Erste Hamilton-Show im Abendrot: Klar vor Verstappen

Formel-1-Grand-Prix von Abu Dhabi. Foto: epa/Ali Haider
Formel-1-Grand-Prix von Abu Dhabi. Foto: epa/Ali Haider

ABU DHABI: Erst ist Verstappen vorn, dann Hamilton. In die Quere kommen sie sich nicht. Die Teamchefs reichen sich die Hände, Kuschelkurs in Abu Dhabi. Die Ruhe vor dem Sturm, vermuten viele. Die Formel 1 steht vor der spannenden Entscheidung zwischen den Giganten.

Max Verstappen ist im Abendrot von Abu Dhabi unter Rennbedingungen nicht mal in die Nähe von Lewis Hamilton gekommen. Der britische Formel-1-Superstar betrieb am Freitagabend schon mal die perfekte Unfall-Prävention vor dem Showdown des Knallhart-Duells mit Crash-Gefahr. 0,641 Sekunden trennten Hamilton im Mercedes im schnelleren zweiten Freien Training von Verstappen im Red Bull.

Aber Vorsicht! «Das war okay», sagte Hamilton spürbar zufrieden. Er geht aber davon aus, dass es letztlich «supereng» wird. Auf einer Runde fehle etwas die Pace, haderte Verstappen. Auf der Distanz gesehen seien sie aber gut dabei.

Zwischen den beiden landeten im Training am frühen Abend auf dem Yas Marina Circuit noch überraschend Ungarn-Überraschungssieger Esteban Ocon im Alpine und Valtteri Bottas. Der Finne kann vor seinem Weggang von Mercedes zum mitentscheidenden Bodyguard für seinen hochdekorierten Teamkollegen werden.

Ob die Zeiten und Platzierungen die tatsächlichen Kräfteverhältnisse auf dem Kurs in den Vereinigten Arabischen Emiraten widerspiegeln, ist offen. Hamilton wollte sie nicht überbewerten, Verstappen verfiel alles andere als in Panik. Bleibt es aber so, bleibt Verstappen trotz der besseren Ausgangsposition im WM-Klassement gegenüber dem punktgleichen Hamilton nur die Abteilung Vollattacke im Rennen.

Wenn Hamilton vor ihm und in den Punkten ins Ziel kommt, ist der 36 Jahre alte Brite der alleinige Rekordweltmeister der Motorsport-Königsklasse. Verstappen, der so nah dran war, wäre gescheitert und auch nach sieben Jahren in der Formel 1 weiter titellos. Mehr Spannung geht nicht. Mehr Spannungen gehen auch nicht, selbst wenn die Teamchefs von Red Bull am Freitag im Fahrerlager nach Wochen der Anfeindungen und Vorwürfen auf Kuschelkurs gingen und sich zwischen den beiden Einheiten die Hände reichten.

Bei der ersten fuhr Verstappen vorneweg, in der wichtigeren zweiten war Hamilton nicht zu bremsen. «Großartig», fühle er sich. Die Qualifikation am Samstag und das Rennen am Sonntag werden zur gleichen Zeit gestartet (jeweils 17.00 Uhr Ortszeit/14.00 Uhr MEZ/Sky).

Wenn die Temperaturen leicht abkühlen, wird es also heiß im letzten Akt des 22-teiligen Titeldramas dieser Saison. Beim ersten Wiedersehen nach der jüngsten Eskalationsstufe in Dschidda herrschte zwischen den beiden Piloten links und rechts der WM-Trophäe auf roten Stühlen in der Pk zum Großen Preis von Abu Dhabi Eiszeit, frostiger als die Klimaanlage, befand die «Daily Mail». Und alle im Fahrerlager treibt die Frage um: Geht das gut? Geht das ohne Crash?

Nur 1974 reisten zwei Fahrer schon mal punktgleich zum letzten Rennen. 369,5 Zähler haben Verstappen und Hamilton, das macht die Rechnung ebenso einfach wie brisant: Scheiden beide zum Beispiel aus, ist Verstappen dank mehr Saisonsiegen (9:8) der neue Weltmeister. «Eine Sache ist sicher: Hamilton hat mehr Angst vor Verstappen als umgekehrt», befand der «Telegraaf» aus Verstappens Heimat Niederlande.

«Max kann Lewis nicht einfach von der Strecke rammen», sagte Rennleiter Michael Masi aber bereits der britischen «Daily Mail». Was passiert, wenn doch, machte er in seinen Anmerkungen sogar vor dem Fahrerbriefing deutlich. Strafen, auch Punktabzug.

Wer hat sich am besten unter Kontrolle? Verstappen steht vor dem ersten Titelgewinn seiner Karriere, die ihn mit 17 Jahren schnurstracks in Formel 1 führte. Gepriesen wurde er als Jahrhunderttalent, eingebremst aber auch durch sein bisweilen ungezügeltes Temperament. Bis heute.

Hamilton steht vor dem hollywoodreifen Finale einer Saison mit Kollisionen, Beleidigungen und Vorwürfen vor dem historischen nächsten Titel, mit dem er an Michael Schumacher vorbeiziehen würde.

«Was immer notwendig» ist, will Verstappen nach eigener Aussage unternehmen, um sich zu krönen. Die Sache mit den Unfall sei ein Ding der Medien, findet er allerdings. Der Kompromisslos-Pilot fühlt sich als Opfer und Benachteiligter durch die Rennkommissare, die Leute würden nicht wollen, dass er gewinne. Was andere dürften, würde bei ihm bestraft. «Realitätsverlust», kommentierte Ex-Pilot und Sky-Experte Ralf Schumacher.

Der Blick auf die jüngsten Rennen zeigt, wie der Sohn des ehemaligen Piloten Jos Verstappen auf der Strecke agiert: Grenzwertig und manchmal darüber hinaus.

Verstappen gegen Hamilton, das ist aber auch Red Bull gegen Mercedes. Ein Kampf der Rennstall-Regime. Die beiden Teams machen seit 2010 die Titel unter sich aus. Red Bull triumphierte noch mit Sebastian Vettel 2010, 2011, 2012 und 2013. Seitdem ist Silberpfeil-Zeit. Seitdem gewann Hamilton sechsmal die WM, nur einmal wurde er geschlagen. 2016 triumphierte am Ende der Saison Nico Rosberg - in Abu Dhabi übrigens.

Längst hat der aktuelle Zweikampf das Zoffduell der beiden damaligen Teamkollegen weit überboten. Es ist ein schmutziges, ein Duell bisweilen über dem Limit. In Silverstone, in Monza und zuletzt in Saudi-Arabien kollidierten beide. Außerhalb gifteten sich die Teambosse monatelang gegenseitig an. Ruhepuls gefühlt im dreistelligen Bereich. Daran wird auch der demonstrative Handschlag vor dem Showdown nichts ändern.

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