BERLIN/FRANKFURT: Im Luftverkehr werden Streiks einzelner Beschäftigtengruppen immer unwahrscheinlicher. Erneut hat ein Schlichter einen festgefahrenen Tarifkonflikt entschärft. Doch ein Problem bleibt ungelöst.
Im Luftverkehr ist nach einem streikträchtigen Frühjahr die Gefahr weiterer Arbeitsniederlegungen deutlich gesunken. Seit Montag liegt für die rund 25.000 Luftsicherheitskontrolleure eine Schlichtungsempfehlung vor, die von Arbeitgebern und den Gewerkschaften mitgetragen wird. Sie steht noch unter dem Vorbehalt einer Zustimmung der jeweiligen Gremien, für die laut der Gewerkschaft Verdi bis Dienstagmittag eine entsprechende Erklärungsfrist läuft. Die Annahme gilt als wahrscheinlich.
In der Nacht zum Montag hatte der frühere Bremer Finanz-Staatsrat Hans-Henning Lühr (SPD) nach dreitägigen Verhandlungen die unterschiedlichen Positionen entweder ausgeklammert oder unter einen Hut gebracht. Die von sämtlichen Tarifparteien besetzte Schlichtungskommission hat dem Vorschlag einstimmig zugestimmt. Neben Verdi hat auf der Arbeitnehmerseite auch der «dbb Beamtenbund und Tarifunion» teilgenommen.
Der Schlichterspruch sieht für die Beschäftigten Gehaltserhöhungen in drei Stufen zwischen 13,1 und 15,1 Prozent in einem Zeitraum von 15 Monaten vor, wie der Arbeitgeberverband BDLS berichtete. Der Tarifvertrag soll bis Ende März 2025 laufen. Die Arbeitskräfte sind bei privaten Dienstleistern angestellt, die an den Flughäfen außerhalb Bayerns die Passagiere, Fracht und Personal kontrollieren.
Die Stundenlöhne steigen je nach Berufsgruppe um Beträge zwischen 1,85 und 2,90 Euro, wie die Tarifpartner mitteilten. Verdi hatte für einen Zeitraum von 12 Monaten eine Steigerung um 2,80 Euro verlangt. Ab dem 1. Januar 2025 bekommen die Beschäftigten an den Passagierkontrollen einen Stunden-Grundlohn von 23,30 Euro, an den allgemeinen Zugangskontrollen zum Flughafengelände sind es dann nach einer überproportionalen Steigerung 22,39 Euro pro Stunde.
Überraschend wurde das besonders strittige Thema der Mehrarbeitszuschläge ausgeklammert. Schlichter Lühr sah sich Teilnehmern zufolge nicht in der Lage, die weit auseinanderklaffenden Vorstellungen zu vereinen. Nun soll zum Jahresende neu verhandelt werden. Verdi hatte kritisiert, dass nach den geltenden Regeln allein die Arbeitgeber von den Flexibilitätsreserven profitierten. Die Vorschriften gelten nun zunächst weiter.
Schlichter Lühr wies laut Verdi auf ein Verfahren beim Bundesarbeitsgericht hin, in dem voraussichtlich im September eine entscheidende Frage höchstrichterlich geklärt werden soll. Es geht in dem Prozess um die Auslösegrenze für Mehrarbeitszuschläge, die in dem aktuellen Fall bei der Lufthansa Cityline für Teilzeitkräfte nicht anteilig abgesenkt ist. Der Europäische Gerichtshof sieht darin eine diskriminierende Schlechterstellung der Teilzeitbeschäftigten, wenn diese auch erst ab der für Vollzeitkräfte geltenden Grenze Zuschläge erhalten.
Nach Zahlen des Flughafenverbands ADV haben die Warnstreikwellen in der Luftsicherheit rund eine halbe Million Passagiere in Mitleidenschaft gezogen. Im Wechsel mit Streiks und Warnstreiks bei der Lufthansa fiel so im Frühjahr eine Vielzahl von Flügen aus. ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel begrüßte die erfolgreiche Schlichtung mit Erleichterung. Er sagte: «Obwohl die Flughafenbetreiber nicht Tarifpartei sind, waren sie mittelbar von den ausufernden Warnstreiks betroffen. Jetzt können Reisende wieder beruhigt ihre Flüge buchen. Zumindest an den Luftsicherheitskontrollen ist die Streikgefahr gebannt.»
Verdi hatte bereits vor Ostern für das Lufthansa-Bodenpersonal den Schlichterspruch des Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und des früheren Arbeitsagenturchefs Frank-Jürgen Weise angenommen. Noch offen sind bei der Lufthansa die Verhandlungen mit der Gewerkschaft Ufo für das Kabinenpersonal, das ebenfalls bereits gestreikt hat. Die Gespräche waren am vergangenen Freitag nach konstruktivem Verlauf auf diese Woche vertagt worden.