Einreisebeschränkungen für die meisten Ausländer sollen bleiben

​Maas: Grenzschließungen in Europa nicht mehr ohne Abstimmung

Eine Hostess, die eine Gesichtsmaske trägt, führt die Passagiere am Flughafen Orly in der Nähe von Paris. Foto: epa/Christophe Petit Tesson
Eine Hostess, die eine Gesichtsmaske trägt, führt die Passagiere am Flughafen Orly in der Nähe von Paris. Foto: epa/Christophe Petit Tesson

BRÜSSEL: Reisende aus Kanada sollen dürfen, US-Amerikaner nicht: Die EU-Staaten treffen eine heikle Entscheidung über die wegen der Corona-Pandemie verhängten Reisebeschränkungen. Droht ein Sturm der Empörung?

Die EU-Länder wollen die wegen der Corona-Pandemie verhängten Einreisebeschränkungen für Menschen aus den USA und zahlreichen anderen Drittstaaten vorerst aufrechterhalten. Lediglich Menschen aus 14 Ländern sollen vom 1. Juli an wieder normal in einreisen dürfen, wie die Deutsche Presse-Agentur am Montag nach Einleitung eines entsprechenden Beschlussverfahrens von EU-Diplomaten erfuhr.

Konkret sind das Algerien, Australien, Georgien, Japan, Kanada, Marokko, Montenegro, Neuseeland, Ruanda, Serbien, Südkorea, Thailand, Tunesien und Uruguay. China soll nur dann berücksichtigt werden, wenn es im Gegenzug auch Einreisebeschränkungen für Europäer aufhebt. Nicht mit dabei sind neben den USA auch andere große Länder wie Indien, Brasilien, Russland und Südafrika.

Mit einer offiziellen Bekanntgabe des Beschlusses wird am Dienstag gerechnet. Dass die erforderliche Mehrheit der EU-Staaten zusammenkommt gilt als sicher, weil sonst das schriftliche Verfahren für den Beschluss nicht eingeleitet worden wäre.

Entscheidend für die Lockerung der Einreisebeschränkungen ist nach der Beschlussvorlage künftig vor allem die Zahl der Covid-19-Neuinfektionen im Zeitraum der vergangenen 14 Tage. Zudem sollen unter anderem der Trend im gleichen Zeitraum sowie der Umgang des jeweiligen Staates mit der Pandemie eine Rolle spielen.

Konkret ist vorgesehen, dass die Zahl der Neuinfektionen innerhalb der vergangenen zwei Wochen pro 100.000 Einwohner «nahe an oder unter 16» liegen soll - also so wie der EU-Durchschnitt. Der Trend neuer Fälle im gleichen Zeitraum soll im Vergleich zu den vorherigen 14 Tagen «stabil oder abnehmend» sein. Beim Umgang der Staaten mit Covid-19 sollen Maßnahmen zur Kontaktverfolgung von Infizierten, die Zahl von Tests und Eindämmungsbemühungen eine Rolle spielen.

Reisende aus stark von der Corona-Pandemie betroffenen Ländern bleiben demnach erst einmal außen vor. So wurden in Ländern wie Russland oder Südafrika nach Daten der EU-Gesundheitsbehörde ECDC in den vergangenen 14 Tagen zum Beispiel 60 bis 120 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner registriert. Für Länder wie die USA und Brasilien wurde am Montagnachmittag sogar ein Wert von 120 oder mehr Fällen angegeben. Angaben zum Trend macht die Übersicht nicht.

Um die Entwicklung der Infektionszahlen zu berücksichtigen, sollen die Einreisebeschränkungen in regelmäßigen Abständen - zum Beispiel alle zwei Wochen - überprüft werden. Einbezogen werden soll auch die Frage, ob EU-Bürger in den jeweiligen Drittstaat reisen dürfen. So gilt in China zum Beispiel trotz vergleichsweise geringer Infektionszahlen noch immer eine Einreisesperre für Ausländer.

Zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie hatten sich Mitte März alle EU-Staaten außer Irland sowie die Nicht-EU-Staaten Schweiz, Norwegen, Liechtenstein und Island darauf geeinigt, nicht zwingend notwendige Reisen in die EU zunächst zu verbieten. Der Einreisestopp war mehrfach verlängert worden und gilt derzeit bis Ende Juni.


Maas: Grenzschließungen in Europa nicht mehr ohne Abstimmung

BERLIN: Bundesaußenminister Heiko Maas schließt nicht aus, dass einzelne Grenzen in Europa bei einem drastischen Anstieg der Corona-Infektionen wieder geschlossen werden müssen. Er betont aber, dass dies nicht wieder ohne Abstimmung passieren dürfe. «Es ist nicht auszuschließen, dass man Grenzen wieder dicht machen muss, wenn das Infektionsgeschehen in einer bestimmten Region der EU deutlich höher ist als in einer anderen», sagte der SPD-Politiker in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Das müsse dann allerdings gesamteuropäisch koordiniert werden.

Zu Beginn der Corona-Pandemie hatten viele EU-Mitgliedstaaten - auch Deutschland - Grenzen im Alleingang geschlossen. Inzwischen sind fast alle Grenzen in der Europäischen Union und im grenzkontrollfreien Schengen-Raum wieder offen. Einzige Ausnahmen sind Norwegen und Finnland, die ihre Grenzen erst Mitte Juli wieder öffnen wollen.

«Europa hat in dieser Krise viel dazugelernt, über unsere Defizite, aber auch über unsere Stärken», betonte Maas. «Wir haben die Koordinierung verbessert und einander solidarisch Hilfe geleistet, in einem Tempo und einer Dimension, die es so noch nie zuvor gegeben hat.»

Deutschland übernimmt am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft. Maas betonte, dass die Erwartungen der 26 anderen Mitgliedstaaten sehr hoch seien und sich durch die Pandemie noch einmal verstärkt hätten. «Wir müssen die Europäische Union gestärkt aus der Krise herausführen», betonte er.

Die drei wichtigste Zielen sind für Maas die Einigung auf das milliardenschwere Corona-Wiederaufbauprogramm und die EU-Finanzen bis 2027, den erfolgreichen Abschluss der Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien und die gemeinsame Positionierung Europas in der Großmächtekonkurrenz zwischen den USA, China und Russland. «Wir haben nur dann eine Chance, uns in diesem Umfeld zu behaupten, wenn wir dies zusammen als Europäer tun. Sonst werden wir zum Spielball von anderen», sagte Maas.

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