Eine Hochzeit im Isaan

Qualvoller Lotossitz: Eine halbe Ewigkeit fühlt sich die buddhistische Zeremonie für den ungeübten Farang an.
Qualvoller Lotossitz: Eine halbe Ewigkeit fühlt sich die buddhistische Zeremonie für den ungeübten Farang an.

Ein Freund aus der Heimat findet Gefallen an einer Cousine meiner Frau und ist entschlossen, sie zu heiraten. Das Hochzeitsfest soll im Weiler der Großfamilie im Isaan stattfinden, wo ich vor Jahren den Quantensprung vom Junggesellen zum „Sami“ (Ehemann) geschafft habe.

Damit er nicht dauernd in Fettnäpfchen tritt, bat er mich, den Aublauf und die Rituale etwas zu erläutern. Also fasste ich meine persönlichen Erfahrungen zu einem kleinen Bericht zusammen und half ihm mit ein paar Tipps aus.

Der Auftakt

Bei meiner Feier tauchte eine Stunde vor dem Aufbruch zum Elternhaus von Nin eine Gruppe Ladyboys im Hotel auf, die sich liebevoll der versammelten Damenwelt aus meinem Umfeld annahm und sie bis zur Unkenntlichkeit verzauberte. Mich verschonten sie, wahrscheinlich in der Befürchtung, dass die Verzauberung zu lange dauern würde und der Erfolg ohnehin zweifelhaft sei. Stattdessen hatte mir Nin einen Anzug aus goldglänzender Thai-Seide zurechtgelegt. Ich sah darin aus wie Elton John in seinen besten Jahren.

Der Wagenkorso hielt auf einem Parkplatz, von dem ein Kiesweg zum Haus der Schwiegereltern führte, wo ein Teil der Hochzeitsgesellschaft bereits auf uns wartete. Die Damen waren in farbenprächtige, leuchtende Seide gehüllt. Alle Männer trugen schwarze Hosen unter einer Ausnahme: Ein großgewachsener Australier hatte sich in den Festzug verirrt: Er trug Bermudas mit einem Blumenmuster, die seinen gewaltigen Bauch umspannten. Er war wohl auf der falschen Hochzeit gelandet, doch aus lauter Höflichkeit wagte es niemand, ihn darauf aufmerksam zu machen.

Auf ein Zeichen von unbekannter Hand begann das Orchester zu spielen und es ging mit „Dschingdarassa“ durch Reisfelder und Palmenhaine zum Haus der Braut. Die Sonne war gnädig und versteckte sich hinter einem dünnen Wolkenband. Dennoch schwitzte ich in meinem Elton-John-Kostüm fürchterlich, das mich zudem überall zwickte. Vor dem Haus kam der Korso ins Stocken, die Menge teilte sich und bildete einen Kreis, der eine Lücke freiließ, durch die eine außerirdisch wirkende Lichtgestalt mit suchendem Blick bauf mich zutrat: Das war die Braut und sie meinte tatsächlich mich.

Ich wusste: Küssen ist in Asien in der Öffentlichkeit tabu. In Bollywood-Filmen nähern sich die Gesichter nur an und dann: „Cut!“ Nin nahm mich an die Hand und führte mich über den Hof in einen festlich geschmückten Raum. Dort saßen etwa ein Dutzend ältere Thais und schauten uns erwartungsvoll an.

Die Schamanin

Eine feingliedrige Frau um die fünfzig erhob sich und machte eine einladende Handbewegung auf den Boden hin, der mit dünnen Strohmatten ausgelegt war. Nin kniete sich mit vollendeter Grazie hin, ich tat dasselbe, kam aber nur mit einem Knie wirklich auf dem Boden an, der Anzug spannte zu sehr, dennoch ich hielt die Balance. Nun umfasste sie unsere Hände, legte ihre eigenen drauf und stimmte mit geschlossenen Augen einen monotonen Singsang an, der offenbar eine rituelle Bedeutung hatte, deren Sinn mir aber verborgen blieb. Ich vermutete aber, dass sie die Ehe segnen und die Geister gnädig stimmen wollte. Sie hatte ein freundliches, von tiefen Furchen gezeichnetes Gesicht und schaute uns ununterbrochen lächelnd an, wobei sich ihr Mantra wie ein schützender Kokon um uns zu legen schien. Ich geriet in einen tranceähnlichen, schwerelosen Zustand und fühlte mich nur noch durch das eine Knie geerdet, wo sich offenbar ein hinterhältiger Dämon einen Spaß daraus machte, es tröpfchenweise mit siedendem Blei auszugießen.

