EU bringt im Fall Nawalny Sanktionen auf den Weg

Foto: Pixabay/Dimitris Vetsikas
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LUXEMBURG: Die Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny mit einem Nervenkampfstoff hat in ganz Europa für Entsetzen und Empörung gesorgt. Die EU will nun reagieren. Aus Moskau kommen Drohungen.

Die EU bringt nach dem Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny neue Russland-Sanktionen auf den Weg. Die Außenminister der Mitgliedstaaten einigten sich am Montag bei einem Treffen in Luxemburg darauf, die notwendigen Vorbereitungen zu starten, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach den Beratungen bestätigte.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte als einer der Initiatoren der Sanktionen, er sei sehr froh über die große Geschlossenheit der EU. Sie sei gerade bei einem so schwerwiegenden Verbrechen und einem Verstoß gegen das Chemiewaffen-Übereinkommen außerordentlich wichtig.

Deutschland und Frankreich hatten zuvor gemeinsam EU-Strafmaßnahmen wegen des Anschlags mit einem militärischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe vorgeschlagen. Sie begründeten den Schritt damit, dass Russland Aufforderungen zu einer lückenlosen Aufklärung der Tat bislang nicht nachgekommen sei.

Bislang sei von Russland keine glaubhafte Erklärung zu dem grausamen Mordversuch geliefert worden, hatte es in einer Erklärung von Maas und seinem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian geheißen. Daher sei man der Ansicht, «dass es keine andere plausible Erklärung für die Vergiftung von Herrn Nawalny gibt als eine russische Beteiligung und Verantwortung».

Die Strafmaßnahmen sollen nach dem Vorschlag auf Einzelpersonen abzielen, «die aufgrund ihrer offiziellen Funktion als verantwortlich für dieses Verbrechen und den Bruch internationaler Rechtsnormen gelten, sowie auf eine Einrichtung, die in das Nowitschok-Programm eingebunden ist». Details wurden bislang nicht genannt.

Die geplanten EU-Sanktionen könnten nun auch den Druck auf die Bundesregierung mindern, einen Baustopp für die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 zu verfügen. Vor allem deutsche Oppositionspolitiker hatten einen solchen Schritt zuletzt gefordert. Regierungspolitiker reagierten wegen der großen wirtschaftlichen Auswirkungen und möglichen Schadenersatzforderungen von beteiligten Unternehmen aber zurückhaltend.

Der russische Kreml-Kritiker Nawalny war am 20. August während eines Inlandsflugs in Russland zusammengebrochen. Nach einer Notlandung in der sibirischen Stadt Omsk wurde er auf Drängen seiner Familie in die Berliner Charité verlegt. Der 44-Jährige hat das Krankenhaus mittlerweile verlassen, ist aber noch nicht vollständig genesen und macht in der deutschen Hauptstadt eine Reha-Maßnahme.

Nawalny vermutet, dass der russische Präsident Wladimir Putin hinter dem Giftanschlag auf ihn steckt. Der Kreml weist solche Schuldzuweisungen allerdings als «absolut nicht zulässig» zurück. Die Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage, sagte Sprecher Dmitri Peskow.

Auf die Sanktionsankündigung wurde ebenfalls scharf reagiert. Moskau werde mit Gegenmaßnahmen antworten, sagte der prominente russische Außenpolitiker und Senator Wladimir Dschabarow am Montag der Agentur Interfax. «Wir halten das Vorgehen unserer sogenannten europäischen Partner für absolut unverantwortlich, denn sie führen Sanktionen wegen einer Angelegenheit ein, für die es kein Gerichtsurteil gibt.» Es gebe keine Beweise und keine Dokumentation. Sanktionen seien so ansteckend wie Covid-19, sagte Dschabarow weiter.

Die Grundlage für neue Strafmaßnahmen legten die EU-Außenminister am Montag mit der einjährigen Verlängerung des Chemiewaffen-Sanktionsregimes der EU. Es war 2018 eingeführt worden und führte unter anderem dazu, dass die zwei höchsten Führungskräfte des russischen Militärgeheimdienstes mit Einreiseverboten und Vermögenssperren belegt werden konnten. Dem Chef und dem Vizechef des GRU wird vorgeworfen, für den Gebrauch von Nervengift bei dem Anschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal verantwortlich zu sein. Zudem wurden auch Sanktionen gegen die beiden Agenten verhängt, die den Anschlag im britischen Salisbury mutmaßlich ausgeführt haben sollen.

