Ein Kirchenfenster vom Altkanzler

Widerstand gegen Lüpertz-Werk

Markus Lüpertz. Foto: epa/Nicolas Armer
Markus Lüpertz. Foto: epa/Nicolas Armer

HANNOVER (dpa) - «Die Marktkirche steht für Hannover wie der Eiffelturm für Paris...», heißt es selbstbewusst auf der Internet-Seite des evangelischen Gotteshauses. Passt ein Fenster von Malerfürst Lüpertz, gestiftet von Altkanzler Schröder, in den schlichten Bau?

Eigentlich sollte das von Starkünstler Markus Lüpertz (77) gestaltete Glasfenster schon an diesem Reformationstag die Marktkirche in neues Licht tauchen. Altkanzler Gerhard Schröder (72) will das 13 Meter hohe Werk des berühmten Malers seiner Heimatstadt Hannover schenken. Das hatte die evangelische Gemeinde im Frühjahr überraschend verkündet. Der stets dandyhaft gekleidete Lüpertz, mit Schröder befreundet, gilt als einer der wichtigsten deutschen Künstler der Gegenwart. Doch jetzt liegt das Projekt auf Eis - die anvisierte Fertigstellung am 31. Oktober, dem neuen niedersächsischen Feiertag, ist nicht mehr zu schaffen.

«Die Realisierung des Projekts ist ein breit angelegter Prozess, zu dem neben bereits laufenden Gesprächen mit dem kirchlichen Denkmalschutz auch ein Gespräch mit dem in Japan lebenden Erben von Dieter Oesterlen gehört, der den Wiederaufbau der Marktkirche nach dem Zweiten Weltkrieg als Architekt prägte», sagt Landessuperintendentin Petra Bahr, Regionalbischöfin des Sprengels Hannover, der Deutschen Presse-Agentur. «Dieses Gespräch soll nun Anfang Oktober stattfinden und ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Umsetzung.» Erst danach könne die zeitliche Planung fortgeführt werden.

Schröder will sich auf dpa-Anfrage derzeit nicht zu seinem Geschenk äußern. Die Kosten sollen rund 100 000 Euro betragen. Nach Kirchenangaben will der Altkanzler dafür Vortragshonorare von Verbänden und Unternehmen in Deutschland weitergeben.

Der Katholik Lüpertz gestaltete schon in der Vergangenheit Fenster von Gotteshäusern, etwa in der Dominikanerkirche Sankt Andreas in Köln. Im Juni stellte er seinen Entwurf in der Marktkirche vor. Im Mittelpunkt steht dem Künstler zufolge Luthers Kampf gegen das Böse. Zu sehen sind in der eher düsteren Szenerie unter anderem eine weiße Gestalt mit erhobenen Armen und fünf fette schwarze Fliegen.

Die Marktkirchen-Pastorin Hanna Kreisel-Liebermann erreichten nach der Bekanntgabe des Geschenks auch kritische Briefe: Einigen Gemeindemitgliedern gefiel der Stifter Schröder wegen dessen Nähe zu Kremlchef Wladimir Putin nicht, andere wollten die helle Schlichtheit des Baus im Stil der norddeutschen Backsteingotik erhalten.

Nachkriegs-Architekt Oesterlen hatte selbst von der «schmucklosen Wucht und ruppigen Großartigkeit» des Innenraums gesprochen - und es im Südschiff bei einfacher Verglasung belassen. Bedenken hat deshalb der Pastorin zufolge auch der Oesterlen-Erbe Georg Bissen angemeldet. «Der Marktkirche liegt meine detaillierte Stellungnahme vor», teilte Bissen mit. Inwieweit sie veröffentlicht werde, überlasse er den Entscheidungsträgern der Kirche.

Der auch als Malerfürst betitelte Lüpertz reagierte auf den Widerstand gegen das Projekt in Hannover mit Unverständnis. «Ich will die Kirche ja nicht umbauen, ihre Architektur wird durch das Fenster überhaupt nicht verändert», sagte der langjährige Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung».

Von zeitgenössischen Künstlern gestaltete Kirchenfenster erregen immer wieder die Gemüter. Vor elf Jahren hatte ein von dem heute gefragtesten lebenden deutschen Künstler gestaltetes Fenster für Wirbel gesorgt - der damalige Erzbischof Joachim Meisner kritisierte den Entwurf von Gerhard Richter für den Kölner Dom als zu abstrakt und meinte, das Geschenk passe eher in eine Moschee. Heute ist das Richter-Fenster eine Besucherattraktion.

Auch der Leipziger Kunststar Neo Rauch kreierte ein Fenster für den Naumburger Dom in Sachsen-Anhalt. Der bedeutende Maler Sigmar Polke gestaltete kurz vor seinem Tod zwölf Fenster des Grossmünsters in Zürich in der Schweiz - für dieses Projekt war 2006 allerdings ein Wettbewerb ausgeschrieben worden.

Die Direktorin der Kestnergesellschaft Hannover, Christina Végh, meint: «Grundsätzlich würde ich immer für ein Verfahren mit einer Ausschreibung und einer Jury plädieren.» Im Fall der Marktkirche wolle aber ein spezieller Bürger Hannover ein spezielles Geschenk machen. «Es ist eine interessante Arbeit von Lüpertz», urteilt die Kunsthistorikerin. «Ich finde es gut, wenn Geschichte fortgeschrieben wird.»

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