«Ein Preis für Afrika»

Abiy Ahmed erhält Friedensnobelpreis

Archivbild: epa/Alessandro Di Meo
Archivbild: epa/Alessandro Di Meo

OSLO (dpa) - Viele hatten mit Klimaaktivistin Greta Thunberg als Preisträgerin gerechnet. Doch der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr ans Horn von Afrika. Dort ist der Jubel groß - auch wenn der Preisträger noch lange nicht am Ziel ist.

Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed erhält für seinen Kampf gegen Konflikte in Ostafrika den diesjährigen Friedensnobelpreis. Der 43-Jährige wird für seinen Einsatz für Frieden und internationale Zusammenarbeit und vor allem für seine Initiative zur Lösung des Grenzkonflikts mit dem äthiopischen Nachbarland Eritrea ausgezeichnet, wie das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Oslo bekanntgab. «Das ist ein Preis, der Afrika verliehen wird, der Äthiopien verliehen wird», sagte Abiy. In seiner Heimat wurde gejubelt.

Abiy setzte sich damit gegen 300 weitere Nominierte durch, darunter 222 Persönlichkeiten und 78 Organisationen. Viele Friedensforscher und Wettbüros hatten Abiy neben der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg zu den diesjährigen Favoriten gezählt.

Die Friedensbemühungen von Abiy erfüllten laut Nobelkomitee alle Vorgaben aus dem Testament von Preisstifter Alfred Nobel. «Wir betrachten dies als den entscheidendsten Beitrag zum Frieden während des vergangenen Jahres», sagte die Vorsitzende Berit Reiss-Andersen nach der Bekanntgabe. Ob die Fortschritte Bestand haben werden, müsse sich erst noch zeigen. Vor dem Geehrten liege noch eine Menge Arbeit. Der Preis solle ihn aber auch dabei bestärken, seinen Weg in die von ihm gewählte Richtung fortzusetzen, sagte Reiss-Andersen. Auch im Inland müsse er viele verschiedene Bevölkerungsgruppen einen. «Es ist noch ein langer Weg.»

Der 43 Jahre alte Abiy gilt am Horn von Afrika als Reformer. Er ist seit April 2018 äthiopischer Ministerpräsident, nach Amtsantritt krempelte er sein Land nach Jahren der repressiven Regierungsführung mit Initiativen und Reformen um. Er startete einen Friedensprozess mit Eritrea, setzte sich aber auch im Sudan für einen politischen Wandel ein und vermittelte im Konflikt zwischen Kenia und Somalia.

Der bislang größte Erfolg des jungen Politikers ist jedoch der Friedensschluss mit Eritrea. Dass Äthiopien und Eritrea nach langer Zeit zu einem Friedensabkommen gekommen seien, sei eine der großen Errungenschaften des Jahres 2018 gewesen, sagte der Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, Dan Smith, der Deutschen Presse-Agentur. «Das hatte sehr mit der Energie zu tun, die Abiy Ahmed dem Prozess gegeben hat, sobald er Ministerpräsident geworden ist.» Unerwartet komme die Auszeichnung für Abiy damit nicht. «Das ist ein ziemlich klassischer Friedenspreis», sagte Smith.

Für Abiy ist der Nobelpreis nach Angaben seines Büros ein Ansporn für die Fortsetzung seiner Friedensarbeit. «Wir laden alle Äthiopier und Freunde Äthiopiens ein, sich weiter auf die Seite des Friedens zu stellen», hieß es in einer über Twitter verbreiteten Erklärung. Abiy selbst sagte in einem Telefonat mit dem Sekretär des norwegischen Nobelkomitees, er sei glücklich und begeistert. Das Komitee hatte den Preisträger erst nach der Bekanntgabe erreichen können.

In seiner Heimat wurde zu dem Zeitpunkt bereits gefeiert. «Das ist eine wohlverdiente Anerkennung für den Ministerpräsidenten», erklärte der prominente Aktivist Jawar Mohamed. Der Bürgermeister der Hauptstadt Addis Abeba, Takele Uma, nannte den Preis eine Anerkennung für «Frieden, Versöhnung und harte Arbeit». Der in Äthiopien geborene Dichter Lemn Sisay erklärte: «Er ist Äthiopiens Ministerpräsident und hat heute den Friedensnobelpreis erhalten - ich bin baff.»

Glückwünsche erhielt Abiy am Freitag aus aller Welt, unter anderem von UN-Generalsekretär António Guterres. Auch Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi gratulierte, obwohl er mit Äthiopien eigentlich wegen des Baus des größten Staudamms Afrikas im Streit liegt.

Auch Deutschland schickte Gratulationen. «Sein Mut und seine Weitsicht sind Beispiel und Vorbild weit über Afrika hinaus», teilte Bundesaußenminister Heiko Maas mit. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schrieb, Abiy habe durch sein mutiges und tatkräftiges Engagement gezeigt, dass alte und tiefe Gräben zwischen Menschen und Völkern doch überwunden werden könnten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte die Arbeit von Abiy. «Sie haben (...) Millionen von Menschen die Chance auf Frieden eröffnet», schrieb sie dem Ministerpräsidenten.

Der Afrika-Beauftragten der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), urteilte, es sei jemand geehrt worden, «der wirklich in den letzten anderthalb Jahren viel gewagt hat». Allerdings hätten Äthiopien und die Region noch einen weiten Weg vor sich.

Auch andere sehen den Friedensprozess im Osten Afrikas beileibe noch nicht am Ziel. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International begrüßte die Vergabe des Preises an Abiy, mahnte aber weitere Anstrengungen an. «Die Arbeit von Ministerpräsident Abiy Ahmed ist noch lange nicht beendet», erklärte Generalsekretär Kumi Naidoo. Der Norwegische Flüchtlingsrat erklärte, Abiy müsse nun mutig sein und weiter daran arbeiten, die ethnischen Spannungen in seinem Land zu lösen.

Abiys Politik hat in Äthiopien zwar viele positive Entwicklungen angestoßen, allerdings sind während seiner Amtszeit auch die Konflikte zwischen ethnischen Gruppen angestiegen und mehr Menschen auf der Flucht als zuvor.

Alle Nobelpreise sind in diesem Jahr mit jeweils neun Millionen schwedischen Kronen (rund 830.000 Euro) dotiert und werden am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter Nobel, überreicht. Während alle weiteren Preise dann in Stockholm verliehen werden, bekommt ihn der Friedensnobelpreisträger traditionell in Oslo.

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