Ein Rückblick und ein Ausblick zum Jahresende

Ein Rückblick und ein Ausblick zum Jahresende

Carlos schlendert durch die Stadt, durch diverse Kaufhäuser und fühlt sich belästigt durch das Gedudel von "Stille Nacht, heilige Nacht" und "I’m dreaming of a white Christmas". Das Jahr geht seinem Ende entgegen, und Weihnachten steht vor der Tür. Aber was hat das buddhistische Thailand mit dem christlichen Weihnachtsfest zu tun? Nichts. Außer dem Umsatz. Die Thailänder haben es verstanden, fast alle Feste der Welt in gewinnbringende Veranstaltungen für ihr Land zu verwandeln. Sie feiern Ostern und Halloween ebenso wie Muttertag oder Valentinstag und das Neujahrsfest gleich drei Mal: Das westlich-europäische, das chinesische und das thailändische. Was hierzulande Umsatz verspricht wird bedient – in jeder Beziehung.

Weihnachten füllt die Kassen

Dabei ist es doch so, dass viele westliche Touristen im Dezember nach Thailand kommen, um dem Weihnachtstrubel zu entgehen. Jetzt sind sie hier mittendrin, müssen sogar – mit 100% Aufschlag – am sogenannten "Festmenü" zu Weihnachten und Silvester im Hotel teilnehmen. Carlos hält das für eine unangemessene Erpressung. Statt froh zu sein, dass endlich wieder Touristen ins Land kommen, versucht man sie auszuquetschen. Dabei weiß doch jeder Expat, dass Vietnam und Kambodscha als Konkurrenten jetzt schon die besseren Karten haben, dass viele Expats und Touristen sich bereits überlegen, ihren Alterswohnsitz oder ihr Urlaubsland zu wechseln. Es ist eine Frage weniger Jahre, bis die Touristenströme sich dorthin entwickeln werden, denn Thailand ruht sich auf den Erfolgen der letzten 50 Jahre aus und hat dabei vergessen, dass die Zeit nicht still steht. Mit seinem um 20% überteuerten Baht-Kurs und den allgemeinen Preiserhöhungen ist es schon seit langem kein Billigland mehr, und viele Pensionäre fragen sich besorgt, ob sie hier weiterhin leben können. Es muss etwas passieren, und zwar ganz schnell. Welcher Tourist wird sich denn weiterhin in die Kloake am Jomtien-Strand wagen, in die unzumutbaren Stolperfallen der Fußwege, wer wird bereit sein, den Raubrittern an den Touristen-Attraktionen seinen Tribut zu zollen oder den korrupten Polizisten für ihre Fantasie-Delikte? Ein "internationales Weltbad" sieht anders aus. Thailand steht am Scheideweg.

Auch Carlos lebt hier, wie viele seiner Altersgenossen, von seiner Rente, obwohl sie aufgrund seiner früheren Tätigkeit immer noch ausreichend ist für ein behagliches Leben. Deshalb kann er es sich leisten, einige unbezahlte Ehrenämter zu übernehmen oder im FARANG seine Kolumne zu veröffentlichen.

Nachdem er ein Jahr lang die Chance dazu hatte, möchte er sich bei seinen Lesern dafür bedanken, dass sie seine nicht immer mehrheitsfähige Meinung zur Kenntnis genommen und in zustimmenden oder ablehnenden Leserbriefen kommentiert haben, genau so, wie er es sich erhofft hatte. Carlos hat sich über jeden einzelnen Brief gefreut, und er ist froh darüber, dass er die Gelegenheit hat, im FARANG regelmäßig seine Meinung sagen zu dürfen.

Leser fragen sich: Wer ist Carlos?

Viele Leser wollten ihn näher kennen lernen, wollten mehr über ihn wissen, wollten im persönlichen Gespräch mit ihm über seine Ansichten diskutieren. Dem verschließt Carlos sich (und bittet dafür um Verständnis), weil er nicht zu einer öffentlichen Person werden will. Schon gar nicht will er so etwas wie ein Moralapostel sein, auch wenn der eine oder andere Leser ihm dies schon unterstellt hat. Er möchte einfach anonym bleiben, was nicht nur seiner Unabhängigkeit dient, sondern auch dazu beiträgt, dass ihm als interessierten Flaneur viele Informationen zufließen, die er sonst wahrscheinlich nicht erfahren hätte. Er ist einer aus der Mitte der Leserschaft, einer, der hier in diesem Land mit allen Fehlern und Tugenden ganz normal lebt, der mit offenen Augen und Ohren durch die Tage und Nächte streift und sich dabei seine Meinung bildet. Er hat sich hier angepasst, weiß, dass die europäischen Gesetze und Gesetzmäßigkeiten hier nicht gelten. Und obwohl er Thailand als seine zweite Heimat empfindet und die Thailänder sehr respektiert, kann das seinen Blick nicht verschließen vor all den Kalamitäten, denen jeder Resident hier ausgesetzt ist. Denn Carlos redet niemand nach dem Munde. Er ist ein unabhängiger Freigeist und froh darüber, seine Meinung unzensiert sagen zu dürfen. Das gilt im Übrigen auch für alle Leser, die sich mit einem Brief im FARANG zu Wort melden.

Carlos hat viele Jahre gebraucht, bis er sich an dieses "Paradies" mit all seinen Ecken und Kanten gewöhnt hat. Es ist, wie er selbst, weiß Gott nicht perfekt. Aber dann gibt es wieder diese Situationen, wo er schwach wird vor dem Charme der Thais, die so viel unbeschwerter und freier ihr Leben genießen. Carlos beneidet sie dafür und versucht, ein wenig von ihrer Lebensart aufzunehmen.

Das ist sein Wunsch für das neue Jahr, auch für alle seine Leser:

Bleiben Sie gesund und froh.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.