Ein Tempelgong

übersetzt von Dr. Christian Velder
Inpan ist ein fleissiger Mann. Er liebt seine Frau sehr. Er sorgt für sie, damit ihr ja nichts zustossen möge. Jeden Morgen geht er schon früh aufs Feld, um zu pflügen.

Während er den Pflug durch die Furchen führt, sehen die Dorfbewohner etwas, was sie lieber nicht gesehen hätten, dass nämlich die Frau sich unterdessen auf andre Weise vergnügte. Schliesslich hinterbrachten sie Inpan, was sie gesehen:

"Deine Frau treibt es mit einem Mönch aus dem Tempel, weisst du das, oder weisst du es nicht?”

"Wie kann das sein – ist es wahr – oder?”

"Es ist die Wahrheit!”

Am nächsten Morgen zog Inpan wieder hinaus aufs Feld mit seinem Pflug, wie gewohnt. Aber als er bei seinem Acker angekommen war, pflockte er seinen Büffel an und liess ihn grasen. Dann schlich er sich zum Dorfe zurück.

"Schwester, Schwester, öffne mir die Tür”, rief er zum Hause hinauf.

"Bruder – warum kommst du denn schon zurück?”

Tatsächlich war jener Mönch bereits oben im Hause.

"Ich habe meine Zigaretten vergessen.”

"Eh... einen Augenblick... gleich bring’ ich sie dir hinunter.”

"Wie denn das? Sie liegen doch ganz oben auf dem Regal!”

Die Frau liess den Mönch schnell in einen grossen runden Bambuskorb mit Baumwolle klettern und legte eine flache Worfelplatte aus Geflecht auf die Öffnung, so dass der Korb dicht verschlossen war.

Als der Mann den Baumwollkorb mitten im Halbdunkel der Stube stehen sah, fragte er:

"Was ist denn das für ein Korb?”

"Es liegt ein Gong darauf, ein Mönch hat ihn hier abgegeben, das siehst du doch, oder?”

"Eh... ich will hören, wie er klingt, wenn ich ihn anschlage.”

Inpan war empört. Ein Mönch hatte es gewagt, sich zwischen ihn und seine Frau zu drängen. Mit der Faust schlug er auf den Korbdeckel, und das klang wie Rede und Antwort so:

Pak – uy... pak – uy...

Der Gast im Korbe ertrug’s nicht mehr, machte sich frei und sprang, mit der Worfelplatte seine Blösse deckend, in langen Sätzen davon, während Inpan ihm mit dem Prügel zum Abschied noch einen Knuff und einen Puff auf den Weg mitgab.

Als die Jungmönche ihn unter seinem Korbdeckel gebückt zum Tempeltor hereinschleichen sahen, riefen sie:

"Eine Schildkröte, eine Schildkröte!”

Ein Schildkrötenmann, der sich fast das Genick gebrochen hätte!

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