Explosionen an Gas-Pipelines

Ermittler, Instrumente und ihre Grenzen

Das Nord Stream 1-Gasleck in der Ostsee, fotografiert aus einem Flugzeug der schwedischen Küstenwache. Foto: Swedish Coast Guard/dpa
Das Nord Stream 1-Gasleck in der Ostsee, fotografiert aus einem Flugzeug der schwedischen Küstenwache. Foto: Swedish Coast Guard/dpa

STOCKHOLM/BERLIN: Mehrere hundert Kilogramm Sprengstoff sollen für die Zerstörungen an den Ostsee-Pipelines gezündet worden sein. So viel steht schon fest. Anderes wird erst klar, wenn die heftig Gas abblasenden Röhren in der kommenden Woche zugänglich sind. Die Spurensuche hat begonnen.

Eine länderübergreifende Ermittlung soll Licht in die offenkundige Sabotage der Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee bringen. Drei von inzwischen vier entdeckten Lecks an den Gasröhren liegen in wenigen Kilometern Abstand zueinander, wie die schwedische Küstenwache am Donnerstag mitteilte. Aus Brüssel hieß es, die Lecks seien wohl eine gezielte Tat. «Alle derzeit verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass dies das Ergebnis vorsätzlicher, rücksichtsloser und unverantwortlicher Sabotageakte ist», hieß es in einem Statement des Nordatlantikrats der 30 Mitgliedstaaten. Ein möglicher Drahtzieher wurde nicht genannt.

Nun beginnen Ermittlungen, an denen sich auch die Deutsche Marine beteiligen soll. Sie hat den Ostseeraum im Blick und setzte zuletzt wegen der Eskalation der Spannungen mit Russland wieder verstärkt Flottendienstboote ein. Die Aufklärungsschiffe sind «Auge und Ohr» der Marine, damit der gesamten Bundeswehr und somit auch der Nato. Auch deutsche Seefernaufklärer P-3C Orion sind immer wieder über dem Gebiet unterwegs gewesen. Mit einem Magnetanomalie-Detektor können diese Flugzeuge U-Boote im Erdmagnetfeld unter dem Flugzeug erkennen. Dazu kommt die Überwachung von Land unter und über Wasser.

Die Ermittlungen haben bereits begonnen - auch ohne dass man bislang an die Lecks herankommt. EU-Kommissarin Ylva Johansson äußerte sich zuversichtlich, dass herausgefunden werden kann, wer hinter dem mutmaßlichen Sabotageakt steckt. Bislang gibt es dazu zwar nur Arbeitshypothesen, doch die Auswertung der Radar- und Satellitendaten von Booten, Schiffen und U-Booten, die sich im fraglichen Zeitraum in dem Gebiet aufhielten, läuft auf Hochtouren.

Im Blick haben die Ermittler aus Dänemark, Schweden und Deutschland beispielsweise die Frage der Reichweite, also wie weit ein Militärtaucher mit einer größeren Last maximal schwimmen könnte. Immerhin geht man davon aus, dass für die beobachteten und von Sensoren registrierten Explosionen insgesamt mehrere Hundert Kilogramm Sprengstoff verwendet wurden. Dass Sprengstoff in einer Art Kommando-Operation erst in den letzten Wochen angebracht wurden, ist mitnichten klar. Genauso könnte ein «staatlicher Akteur» Sprengsätze vor schon längerer Zeit angebracht haben - vor Monaten oder gar Jahren.

Die Herausforderung ist die Rekonstruktion der Tat in einem Gebiet, das intensiv genutzt wird. Erst im Juni hatte die Nato ihre Marine-Übung Baltops 22 in Gewässern vor der dänischen Insel Bornholm abgehalten. «Geübt wurden amphibische Operationen, U-Boot-Bekämpfung, Luftverteidigung, Luftunterstützung maritimer Operationen, Minenräumung, Kampfmittelbeseitigung sowie Tauch- und Bergungseinsätze», schreibt die Bundeswehr. Derzeit läuft in der Ostsee das Seemanöver Northern Coasts 22.

Der Sicherheitsexperte Johannes Peters vermutete am Donnerstag Russland hinter dem mutmaßlichen Sabotageakt. «Das wirkt vordergründig natürlich etwas widersinnig, die eigenen Pipelines zu zerstören», sagte der Experte vom Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel im ARD-«Morgenmagazin». Es gebe aber gute Gründe. Ein Grund sei sicherlich, ein «starkes Signal» an Europa zu senden, vor allem an Deutschland und Polen, dass man dasselbe auch mit Pipelines machen könnte, die für unsere Versorgungssicherheit deutlich wichtiger seien. Ein weiterer möglicher Grund für einen möglichen russischen Sabotageakt sei, dass man im Winter «die noch intakte Nord-Stream-2-Röhre dazu nutzen kann, um Druck auf Deutschland zu erhöhen, wenn beispielsweise der innenpolitische Druck auf die Regierung wachsen sollte, weil die Gaspreise hoch sind, weil wir vielleicht doch nicht genügend Gas haben für den Winter.»