Plötzlich ebbte der Singsang der Schamanin ab. Sie schaute uns nochmal durchdringend an, langte nach einem Bündel Reisig, das sie kurz in ein mit Wasser gefülltes Gefäß tauchte und besprengte uns damit. Nin erhob sich mit derselben Grazie, mit welcher sie sich hingekniet hatte. Ich versuchte  auch irgendwie hochzukommen, es erinnerte wohl an die Art und Weise, wie frisch geworfene Kälber ihre ersten Stehversuche machen.

Selfie für alle

Wir verließen den Festsaal und gingen in den Hof, der sich inzwischen in eine Freiluftküche verwandelt hatte. Die riesigen Töpfe und Pfannen glänzten blank gescheuert in der Mittagssonne. Die Deckel kamen mir irgendwie bekannt vor. Waren das nicht dieselben, mit denen das Orchester beim Einzug den bösen Geistern den Garaus gemacht hatte...? Natürlich war mir bewusst: Nur ein Farang kann sich über solche Details wundern. Doch das war erst der Anfang. Denn ich hatte bis dahin noch keine Gelegenheit, die Hochzeitstafel in Augenschein zu nehmen, da wir erst ein Gewitter über uns ergehen lassen mussten. Das ganze Dorf hatte sich mit Handys und Kameras bewaffnet und blitzte uns gnadenlos ab. Denn in Thailand ist eine Hochzeit für die Gäste in erster Linie ein Fototermin: Vielleicht wollten sie mit den Fotos sicherstellen, dass das, was sie mit eigenen Augen gesehen hatten, auch tatsächlich stattfand und dass sie selbst dabei waren. Davon zeugten jedenfalls die hundertfachen Selfies mit dem Brautpaar.

Im Kreise der heiligen Männer

Irgendwann stellte sich mir die Frage: War es das jetzt mit der Schamanin...? Sind wir jetzt verheiratet...? Hatte Nin nicht mal einen Mönch erwähnt, der vom nahen Tempel zur Zeremonie einbestellt wurde...? Die Antwort erfolgte zugleich: Ich musste mich bloß umdrehen und einen Blick in die gute Stube werfen, die wir nur wenige Minuten zuvor verlassen hatten. Dort saßen nun neun Männer in safrangelben Kutten. Ich rätselte: Wo waren die bloß hergekommen...? Können sich buddhistische Mönche „beamen“...?

Wir machten kehrt und gingen zurück, schließlich lässt man heilige Männer nicht warten. Inzwischen hatten sich dort noch mehr Menschen versammelt, vorwiegend ältere Thais und ein paar Kinder, die im Halbkreis um die Mönche saßen. Wir durften vor der safrangelben Kurie des Ortes Platz nehmen. Oder war es vielleicht die heilige Inquisition, die über diesen Farang zu Gericht sitzen wollte, weil er die unerhörte Ansicht hatte, die schönste Frau des Landes zu heiraten...?

