Chinesische Soldaten lösen Besorgnis aus

​Zwei deutsche Studenten in Hongkong wieder auf freien Fuß

Symbolfoto: epa/Wu Hong
Symbolfoto: epa/Wu Hong

HONGKONG (dpa) - In T-Shirts und kurzen Hosen verlassen chinesische Soldaten ihre Kaserne und helfen bei Aufräumarbeiten. Ihre Garnison spricht von einer «gemeinnützigen Tat». Die Opposition dagegen ist entsetzt. Erneut kommt es zu schweren Zusammenstößen.

Ein Auftritt chinesischer Soldaten auf den Straßen Hongkongs hat Unruhe in der Sonderverwaltungsregion ausgelöst. Erstmals seit Beginn der Proteste gegen die Regierung vor mehr als fünf Monaten verließen die Soldaten ihre Kaserne für einen Einsatz. Bilder zeigten unter anderem, wie sie am Samstag eine Straßenblockade räumten. Am Abend und am Sonntag kam es zu neuen schweren Ausschreitungen. Sicherheitskräfte setzten Tränengas, Gummigeschosse und Wasserwerfer ein, Demonstranten schossen mit Pfeil und Bogen auf einen Polizisten und verletzten ihn am Bein.

Auf einem Video des Lokalsenders RTHK war zu sehen, wie Männer der chinesischen Volksbefreiungsarmee am Samstag unbewaffnet in kurzen Hosen und T-Shirts Steine und andere Objekte von der Straße in der Nähe der Hongkong Baptist University räumten, die zuvor von Demonstranten besetzt worden war. Andere Videos zeigten, wie Soldaten mit roten Eimern in der Hand in Reih und Glied durch die Straßen joggten. Dutzende Soldaten beteiligten sich an den Aufräumarbeiten.

Der ungewöhnliche Aufräumeinsatz fand große Beachtung, weil es unter einigen Hongkongern seit Monaten Befürchtungen gibt, dass China sein Militär nutzen könnte, um die Proteste in der Stadt niederzuschlagen. Nach den monatelangen Demonstrationen in Hongkong hatte Chinas kommunistische Führung zuletzt zwar angedeutet, den Griff zu verstärken. Eine militärische Niederschlagung der Proteste halten die meisten Beobachter dennoch für unwahrscheinlich, weil China dafür international geächtet würde. Stattdessen sollen Hongkongs Regierung und die Polizei aus Sicht Pekings für Ordnung sorgen.

Mehr als 10 000 Soldaten der Volksbefreiungsarmee sind seit der Rückgabe der britischen Kronkolonie 1997 an China in Hongkong stationiert. Nach unbestätigten Berichten soll die Truppenstärke heimlich aufgestockt worden sein. Nach geltendem Recht könnte Hongkongs Regierung die Zentralregierung in Peking um militärische Hilfe bitten, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen oder nach Katastrophen zu helfen. Eine solche Anfrage habe es am Samstag jedoch nicht gegeben, teilte die Hongkonger Regierung mit.

Wie die Zeitung «South China Morning» berichtete, verurteilten Abgeordnete der Opposition den Einsatz scharf und forderten von der Regierung Aufklärung. Die Garnison der Volksbefreiungsarmee in Hongkong teilte mit, dass es sich um eine «gemeinnützige Tat» gehandelt habe. Die Soldaten wollten lediglich Anwohnern dabei helfen, die Straßen in der Nähe der Kaserne aufzuräumen. Auf Videos ist zu sehen, wie einige Menschen den Soldaten applaudieren.

Die Volksbefreiungsarmee war schon in der Vergangenheit ohne ausdrückliches Hilfegesuch in Hongkong ausgerückt. So halfen 400 Soldaten im vergangenen Jahr bei der Beseitigung von Schäden durch den Taifun «Mangkhut», wie lokale Medien berichteten.

