BRÜSSEL: Jedes Jahr stirbt rechnerisch eine kleine Stadt auf den Straßen der EU: mehr als 20.000 Menschen. Das will die EU unter anderem durch neue Führerscheinvorgaben ändern. Für Senioren könnten weniger neue Vorgaben kommen, als manche zeitweise befürchtet hatten.
Die Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister der EU-Staaten wollen europäische Straßen sicherer machen und dafür neue Führerscheinvorgaben einführen. Am Montag kommen sie in Brüssel zusammen, damit sie ihre Position festzurren und mit dem Europaparlament in die entscheidenden Verhandlungen gehen können. Die ursprünglich von der EU-Kommission vorgeschlagenen Regeln haben in Deutschland bereits für Schlagzeilen gesorgt, einige fürchteten etwa, dass ältere Menschen künftig zu medizinischen Checks verpflichtet werden.
Dass das passiert, ist derzeit aber unrealistisch. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte bereits klargestellt, dass er verpflichtende Gesundheitschecks für Senioren ablehnt. Zugleich gibt der Vorschlag der Kommission den EU-Ländern Freiraum und erlaubt solche Pflichtuntersuchungen grundsätzlich. Die nationalen Regierungen haben also freie Wahl.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die EU-Staaten etwas daran ändern wollen und Pflichtuntersuchungen fordern, ist entsprechend gering. In zahlreichen europäischen Ländern wie etwa Irland, Luxemburg oder den Niederlanden sind Untersuchungen ab einem gewissen Alter notwendig, wie aus Angaben der Organisation European Transport Safety Council (ETSC) von 2021 hervorgeht.
Bei anderen Details könnte es aber Änderungen an dem Kommissionsvorschlag geben. So hatte die EU-Kommission im März vorgeschlagen, dass der Führerschein von Menschen über 70 alle fünf Jahre erneuert werden soll. Dabei sollte entweder eine Selbsteinschätzung zur Fahrtauglichkeit ausgefüllt oder eine ärztliche Untersuchung durchgeführt werden müssen. Theoretisch können Gültigkeitsdauer und Anforderungen diesbezüglich geändert werden.
Neben dem Umgang mit älteren Autofahrerinnen und Autofahrern stehen auch noch andere Änderungen auf der Agenda. So könnte begleitetes Fahren mit 17 Jahren EU-weit zum Standard und auch auf Lkw ausgeweitet werden. Auch eine Probezeit könnte künftig in der gesamten EU Standard sein. Aus den Vorschlägen der EU-Kommission ging auch hervor, dass unter bestimmten Voraussetzungen etwa schwerere Wohnmobile als bislang mit dem Pkw-Führerschein gesteuert werden dürften. Auch ein digitaler Führerschein fürs Handy steht zur Debatte.
Wenn sich die EU-Staaten auf eine Position geeinigt haben, muss das Vorhaben noch mit dem ebenfalls an der Gesetzgebung beteiligten Europaparlament ausgehandelt werden. Bei diesen Verhandlungen könnte es noch einige Auseinandersetzungen geben. Die im Verkehrsausschuss federführend zuständige Abgeordnete Karima Delli hatte umstrittene Verschärfungen gefordert.
Dass sich die Grünen-Politikerin aber mit Vorschlägen wie verpflichtenden medizinischen Checks, deutlichen Einschränkungen für Fahranfängerinnen und Fahranfänger oder strengeren Geschwindigkeitsbegrenzungen durchsetzt, ist derzeit nicht abzusehen. Das Parlament hat seine Position noch nicht festgelegt. Einen ersten Stimmungstest dürfte es Donnerstag geben, wenn im Verkehrsausschuss des Parlaments über die Reform der Führerscheinrichtlinie abgestimmt wird.