Zu ihren Füßen reihten sich bronzefarbene Schüsseln mit verschiedenen Speisen und neben jeder stand eine große Flasche Cola. Der Mönch in der Mitte, der sich später als Vorsteher zu erkennen gab, hatte sie schon zur Hälfte ausgetrunken, man konnte sein Lieblingsgetränk schon an seiner Leibesfülle erkennen. Nach einiger Zeit des andächtigen Schweigens kam Leben in die Männer. Der Mönch am oberen Ende des Halbkreises hatte einen weißen Baumwollknäuel in der Hand und reichte das Ende der Schnur an seinen Nachbar weiter, bis alle miteinander verbunden waren. Wohl ein symbolischer Lebensfaden. Nun begann der monotone Sprechgesang, wie ich ihn in den buddhistischen Tempeln bereits bei anderen Zeremonien gehört hatte: „Nam... nam... nahm... anjaaam...nam... neam... anjaaam...naaaaaam...!“

Kommen die Töpfe und Pfannen etwa auch beim Orchester zum Einsatz? Details, über die nur ein Farang grübeln kann.
Kommen die Töpfe und Pfannen etwa auch beim Orchester zum Einsatz? Details, über die nur ein Farang grübeln kann.

In weiser Voraussicht hatte ich mich diesmal nicht hingekniet, sondern saß im Lotossitz vor den Mönchen, bemerkte dann aber, dass die Füße auf der glatten Seide keinen Halt hatten und allmählich wegrutschten. Beim tausendsten „naaaahm“ zuckte mein linker Fuß in einer reflexartigen Bewegung nach vorne – ausgerechnet in Richtung der Mönche! Denn man muss wissen, dass der Fuß im Buddhismus zu den unreinen Körperteilen gehört und niemals in Richtung einer Buddhastatue oder eines Mönchs ausgestreckt werden darf. Aber da war er nun, zeigte respektlos auf den Abt und schämte sich kein bisschen dafür!

Jetzt hatte die Stunde des Schwiegervaters geschlagen. Er tippte mir mit den Fingern auf die Schulter und wies mit seiner schmalen, von lebenslanger Fronarbeit gegerbten Hand auf meinen Fuß, den ich umständlich aber trotzdem umgehend zurückzog. Schließlich gab ich den Lotossitz auf und kniete mich ebenfalls hin. Doch wie bereits zuvor bei der Zeremonie mit der Schamanin schliefen meine Knie unfriedlich ein. Nachdem das letzte „niaaaaahmmm...“ verklungen war, erhob sich Nin mühelos, während ich immer noch damit zu tun hatte, aufzustehen. Immerhin war ich jetzt verheiratet!

Das Highlight

Nun stand der schönste Teil der Zeremonie an: Die symbolische Verbindung des Brautpaares mit den Hochzeitsgästen. Dabei wird der Braut und dem Bräutigam von jedem einzelnen Gast mit einem goldenen Kännchen geweihtes Wasser über die Fingerspitzen geträufelt und anschließend ein weißes Bändchen um das Handgelenk gebunden. Das Wasser symbolisiert den Neubeginn als Paar und das Band die Verbundenheit mit den Gästen. Denn in Thailand versteht man sich von diesem Tag an als eine Art Schicksalsgemeinschaft aller Beteiligten. Es war ein eindrückliches Ritual, das mich sehr berührt hat.

Natürlich gab aber auch etwas zu lachen: Plötzlich tauchte der Australier in Bermudashorts wieder auf. Als er an der Reihe war, das Baumwollbändchen um das Handgelenk der Braut zu binden, gab es ein Problem. Jeder einzelne seiner Finger war dicker als ihr Handgelenk, der Faden entglitt ihm immer wieder, wobei er erst leise, dann immer lauter fluchte. Nach mehreren vergeblichen Versuchen warf er entnervt das Handtuch – bzw. den Faden – und verschwand. So mussten wir uns mit der traurigen Gewissheit abfinden, uns nicht mit ihm verbunden zu fühlen...

Während der Zeremonie herrschte eine sehr entspannte und friedliche Stimmung im Raum. Die Gäste unterhielten sich im Flüsterton, die Kinder verfolgten neugierig alles, was sich vor ihnen erbot, selbst ein paar streunende Hunde versammelten sich am Eingang und starrten mucksmäusestill auf die Hochzeitsgesellschaft. Dann krähten irgendwo Kampfhähne in ihren Ringkäfigen. Das war das Zeichen zum Aufbruch, das Festmahl erwartete uns.

