Endspiel in WM-Affäre am 9. März

Heftige Kritik von Zwanziger

Foto: epa/Federico Gambarini
Foto: epa/Federico Gambarini

FRANKFURT/MAIN (dpa) - Seit 2015 bemüht sich die Schweizer Justiz darum, Licht ins Dunkel des Skandals der Fußball-WM 2006 zu bringen. Nun müssen sich vier ehemalige Top-Funktionäre auf den letzten Drücker vor Gericht verantworten.

Nach jahrelang schleppenden Ermittlungen kommt es in der Sommermärchen-Affäre um die Fußball-WM 2006 zum juristischen Endspiel. Das Schweizer Bundesstrafgericht eröffnet am 9. März das Hauptverfahren gegen die früheren DFB-Funktionäre Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt sowie Ex-FIFA-Generalsekretär Urs Linsi. Geplant sind zunächst zwölf Verhandlungstage. Dem Quartett wird ungetreue Geschäftsbesorgung vorgeworfen. Als Zeugen sind der damalige WM-Organisationschef Franz Beckenbauer, Ex-FIFA-Boss Sepp Blatter und Günter Netzer geladen.

Spätestens am 27. April muss ein erstinstanzliches Urteil gefällt werden, weil sonst die Verjährung eintritt. Der renommierte Schweizer Strafrechtler Mark Pieth hatte der Bundesanwaltschaft und dem Bundesstrafgericht wegen des entstandenen Termindrucks unlängst sogar «Schlamperei» vorgeworfen.

Ursprünglich hatte die Schweizer Bundesanwaltschaft Ex-DFB-Präsident Zwanziger, dem früheren DFB-Generalsekretär Schmidt und Linsi Betrug in Mittäterschaft vorgeworfen. Niersbach wurde die Gehilfenschaft zu Betrug angelastet. Diese Anklagepunkte wurden auf Einladung des Gerichts, das ein erstes Zeitfenster für die Verhandlung im Januar deshalb verstreichen ließ, nun von der Bundesanwaltschaft abgeschwächt.

Nach Ansicht von Zwanziger genügt die erweiterte Anklageschrift dennoch in keiner Weise den gesetzlichen Anforderungen. «Es wird eine Geschichte abgeliefert, die man als Märchenerzählung bewerten muss», sagte der frühere DFB-Boss der Deutschen Presse-Agentur. Es fehle an jeder rechtlichen Auseinandersetzung der «tatsächlichen Annahmen mit den Rechtsvorschriften des Betruges und der ungetreuen Geschäftsbesorgung».

Das Vorgehen der Bundesanwaltschaft kritisierte Zwanziger als «anmaßend, unfair und willkürlich». Sie habe im Ermittlungsverfahren von Beginn an eine faire Aufklärung verweigert, das Verfahren hinausgezögert und Verfahrensrechte der Angeklagten ausgehöhlt.

Zudem äußerte der 74-Jährige Zweifel an der Zuständigkeit. «Die Rolle der Schweizer Bundesanwaltschaft ist durch absolute Respektlosigkeit vor dem deutschen Recht geprägt», sagte Zwanziger. «Sie inszeniert ihre Macht und missbraucht sie zugleich.»

Gegen das beschuldigte Quartett wurde in Deutschland bereits seit 2015 wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt. Ende August 2019 hatte das Oberlandesgericht Frankfurt eine Anklage zugelassen. Zwanziger wies darauf hin, dass die gleiche Handlung in strafrechtlicher Hinsicht nicht zweimal verfolgt werden könne.

In beiden Verfahren geht es um die weiterhin nicht geklärten Zahlungen von umgerechnet 6,7 Millionen Euro aus den Jahren 2002 und 2005. Beckenbauer hatte 2002 vom Unternehmer Robert Louis-Dreyfus einen Kredit in dieser Höhe erhalten. Das Geld floss im Anschluss auf Konten des damaligen FIFA-Funktionärs Mohammed Bin Hammam, der in dem Verfahren weder als Beschuldigter noch als Zeuge auftaucht. Die Rückzahlung an Louis-Dreyfus drei Jahre später wurde von einem DFB-Konto über die FIFA abgewickelt.

«Wir haben uns nichts vorzuwerfen und den DFB nicht geschädigt», sagte Zwanziger. «Der Verband sieht das genauso.» Dies gehe aus einer DFB-Stellungnahme an das Bundesstrafgericht vom 2. Februar dieses Jahres hervor. Auch Niersbach hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und als «völlig haltlos» bezeichnet.

Ob Beckenbauer als Zeuge in Bellinzona erscheinen wird, ist fraglich. Das Verfahren gegen den «Kaiser» war im Juli vergangenen Jahres aus Rücksicht auf dessen Gesundheitszustand abgetrennt worden. Das Bundesstrafgericht behält sich daher eine Einvernahme Beckenbauers per Videokonferenz vor. Gleiches gilt für Netzer. Der frühere Vertraute des verstorbenen Adidas-Chefs Louis-Dreyfus ist in dem Fall bislang nicht befragt worden.

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