Auch der Kreml vermutet nach eigenen Angaben einen Staat hinter der Tat und spricht von einem Terrorakt, wie Sprecher Dmitri Peskow nach Berichten russischer Nachrichtenagenturen sagte. Vermutungen westlicher Sicherheitsexperten, wonach sein Land selbst hinter dem mutmaßlichen Sabotageakt stecke, wies er als «dumm» zurück. Im Gebiet der Lecks an den Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 hätten sich weit mehr Schiffe und Flugzeuge der Nato aufgehalten als russische, betont er.

Auch der Außenminister Litauens, Gabrielius Landsbergis, sprach von einem «Terrorakt», sah allerdings als Ziel, Angst zu schüren und die Versorgung Europas mit Gas zu erschweren. Und: «All dies entspricht zumindest aus politischer Sicht der Definition eines terroristischen Aktes, die rechtliche Bewertung wird später erfolgen.»

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Derk Mielig 30.09.22 16:20
@HRB
Um die Aussagen als Zitate zu markieren, sollten sie schon dem englischen Wortlaut entsprechen. Tun sie aber nicht.
Es geht um eine PK mit Scholz und Biden. Die Fragen richten sich an beide. Es ist also nicht davon auszugehen, dass "We" wir Amerikaner/wir Deutsche bedeutet.
Z.B. auch kein Wort davon, dass man für irgendetwas eine "Methodik" hätte. Sondern, dass man es schaffen wird, gemeinsam, "we will be able do that".

We man behauptet, jemand hätte etwas gesagt, sollte man bei der Wahrheit bleiben, oder es sein lassen. Es geht hier schließlich nicht um Verschwörungs-Monopoli, sondern einen tatsächlichen Krieg, mit all seinen Folgen!
Michael Figge 30.09.22 16:10
USA verklagen
Eigentlich sollte man Präsident Biden vor einen internationalen Gerichtshof zerren. Er hat in alle Öffentlichkeit mitgeteilt das die Pipeline nicht mehr existieren wird wenn Russland die Ukraine angreift.
Das ist die Ankündigung einer (strafbaren) Handlung.
Aber wie immer darf die Weltpolizei USA alles machen was sie will und danach alles was sie verbockt auf andere abschieben. Sie glauben doch nicht im ernst das dadurch alle die A....kriecherei bei den Staaten beenden.
@ Jürgen Epke
Hansruedi Bütler 30.09.22 15:44
Wer war es?
Die Angaben von Herr Schnyder sind korrekt.
Das Video, bei welchem Biden diese Aussage vor Journalisten vorbrachte, wurde durch etliche Medienhäuser geteilt, genauso wie die polnische Gratulation (auf Twitter), zum Anschlag auf die Pipeline.
Klaus Olbrich 30.09.22 15:30
Ist doch wohl klar wer das veranlasst hat.
Eigentlich trifft die Merkel eine grosse Mitschuld!
Als Fuehrerin einer Nation wie Deutschland muss man voraus schauen koennen.
Sonst waere man falsch am Platz.
Derk Mielig 30.09.22 14:30
@Snyder
Ich hätte jetzt gerne Ihre Zitate im Internet wiedergefunden. Es ist mir nicht gelungen. Das bedeutet natürlich nicht automatisch, dass diese ein Fake wären. Aber das genügt mir, um Ihnen nicht zu glauben.
Derk Mielig 30.09.22 13:40
Nein, Herr Kerp - "ganz sicher gehen"
Da wollte einer einfach nur mal in 80-90m Tiefe kucken, was da so los ist.
Pascal Schnyder 30.09.22 13:40
Wer war es?
Am 7. Feb 2022 hat Joe biden gesagt: "wenn die Russen mit Panzern in die Ukraine gehen, werden wir Amerikaner Nord Stream 2 stoppen!" Die Journalisten fragten wie er, Joe, das denn bewerkstelligen würde. Er sagte : "Wir werden das schon schaffen, wir haben unsere Methodik!"
Dies wurde am Fernsehen ausgestrahlt, Aufzeichnungen im Netz.


Und hier für jene was sich nicht mehr erinnern:
Der folgende C-SPAN-Clip wurde 2 ½ Wochen vor Putins Invasion auf seinem Fernsehkanal „Russia Today“ ausgestrahlt. Der Moderator wies darauf hin, dass dies nur die Europäer und sonst niemanden betreffen würde. Darüber hinaus waren die Ukrainer auch nicht allzu heiß auf Nordstream, da die Ukrainer auch Pipelines durch ihr Land führen ließen. Russland hätte genug alternative Märkte und die ganze Übung würde nur der amerikanischen Kriegsindustrie dienen. Letzteres ist von Interesse, da die Rechnungen beim Zahlmeister der EU in Brüssel enden und im Gegensatz zu anderen US-amerikanischen (in-)direkten Interventionen in anderen Teilen der Welt in der Vergangenheit bezahlt würden.

Es ist jedermanns Vermutung, aber die Russen haben sicherlich nichts in die Luft gesprengt, da sie, wie gesagt, einfach das Ventil hätten schließen können!
Ingo Kerp 30.09.22 13:20
Donnerwetter, 500 kg Sprengstoff, so schätzen Experten wurden für die Loecher in den Pipelines eingesetzt. Da wollte jemand aber ganz sicher gehen, das die Roehren kaputt gehen, wer immer es war.