ISTANBUL: Erstmals seit Jahren wird dem inhaftierten PKK-Führer Öcalan im türkischen Gefängnis Besuch gestattet. Ist das der Auftakt zu einem neuen Friedensprozess?
Der in der Türkei inhaftierte Führer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK hat erstmals seit Jahren Besuch empfangen dürfen. Öcalan gehe es gut, schrieb der Abgeordnete der prokurdischen Partei Dem und Neffe Öcalans, Ömer Öcalan, nach seinem Besuch im Gefängnis auf der Insel Imrali auf der Plattform X. Der Dem-Politiker zitierte den PKK-Führer mit dem Satz: «Wenn die Bedingungen gegeben sind, habe ich die theoretische und praktische Kraft, diesen Prozess von der Ebene des Konflikts und der Gewalt auf eine politische und rechtliche Ebene zu bringen.»
Der Besuch ereignete sich kurz nachdem die Ultranationalisten der Partei MHP überraschend eine mögliche Freilassung Öcalans thematisiert hatten. Die MHP ist Regierungspartner von Präsident Recep Tayyip Erdogan. MHP-Chef Devlet Bahceli hatte dies jedoch an eine Entwaffnung der Terrororganisation geknüpft. Erdogan sprach danach von einer «historischen» Gelegenheit. Beobachter werten dies als ein Zeichen für den eventuellen Beginn eines neuen Friedensprozesses zwischen Regierung und PKK. Der letzte Versuch war 2015 gescheitert.
Anschlag mit fünf Toten
Welche Auswirkungen der Anschlag mit fünf Toten in Ankara am Mittwoch auf eine etwaige Neuaufnahme haben wird, ist offen. Die türkische Regierung brachte die PKK damit in Verbindung und ließ noch in der Nacht Ziele der Organisation in Syrien und im Irak angreifen.
Die Anwälte Öcalans beklagen seit langem, dass ihnen der Zugang zu ihrem Mandanten verwehrt werde. Der letzte Kontakt zu Öcalan, der in Isolationshaft sitzt, war laut seiner Anwältin Raziye Öztürk ein kurzes Telefonat im März 2021. Der PKK-Führer sitzt seit 1999 in Haft. Die Organisation kämpft seit den 1980er Jahren gegen den türkischen Staat. Sie wird von Ankara, der Europäischen Union und den USA als Terrororganisation eingestuft.