz zu nehmen. Richter Bitar hingegen genießt viel Vertrauen unter den Angehörigen. Der Protest, an dem sich auch Aktivisten und einige Abgeordnete des Parlaments beteiligten, ist auch als Zeichen der Unterstützung des Richters gedacht gewesen.

Bei der Explosion, die sich im August 2020 ereignet hat, waren mehr als 190 Menschen getötet und rund 6000 verletzt worden. Sie soll durch große Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat ausgelöst worden sein, die über Jahre ohne Schutzmaßnahmen im Hafen gelagert wurde. Große Teile des Hafens und der anliegenden Wohngebiete wurden durch die Detonation zerstört.

Das kleine Mittelmeerland leidet zudem unter einer heftigen Wirtschafts- und Finanzkrise. Am Donnerstag fiel die Landeswährung auf ein Rekordtief von 61.000 libanesischen Pfund für einen US-Dollar. Dieselbe Summe war vor drei Jahren noch rund 40 US-Dollar wert. Viele Libanesen sind seitdem in Armut abgerutscht.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.