Auch an anderen Orten begannen Hongkonger am Samstag damit, die Spuren der Proteste der vergangenen Tage zu beseitigen. Hunderte von Anwohnern räumten in der Nähe der University of Hongkong (HKU) Trümmer von den Straßen. Am Samstagabend und am Sonntag gab es erneut schwere Ausschreitungen. Ein Polizist, der für Medienarbeit zuständig ist, wurde mit einem Pfeil ins Bein geschossen. Radikale Demonstranten setzten schon in den vergangenen Tagen immer wieder Pfeil und Bogen ein. Es war aber das erste Mal, dass jemand dabei verletzt wurde.

Die Behörden kündigten an, dass Schulen und Kindergärten am Montag weiter geschlossen bleiben sollten, da vermutet wurde, dass die Stadt am Montag erneut lahmgelegt wird. In der vergangenen Woche hatte Hongkong die gewaltsamsten Zusammenstöße seit dem Ausbruch der Proteste gegen die Regierung am 9. Juni erlebt. Die ganze Woche über blockierten Demonstranten Straßen und sorgten so für erhebliche Verzögerungen im Berufsverkehr. Anders als zuvor konzentrierten sich die Proteste nicht mehr nur auf das Wochenende, sondern auf Werktage.

Erstmals wurden auch viele Hochschulen der Stadt zu Brennpunkten, wo sich Studenten verschanzten und es zu teilweise heftigen Kampfszenen zwischen Polizisten und radikalen Demonstranten kam. Zwei bei den Protesten festgenommene deutsche Studenten wurden nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Samstag wieder auf freien Fuß gesetzt. Auch die «South China Morning Post» berichtete darüber.

Die beiden 22 Jahre alten Austauschstudenten der Lingnan Universität waren demnach am Freitag wegen der Teilnahme an einer «illegalen Versammlung» festgenommen worden, nachdem sie in einer Gruppe von 50 etwa Studenten weggelaufen waren. Einer der Studenten soll demnach auch gegen das Vermummungsverbot verstoßen haben.

Die Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungsregion richten sich gegen die Regierung. Die Demonstranten fordern freie Wahlen, eine unabhängige Untersuchung von Polizeibrutalität sowie Straffreiheit für die bereits weit mehr als 4000 Festgenommenen. Auch der Rücktritt von Regierungschefin Carrie Lam gehört zu ihren Forderungen.

Zwei deutsche Studenten in Hongkong wieder auf freien Fuß

Zwei bei den Protesten in Hongkong festgenommene deutsche Studenten sind wieder frei. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurden sie am Samstag wieder auf freien Fuß gesetzt. Auch die «South China Morning Post» berichtete über die Freilassung. Die beiden 22 Jahre alten Austauschstudenten der Lingnan Universität waren demnach am Freitag wegen der Teilnahme an einer «illegalen Versammlung» festgenommen worden, nachdem sie in einer Gruppe von 50 etwa Studenten weggelaufen waren. Einer der Studenten soll demnach auch gegen das Vermummungsverbot verstoßen haben.

Das Auswärtige Amt hatte bestätigt, die beiden Deutschen konsularisch zu betreuen. Nach einem Bericht der «Bild»-Zeitung soll es sich bei ihnen um Austauschstudenten einer Kunsthochschule handeln, an der es zuletzt Ausschreitungen gab. Die seit mehr als fünf Monaten anhaltenden Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungsregion richten sich gegen die Regierung: Die Demonstranten kritisieren unter anderem den wachsenden Einfluss Chinas auf die ehemalige Kronkolonie.

Polizist mit Pfeil getroffen

In Hongkong ist es am Sonntag erneut zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas, Gummigeschosse und einen Wasserwerfer ein. Radikale Demonstranten schossen mit Pfeil und Bogen. Ein für Medienarbeit zuständiger Polizist wurde dabei von einem Pfeil getroffen. Auf Fotos von dem Vorfall war zu sehen, wie das Geschoss im Bein des Beamten steckte. Auch bauten einige Demonstranten Katapulte, mit denen sie Brandsätze abfeuerten.

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