EU-Gipfel verhandelt über Eurozonen-Reform

berät Brexit-Fahrplan

Foto: epa/Julien Warnand
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BRÜSSEL (dpa) - Bis tief in die Nacht hat es gedauert, bis der Klima-Kompromiss beim EU-Gipfel stand. Die Themen des zweiten Gipfeltags sind nicht weniger schwierig.

Nach dem heftigen Ringen um die Klimabeschlüsse haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen am Freitag beim EU-Gipfel an einem Minimalkompromiss bei der Reform der Eurozone gearbeitet. Sowohl beim Ausbau des Euro-Rettungsschirms ESM als auch bei der Stärkung des europäischen Bankensystems sollten die Finanzminister die Detailarbeiten weiterführen, hieß es in einem zurückhaltend formulierten Entwurf der gemeinsamen Erklärung.

Außerdem wollten die Staats- und Regierungschefs über das Ergebnis der britischen Parlamentswahl beraten. Merkel, EU-Ratschef Charles Michel und andere Spitzenpolitiker gratulierten dem britischen Premierminister Boris Johnson zum deutlich Wahlsieg seiner Tories.

Michel machte aber auch klar, dass nun möglichst rasch Klarheit in London geschaffen werden müsse: «Wir erwarten die Abstimmung des britischen Parlaments über das Austrittsabkommen so schnell wie möglich.» Die Ratifizierung des Brexit-Vertrags zwischen der EU und Großbritannien war bislang mehrmals im britischen Unterhaus gescheitert. Künftig werden die Tories eine satte Mehrheit haben - dem EU-Austritt Ende Januar dürfte also nichts mehr im Wege stehen.

Bei der Eurozone forderten die Staats- und Regierungschefs ihre Minister nun dazu auf, die Reform des ESM bald abzuschließen. Der ESM, der den 19 Euro-Staaten gehört, verlieh in der Vergangenheit vor allem Milliardenkredite gegen Spar- und Reformauflagen an pleitebedrohte Staaten. Er soll künftig bei Bankenpleiten eine stärkere Rolle spielen. Zudem soll er nicht mehr nur in höchster Not, sondern schon bei ersten Anzeichen von Krisen besser tätig werden können. In Italien gab es zuletzt wegen innenpolitischer Querelen noch Vorbehalte gegen die ESM-Reform.

Bei den Arbeiten an der sogenannten Bankenunion blieb der Entwurf der Gipfel-Erklärung noch zurückhaltender. Dabei geht es vor allem darum, ein gemeinsames Sicherungssystem für Sparguthaben zu schaffen.

Am Vortag hatten sich Merkel und ihre Kollegen in der Klima-Debatte verhakt. Nach stundenlangen Verhandlungen einigten sie sich grundsätzlich auf das Ziel eines klimaneutralen Europas bis 2050 - allerdings mit einer Ausnahme für Polen. Klimaneutralität bedeutet, dass der Ausstoß von Treibhausgasen vermieden oder durch Speicherung neutralisiert werden muss. Erforderlich ist dafür ein kompletter Umbau von Energieversorgung, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft und die Abkehr von Kohle, Öl und Gase.

Tschechien, Ungarn und Polen hatten zu Gipfel-Beginn Widerstand geleistet. Alle drei Länder sind abhängig vom wenig klimafreundlichen Energieträger Kohle. Sie bestanden auf klare Zusagen für finanzielle Hilfen. Tschechien forderte zudem, Kernkraft als grünen Strom anzuerkennen. Dagegen wehrten sich vor allem Luxemburg, Österreich und auch Deutschland. Im Gipfel-Beschluss heißt es nun, einige Staaten hätten darauf hingewiesen, dass sie Atomkraft in ihrem Energiemix hätten. Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis wertete dies als «riesigen Erfolg».

Auch Ratschef Michel, für den es der erste Gipfel in seinem neuen Amt war, war zufrieden: «Ich bin sehr erfreut über das Ergebnis», sagte er am Freitag. Kanzlerin Merkel bezeichnete den Kompromiss als «großen Fortschritt».

Neben dem Klimabeschluss hatten sich die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag auf eine Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland bis Ende Juli 2020 verständigt - trotz der Wiederbelebung des Friedensprozesses für die Ostukraine. Grund für die Entscheidung ist, dass es bislang unklar ist, ob es wirklich zu Fortschritten kommt. Die EU hatte die Handels- und Investitionsbeschränkungen trotz Milliardenverlusten für heimische Unternehmen zuletzt im Juni bis zum 31. Januar 2020 verlängert. Sie sollen nun weitere sechs Monate gelten.

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