Astronauten starten wieder von den USA aus zur ISS

Foto: Pixabay/Wikiimages
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CAPE CANAVERAL: Neun Jahre ist es her, dass die USA zuletzt selbst Astronauten zur Internationalen Raumstation geschickt haben. Seitdem kratzt die Abhängigkeit von Russland am Ego. Nach Problemen und Verzögerungen soll es jetzt wieder einen Start geben - mit vielen Premieren.

Es ist eine der ironischen Wendungen der Weltgeschichte: Zu ihrem wohl teuersten Bauwerk haben die US-Amerikaner ohne die Russen seit Jahren keinen Zugang mehr. Nur russische Sojus-Raumschiffe transportierten noch Astronauten zur hauptsächlich von den USA finanzierten Internationalen Raumstation (ISS). Damit soll nun Schluss sein: Nach knapp neunjähriger Pause sollen am Mittwoch (27. Mai) erstmals wieder Astronauten von den USA aus zur ISS starten.

Das sei der Beginn einer «neuen Ära von amerikanischer Führungsstärke im All», sagte US-Vizepräsident Mike Pence. Zuletzt waren im Sommer 2011 Astronauten mit der Raumfähre «Atlantis» von der Abschussrampe 39A des Weltraumbahnhofs Cape Canaveral zur Raumstation geflogen. Danach mottete die US-Raumfahrtbehörde Nasa ihre Space-Shuttle-Flotte aus Kostengründen ein und war für Flüge zur ISS seither auf Russland angewiesen. Das war mit bis zu 80 Millionen Euro pro Flug in einer russischen Sojus-Kapsel nicht nur teuer, sondern kratzte auch mächtig am Ego.

«Die bedeutendste Nation der Welt sollte bei der Raumfahrt nicht auf irgendein anderes Land angewiesen sein», hatte der damalige Nasa-Chef Charles Bolden 2014 gesagt - und eigene Flüge für 2017 angekündigt. Im Zuge technischer Probleme, Finanzierungsschwierigkeiten und Umstrukturierungen nach der Wahl von US-Präsident Donald Trump wurde das Projekt immer weiter aufgeschoben.

Neben SpaceX war auch Boeing damit beauftragt worden, Transporter für Astronauten zu entwickeln. Der von Boeing entwickelte «Starliner» schaffte es allerdings bei einem ersten Versuch im Dezember nicht zur ISS. Der unbemannte Test soll nun wiederholt werden. Bis dahin ruhen alle Hoffnungen auf dem Raumschiff «Crew Dragon» der privaten Raumfahrt-Firma SpaceX, wie Nasa-Chef Bridenstine deutlich macht. «Diese Mission hat für die Vereinigten Staaten eine hohe Priorität.»

Los geht es nach derzeitigem Plan am 27. Mai um 22.32 Uhr (MESZ) von der Abschussrampe 39A. Die Astronauten starten nicht an Bord eines Raumschiffs der Nasa, sondern in deren Auftrag mit einer «Falcon 9»-Rakete und dem «Crew Dragon» - mitten in der Corona-Pandemie, in der Unternehmen nur eingeschränkt arbeiten können und Zuschauer nicht zugelassen werden. Hohen Besuch wird es trotzdem geben: US-Präsident Trump hat sich angekündigt. Und für all diejenigen, die den Start von zu Hause verfolgen wollen, haben die Nasa und Einrichtungen wie beispielsweise das American Museum of Natural History in New York Livestreams und ausgiebige Online-Begleitung geplant.

Im «Crew Dragon» sollen die Nasa-Astronauten Robert Behnken (49) und Douglas Hurley (53) sitzen, beide Veteranen des Space-Shuttle-Programms. «Es ist wahrscheinlich der Traum von jedem Schüler einer Testpilotenschule, mit einem brandneuen Raumschiff zu fliegen», sagte Behnken jüngst bei einer Pressekonferenz. «Und ich habe das große Glück, so eine Chance zu haben.» Einen Tag später sollen die beiden Astronauten an der ISS ankommen und dann rund einen Monat bleiben - deutlich länger als geplant, denn die Raumstation ist derzeit mit nur drei Raumfahrern - den beiden Russen Anatoli Iwanischin und Iwan Wagner sowie dem Nasa-Astronauten Christopher Cassidy - zu knapp besetzt.

Das Ganze sei ein Test, der «letzte Flugtest» des «Crew Dragon», betont die Nasa. «Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren», sagt Nasa-Chef Jim Bridenstine. «Wir machen das, um Dinge zu lernen. Und wir nehmen es sehr, sehr ernst in Hinblick auf Sicherheit.» Wenn alles nach Plan verläuft, soll es noch in diesem Jahr einen weiteren Start eines «Crew Dragon» geben, der dann vier Astronauten zur ISS bringen soll.

Für Wirbel sorgte unterdessen kurz vor dem Test noch eine Personalie bei der Nasa: Douglas Loverro, Chef des bemannten Raumfahrtprogramms, kündigte vergangene Woche überraschend - nach nur rund sechs Monaten auf dem Posten. Das habe nichts mit dem SpaceX-Test zu tun, hieß es zwar von der Nasa. Eine genaue Erklärung lieferten aber weder Loverro noch die Raumfahrtbehörde.

Russland wird den Teststart mit Spannung verfolgen - Kosmonauten sind aber nicht mit an Bord. In den vergangenen Jahren flogen mit der Sojus gemischte Besatzungen ins All, davor aber Amerikaner und Russen jeweils mit ihren eigenen Raumschiffen. Ohnehin giften sich der Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Dmitri Rogosin, und der Boss von SpaceX, Elon Musk, gerne mal öffentlich an.

Mit den privaten US-Shuttles sollen künftig auch Touristen und andere Interessenten zur ISS gebracht werden, hatte die Nasa im vergangenen Jahr angekündigt. Die USA tragen den Großteil der laufenden Kosten für die ISS von mehreren Milliarden Euro jährlich. Die Gesamtkosten für Aufbau und Betrieb der Station belaufen sich nach Schätzungen bereits auf weit über 100 Milliarden Euro.

Auch für Roskosmos geht es nicht zuletzt um das Geld, das die Behörde in den letzten Jahren an dem Shuttle-Service für Astronauten verdiente - und in andere Projekte wie die Erforschung des Mondes stecken konnte. Das Unternehmen will nun künftig verstärkt etwa mit der Türkei, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammenarbeiten. Raumfahrer aus diesen Ländern könnten mit russischen Raketen ins All aufbrechen.

Rogosin will die Starts seiner Raketen günstiger und damit wettbewerbsfähiger machen. Die Kosten sollten um mehr als 30 Prozent sinken, kündigte er vor wenigen Wochen an. Dies sei eine Reaktion «auf das Preisdumping amerikanischer Unternehmen, die aus dem US-Haushalt finanziert werden».

Zu Ostern legte Musk bei Twitter nach: Im Gegensatz zu den russischen seien seine Raketen zu 80 Prozent wiederverwertbar. Rogosin konterte: Auch Russland entwickele bereits Raketen, die mehr als nur einmal eingesetzt werden könnten. Diese würden dann aber effizienter als die amerikanischen sein. Ein Start liegt allerdings noch in weiter Ferne.

Bei der Raumfahrt klappte die Zusammenarbeit zwischen Moskau und Washington abseits vieler anderer Konflikte bislang gut. Kremlchef Putin lobte das auch, als er sich im April per Video auf die ISS schaltete - um dann allerdings auch zu erwähnen, dass Russland seine «strategischen Pläne» im All vorantreiben wolle. «Unser Land war schon immer ein Vorreiter bei der Erforschung des Universums.»

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