Ja zur Bahnfusion von Alstom mit Bombardier - Bibbern in Hennigsdorf

Foto: epa/Etienne Laurent
Foto: epa/Etienne Laurent

BRÜSSEL: Das Nein der EU-Kommission zur Bahn-Fusion von Siemens und dem französischen Konkurrenten Alstom löste im vergangenen Jahr Empörung aus. Nun können zumindest die Franzosen etwas aufatmen.

Nach der geplatzten Elefantenhochzeit mit Siemens hat der Zughersteller Alstom nun aus Brüssel die Erlaubnis zur Megafusion mit einem anderen Konkurrenten: Das französische Unternehmen darf die Zugsparte des kanadischen Konzerns Bombardier übernehmen, wie die EU-Kommission am Freitag mitteilte. Doch gelten Auflagen, und die betreffen auch Deutschland: Ein Teil der Bombardier-Produktion in Hennigsdorf bei Berlin muss verkauft werden. Zusammen beschäftigen die beiden Weltkonzerne etwa 9000 Menschen in der Bundesrepublik.

Im Februar 2019 hatte die EU-Kommission den Zusammenschluss von Alstom - bekannt vor allem als Hersteller des Hochgeschwindigkeitszuges TGV - und Siemens untersagt. Der Wettbewerb würde eingeschränkt, hieß es damals. Die Zugeständnisse der damaligen Partner hätten nicht ausgereicht. Nun machten Alstom und Bombardier Transportation so umfassende Angebote an die Brüsseler Wettbewerbshüter, dass diese Ja sagten. Ohne die Zusagen wäre auch diese Fusion wettbewerbsrechtlich bedenklich gewesen, erklärte die zuständige Kommissarin Margrethe Vestager.

So muss sich Bombardier Transportation von der Talent-3-Fernzugplattform trennen und eben auch von der Produktionsanlage für den Talent 3 in Hennigsdorf. Zudem will Bombardier seinen Projektanteil an der Kooperation für den Hochgeschwindigkeitszug V300Zefiro abgeben.

Alstom soll die Coradia-Polyvalent-Fernzugplattform und die Produktionsanlage im französischen Reichshoffen veräußern. In der Sparte Signaltechnik muss das neue Unternehmen Konkurrenten Technik und Informationen zur Verfügung stellen, um den Wettbewerb zu sichern. Die Genehmigung der EU-Kommission ist an die Bedingung geknüpft, dass die Zusagen vollständig umgesetzt werden.

Beide Unternehmen gehören zu den Weltmarktführern im Schienenverkehr. In ihren hochmodernen Zügen führen täglich Millionen Menschen in der EU, unterstrich Kommissarin Vestager. «Das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen wird künftig eine stärkere Marktstellung haben», fügte sie an. Doch bleibe dank der Zusagen der Wettbewerb erhalten, was Kunden und Verbrauchern zugute komme.

Alstom und Bombardier begrüßten Vestagers Entscheidung. Es stünden nun noch Genehmigungen anderer Wettbewerbsbehörden aus, doch solle die Übernahme spätestens Ende Juni 2021 abgeschlossen werden. Sie kostet Alstom nach Angaben vom Februar 5,8 bis 6,2 Milliarden Euro.

Ob das Geschäft allerdings auch für die Beschäftigten der beiden Konzerne aufgeht, ist aus Sicht der Gewerkschaften noch nicht ausgemacht. Sie fürchten, dass Bombardier- und Alstom-Standorte wegen der Übernahme in Gefahr sein könnten. Bombardier Transportation hat in Deutschland mehrere Werke, Alstom betreibt sein größtes Werk in Deutschland.

«Für uns geht es jetzt erst richtig los», sagte IG-Metall-Hauptkassierer Jürgen Kerner. «Die Beschäftigten verdienen Sicherheit und Klarheit. Arbeitsplätze und Standorte müssen gesichert, Mitbestimmung und Tarifstandards gewahrt bleiben werden.» Gefordert seien ein Zukunftskonzept und Zusagen möglicher Käufer von Anlagen in Hennigsdorf. Die Politik müsse den Prozess begleiten. Die Konzerne kündigten Gespräche mit Arbeitnehmervertretern an.

Wettbewerbskommissarin Vestager hatte sich nach ihrem Veto gegen die Fusion Siemens-Alstom 2019 schwere Vorwürfe anhören müssen, einen «europäischen Champion» verhindert zu haben. Damals hatten sich sowohl die Bundesregierung als auch die französische Regierung enttäuscht über die Entscheidung der EU-Kommission gezeigt.

Diesmal sprach Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire von einer «guten Nachricht» für die europäische Bahntechnikbranche. «Diese Entscheidung erlaubt eine Stärkung von Alstom und Bombardier, indem ein maßgebliches, weltweit führendes Unternehmen geschaffen wird», erklärte Le Maire.

Aus Berlin hieß es nur: «Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie nimmt die heutige Entscheidung der Europäischen Kommission zur Kenntnis. Die Zuständigkeit für die wettbewerbsrechtliche Prüfung des Zusammenschlusses lag allein bei der Europäischen Kommission.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.