Richter aus vergangener Ära nicht generell parteiisch

​EuGH-Anwalt 

Ein allgemeiner Überblick über den Eingang des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. Foto: epa/Julien Warnand
Ein allgemeiner Überblick über den Eingang des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. Foto: epa/Julien Warnand

LUXEMBURG: Richter, die vor 1989 im kommunistischen Polen ins Amt kamen, müssen sich nach Ansicht eines Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofes nicht automatisch Zweifel an ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gefallen lassen. Die bloße Tatsache, dass einige Richter erstmals zu kommunistischen Zeiten in ein richterliches Amt berufen worden seien, sei für sich genommen kein Faktor, der als solcher ihre Unabhängigkeit heute in Frage stellen könne, befand Michal Bobek in Schlussanträgen zu einem laufenden Verfahren.

Insbesondere gebe es Zweifel, ob irgendjemand derzeit in der Lage sein könnte, wegen der Umstände ihrer Ernennung unzulässigen Druck auf diese Richter auszuüben - und warum diese Richter geneigt sein könnten, sich diesem Druck zu beugen.

Hintergrund des EuGH-Verfahrens ist ein anhaltender Streit unter der polnischen Richterschaft über die Legitimität einzelner Richter und ganzer Kammern - sowie über den heutigen Landesjustizrat, der diese Richter ernennt.

Polens nationalkonservative PiS-Regierung baut das Justizwesen des Landes seit Jahren trotz internationaler Kritik um und setzt Richter damit unter Druck. Die EU-Kommission klagte schon mehrfach gegen die Reformen; zum Teil wurden sie vom EuGH gekippt.

Kritiker der PiS-Regierung argumentieren, dass der Landesjustizrat kein politisch unabhängiges Gremium mehr ist, seit seine ursprüngliche Zusammensetzung 2018 mithilfe der PiS-Parlamentsmehrheit geändert wurde. Vor der Reform wurde die Mehrheit der Mitglieder des Landesjustizrates nicht vom Parlament, sondern von anderen Richtern ernannt.

In diesem konkreten Fall hatte Polens Oberster Gerichtshof, der sich mit dem Urteil eines Berufsgerichts in Breslau befasste, den EuGH angerufen. Er wollte wissen, ob die Unabhängigkeit der Kammer des Berufsgerichts gegeben ist, wenn einer ihrer Richter noch zu kommunistischer Zeit ernannt wurde.

Ein Urteil in dem EuGH-Verfahren wird in einigen Monaten erwartet. Die Einschätzung des Generalanwalts ist für die Richter nicht bindend, in vielen Fällen orientieren sie sich allerdings an dessen Schlussanträgen.

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