Bei dem Anschlag im britischen Salisbury waren im März 2018 der frühere Doppelagent Skripal und seine Tochter Julia schwer vergiftet worden. Die Täter nutzten dabei ein Mittel, das dem einst in der Sowjetunion entwickelte Kampfstoff Nowitschok entspricht. Spätestens nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gelangte das Gift auch in den Besitz westlicher Länder. Nach britischen Ermittlungen steckte der russische Militärgeheimdienst GRU hinter dem Anschlag auf Skripal. Die Regierung in Moskau streitet allerdings jegliche Verantwortung ab. Mit Nowitschok wurde nach Ergebnissen mehrerer Laboruntersuchungen nun auch Nawalny vergiftet.

Bereits seit 2014 sind gegen Russland scharfe EU-Strafmaßnahmen wegen des Ukraine-Konflikts in Kraft. Dazu zählen auch Handels- und Investitionsbeschränkungen, die trotz Milliardenverlusten für heimische Unternehmen zuletzt immer wieder verlängert wurden.

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Leserkommentare

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TheO Swisshai 13.10.20 20:55
@Bernd Wendland / Westliche Kreise
Wenn es nicht die Russen waren, dann müsste der russische Geheimdienst die wahren Schuldigen eigentlich schon lange gefasst haben

1. Sind die Russen ja anscheinend so gut, dass Ihrer Meinung nach gar nie etwas schief laufen kann.
2. Ist der Giftanschlag in Russland passiert, wo der Kreml u. Putin-Kritiker vom angeblich so perfekten FSB sicherlich während 24 Std.pro Tag überwacht wurde. ( wenn nicht Nawalny denn wer sonst? )

Da der FSB die Schuldigen jedoch bis jetzt noch nicht gefunden haben, sind die Russen entweder doch nicht so gut wie Sie hier behaupten, oder selbst in die Sache verwickelt. So oder so ist inzwischen klar und offensichtlich, dass uns die Russen etwas verschweigen/verheimlichen, nämlich entweder das Versagen ihrer Geheimdienste, oder deren Beteiligung am Anschlag.


Bernd Wendland 13.10.20 17:52
Sanktionen -- endlich am Ziel aller Wünsche!
Wenn der böse Wladimir Wladimirowitsch seinen Kontrahenten hätte ins Nirwana schicken wollen, wäre dies bereits geschehen, als der Regimekritiker jüngst im fernen Osten des Landes weilte. Dann würde er sich die sibirischen Radieschen längst von unten anschauen -- und "Aus die Maus". Es wäre doch ein leichtes gewesen, ihm eine ausreichende Menge des Giftes in den Tee zu schütten. Es sieht vielmehr danach aus, dass westliche Kreise ihn damit "angefüttert" haben, um die Vergiftung genüsslich ausschlachten und Nawalny weiterhin zetern lassen zu können. Den US-Konzernen kommt es doch sehr gelegen, wenn das Projekt "Nord Stream" den Bach hinunterströmt und die "Amis" stattdessen ihr mit der umweltschädigenden Fracking-Methode gefördertes Gas in die willfährige EU liefern können. Und unser Minister Mittel-Maas fährt voll darauf ab, was nicht wunder nimmt, so er schon bei seiner juristischen Ausbildung nicht durch geistige Höchstleistungen auffiel. Und von seiner Chefin kann man ohnehin nur blanken Putin-Hass erwarten, spätestens seit an einer Unterredung der beiden Staatenlenker auch Putins Hund teilnehmen durfte, wo "Mutti" doch soviel Angst vor diesen Vierbeinern hat.
Ingo Kerp 13.10.20 13:07
Es wäre ein einfaches von RUS, die Sanktionen abzuwehren. Man müßte nur eine Aufklärung in RUS betreiben und Fakten und Indizien anbieten. Lediglich protestieren und negieren reicht eben nicht.