Ein Sportwagen als Mordwaffe?

Prozess nach Raser-Unfall

Zwei Autos stehen nach einem Zusammenprall am Straßenrand. Bei dem Zusammenstoß sind in Stuttgart zwei Menschen ums Leben gekommen. Foto: Kohls/Sdmg/dpa
Zwei Autos stehen nach einem Zusammenprall am Straßenrand. Bei dem Zusammenstoß sind in Stuttgart zwei Menschen ums Leben gekommen. Foto: Kohls/Sdmg/dpa

STUTTGART (dpa) - Ein junger Mann drückt voll aufs Gaspedal seines Sportwagens und rast durch die Stuttgarter Innenstadt. Am Ende prallt der Jaguar gegen einen Kleinwagen, zwei Menschen sterben. Nun muss sich der Fahrer wegen Mordes verantworten.

Nach einem tödlichen Raser-Unfall muss das Landgericht Stuttgart entscheiden, ob ein junger Autofahrer wegen zweifachen Mordes verurteilt werden kann. Ein Sportwagen als Mordwaffe, Geschwindigkeitsrausch als Motiv? Eine heikle Anklage.

Was ist damals passiert?

In einer Nacht im vergangenen März rast der nun angeklagte 20-Jährige am Steuer eines gemieteten Jaguar-Sportwagens in einer Tempo-50-Zone mit mehr als 160 Stundenkilometern auf eine Kreuzung zu. Er verliert bei einem Ausweichmanöver die Kontrolle über sein Auto und prallt gegen einen stehenden Kleinwagen. Zwei Menschen sterben: ein 25-jähriger Mann aus Kaarst (Nordrhein-Westfalen) und dessen 22-jährige Freundin. Beide waren erst kurz zuvor nach Stuttgart gezogen.

Worauf stützt sich die Anklage?

Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen fahrlässiger Tötung gegen den 20-Jährigen ermittelt, der selbst unverletzt geblieben war. Entscheidend für das Hochstufen auf eine Mordanklage war ein Gutachten zur Geschwindigkeit. Die Auswertung des Bordcomputers ergab, dass der Fahrer das Gaspedal kurz vor dem Unfall bis zum Anschlag durchgedrückt hatte. Trotz unklarer Verkehrslage sei der junge Mann mit Vollgas auf eine Kreuzung zugefahren. Nur vom Zufall sei abhängig gewesen, ob es zum Zusammenstoß kommen würde, sagte die Staatsanwältin am Mittwoch. Der Jaguar-Fahrer habe den Tod anderer zumindest billigend in Kauf genommen.

Ist das abwegig?

Nicht unbedingt; zunehmend wertet die deutsche Justiz Autorennen oder Raserei als Straftaten mit gravierenden Folgen auch für die Verursacher. Anfang März, nur wenige Tage vor dem fatalen Stuttgarter Crash, bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe erstmals ein Mordurteil gegen einen rücksichtslosen Raser. Der Mann hatte 2017 in Hamburg mit einem gestohlenen Taxi einen Menschen getötet und zwei schwer verletzt.

Also ist es wahrscheinlich, dass sich die Staatsanwaltschaft durchsetzt?

Keineswegs, denn das Mordmotiv muss in jedem Einzelfall nachgewiesen werden. Selbst ein Autorennen mit Todesfolge ist also nicht immer gleich als Mord anzusehen. So wurde das deutschlandweit erste Mordurteil im Februar 2017 vom BGH kassiert. Die Richter sahen den bedingten Tötungsvorsatz bei den beiden Angeklagten nach einem tödlichen Autorennen in der Berliner Innenstadt nicht ausreichend belegt. Im neu aufgerollten Prozess wurden die Männer im März dann erneut wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Diese Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Was war das für ein Auto im Stuttgarter Fall?

Den Jaguar F-Type Coupé hatte der Unfallverursacher laut Anklage für einen Tag bei einem kleinen Verleih in Nürtingen (Baden-Württemberg) gemietet, der sich auf Luxusautos spezialisiert hat. Im Internet wurde der 550 PS starke Wagen bis zum Unfall mit dem Ausstattungsmerkmal «extrem laute Auspuffklappenanlage» beworben.

Wie kommt ein 20-Jähriger überhaupt an einen solchen Wagen?

Für den Wagen war nach Medienangaben lediglich ein Mindestalter von 19 Jahren vorausgesetzt. Verboten ist das nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) nicht: «Ein Autovermieter darf selbst entscheiden, wem er seine Fahrzeuge gibt. Wir geben da keine Altersgrenze vor für Haftpflichtversicherungen», sagte eine GDV-Sprecherin.

Worum ging es vor allem am ersten Prozesstag?

Zentral war die Frage, ob der 19-jährige Beifahrer während der rasanten Spritztour Videoclips für seinen Instagram-Account gedreht hatte. Denn schließlich war das nach seiner eigenen Aussage der einzige Grund, in den Sportwagen zu steigen. «Ich wollte da mitfahren, das kommt krass an auf Instagram», sagte er vor Gericht aus. Weniger als eine Minute soll er im Auto gesessen haben bis zum Aufprall. «Ruckzuck» sei alles gegangen. Nur weiß der junge Mann nach eigener Aussage nicht mehr, ob er Clips gedreht hat, die für Anklage oder Verteidigung wichtig sein könnten. Ob er kurze Videos nach dem Unfall gelöscht hat? Auch hier Schweigen.

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