Das Festmahl

Im Hof zwischen Holz- und Strohhütten ging es festlich zu. Dienstbare Geister hatten einen Baldachin aus grünen Plastikplanen errichtet, Girlanden in allen Farben umschlangen die Stützpfeiler und flatterten im Wind. In einer Ecke wurde schon fleißig unter freiem Himmel gekocht. Dampf und Rauch vermischten sich über den rußgeschwärzten Töpfen, in denen zwei Köchinnen mit riesigen Holzkellen in einem Sud rührten. Es roch nach Tom Yam Kung, Pad Thai und traditionellen IsaanSpezialitäten.

Kaum hatten wir an einem der Gartentische Platz genommen, eilte der Bierkellner herbei. Er stellte einen großen Eimer mit Bierflaschen und Eiswürfeln auf den Tisch, machte den Wai und verschwand wieder. Nachdem sich alle gesetzt hatten, ließ ich meinen Blick über die Festgesellschaft wandern. Fantastisch herausgeputzte Thai-Schönheiten saßen in langen Abendroben zwischen den Strohhütten und ausrangierten landwirtschaftlichen Geräten. Ihre zierlichen Füße steckten in farbigen Pumps, mit denen sie erstaunlich sicher über den Kiesboden stöckelten. Die Männer passten da schon eher in diese rustikale Kulisse. Hemdsärmlig hockten sie am Tisch, ein Bier in der Hand, schicksalsergeben. Hochzeit ist hier Frauensache!


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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Tondidi 26.06.21 09:10
Erinnerung
Diese schoene Erzaehlung erinnert mich sehr stark an meine eigene Isan-Dorfhochzeit 2010.
Nach dem Festmahl sassen dann alle Gaeste noch zusammen, bis der Alkohol alle war. So gegen 15.00 Uhr war die Hochzeit vorbei, und meine Frau und ich zogen ganz schnell die wunderschoenen, aber steifen und kratzigen Hochzeitskostueme aus und bequeme Alltagskleidung wieder an.
Es war ein Fest, an das wir bis heute tolle Erinnerungen haben.
Thomas Knauer 25.06.21 18:10
Brautgeld gibt es auch im Isaan nur für junge Frauen ohne Ex und Kinder.
Es handelt sich bei uns in der Familie immer um Summen zwischen 10 und 20 Mio Thb, wird wie schon geschrieben medienwirksam präsentiert und am Ende der Feier der Bank zurück gegeben. Die Kosten der Feier wird nach Abzug der Summe die in den diversen Umschlägen zwischen den Familien von Braut und Bräutigam geteilt. Es wird immer mit den Einladungen ein Umschlag für das Geld versendet der namentlich gekennzeichnet ist.
Was mir gut gefällt hier wird nicht zwischen Thai und Farang unterschieden, einzig bei der Zeremonie muss kein Farang auf dem Boden sitzen. Gemeinsam mit den Senioren der Familie habe ich immer einen Platz auf einem Stuhl oder Sofa.
Unterhalt für irgendjemand entfällt für den Farang, bin wahrscheinlich einer der finanziell schwächsten der Familie.
Norbert Kurt Leupi 20.06.21 14:00
SIN SOD ( das Brautgeld )
Ganz neutral betrachtet ist das Brautgeld eine Geld und / oder eine Sachleistung ,die bei der Hochzeit den Eltern übergeben wird. Dabei können die Sachleistungen auch Grundstücke mit oder ohne Haus oder Goldketten und Ringe sein ! ( bei Chinesen mit Diamanten und Riesensummen an Bath ! ) Dies geschieht meistens sehr aufwendig und in einem feierlichen Rahmen . Dabei wird das Geld , man könnte sagen medienwirksam auf blumengeschmückten Platten " serviert " . Das ganze Dorf soll es ja sehen und die erbrachte Leistung würdigen . Dieses , nebst anderen Gründen , ist es ,warum es das Brautgeld gibt ! " Dem Gesicht machen " ! Bei Unzufriedenheit - Geld zurück ? Das gibts nicht , zumindest nicht in Thailand !