Ein Job in Thailand?

Ein Job in Thailand?

Tausende, Zigtausende träumen davon, hier in Thailand, wo andere den Urlaub ihres Lebens verbringen, zu leben und zu arbeiten. Die Vorstellung ist ja auch zu verlockend: Morgens kurz in den Swimmingpool, dann etwas arbeiten und danach Highlife im Urlaubsparadies. Traumhaft. Leider sieht die Realität ganz anders aus.

Nachdem Jens hier das erste Mal Urlaub gemacht hatte, stand für ihn fest: Hier will ich leben. Er verkaufte seine Fleischerei in Essen und zog nach Thailand, um sich hier selbständig zu machen. Nachdem er endlich alle bürokratischen Hindernisse überwunden hatte, fingen die Probleme erst an: Die notwendigen Zutaten konnte er hier nicht beschaffen, die Thai-Mitarbeiter, die er angestellt hatte, waren nicht bereit, seinem Arbeitstempo zu folgen, und die Großabnehmer verlangten Rabatte, die weit unter seinem Einstandspreis lagen. Inzwischen lebt Jens wieder in Essen und arbeitet als Angestellter in der Firma, die er einst aufgebaut hat.

Die Rezession kam leider dazwischen

Reden wir von Dieter: Er besaß rund um den Frankfurter Hauptbahnhof vier einträgliche Kneipen. Nachdem seine Frau gestorben war, flog er nach Thailand, verliebte sich in eine Landesschöne und beschloss, auszuwandern. Mit dem Verkaufserlös von fast einer Million Euro kam er nach Pattaya. Er fand hilfsbereite Landsleute, die sich gut auskannten und sich ihm als Anlageberater anboten – natürlich völlig selbstlos. Dieter hörte auf ihren guten Rat und kaufte marode Läden auf, die, wie seine neuen Freunde ihm erklärten, mit einem veränderten Marketing in kürzester Zeit zu Erfolgsschlagern würden.

Aber dann kam die weltweite Finanzkrise dazwischen. Seine Immobilien stehen schon lange zum Verkauf – weit unter dem Preis, den er dafür bezahlt hat.

Bei Klaus fing das anfänglich ganz positiv an. Er hatte hier schon seit Jahren Urlaub gemacht, sprach etwas Thai und glaubte, sich hier auszukennen. Mit seiner Thai-Freundin Nok kaufte er an der Soi Song vier Bier-Bars, die in der Hochsaison sogar Gewinn erwirtschafteten. Aber Klaus war sein bester Kunde, lud seine Gäste auch gern mal auf ein paar Runden ein, und seine Nok glaubte, der Umsatz sei Gewinn. Bald schon hatten sie einen Schuldenberg am Hals und wurden nicht mehr beliefert. In seiner Not stellte Klaus bewusst ungedeckte Schecks aus und griff, als es schon nichts mehr zu retten gab, ohne Arbeitsgenehmigung in seine Betriebe ein. Die Folge: Verurteilungen und Abschiebehaft.

Alteingesessene Expats erinnern sich vielleicht noch an die Bar "69" am Ende der Walking-Street. Der Inhaber, ein ehemaliger Modedesigner aus Köln, hatte für seine Bar weder eine Lizenz noch für sich eine Arbeitserlaubnis. Stattdessen bekam er regelmäßig Besuch von offizieller Seite. Mal baten diese "Besucher" um eine bescheidene "Kommission" – ab 10.000,- Baht – oder sie liehen sich kurzfristig sein Auto aus, das er dann nie wieder sah. Sie waren klug genug, die Kuh, die sie melkten, am Leben zu halten. Immer ließen sie ihm so viel, dass er den Laden gerade noch aufrecht erhalten konnte. Er selbst aber konnte irgendwann nicht mehr. Seinen plötzlichen Herztod bedauerten die staatlichen Geldeintreiber fast mehr als seine Freunde, die ihm die letzte Ehre gaben. Zum Glück gab es ja noch andere Läden, wo man sich schadlos halten konnte…

Vom Pech & Leid anderer profitieren?

Mal ehrlich: Möchten Sie als Farang hier in Thailand arbeiten? Carlos ist glücklich, hier zu leben. Aber arbeiten? Nie! Wobei anzumerken wäre, dass seine gelegentlichen Kolumnen reines und unbezahltes Vergnügen sind. Aber hier seinen Lebensunterhalt verdienen zu müssen, gar als selbständiger Unternehmer, das ist für Carlos unvorstellbar.

Aber nun mal zu einem Beispiel, von dem Carlos in THE NATION gelesen hat: An der Ecke Soi Cowboy, in der Nähe von "Otto", hat sich demnach eine deutsch-thailändische Gesellschaft etabliert, die darauf spezialisiert ist, in Insolvenz gegangene Firmen von Farangs abzuwickeln. Die beiden Inhaber verdienen sich dabei goldene Nasen und überlegen jetzt schon, damit an die Börse zu gehen. Das hieße, an jedem Farang, der hier in Thailand scheitert, würden sie und ihre Aktionäre tüchtig verdienen. Natürlich interessieren sie sich nicht für kleine Kneipenwirte oder Schlachter. Ihnen geht es um große Objekte, um unterfinanzierte Hochhäuser, abgebrochene Staatsaufträge oder um angeblich ungenügend erbrachte Leistungen, die Firmen in die Pleite getrieben haben.

Carlos meint, das Glück des Frühgeborenen hat ihn vor solchen Abenteuern bewahrt. Aber vielleicht werden die Insolvenzverwalter und Firmenabwickler für Anleger aus Europa, die hier von ihrem Geld leben wollen, zur großen Chance, vom Elend der Verlierer zu profitieren, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen. Und dafür braucht man nicht einmal eine Arbeitsgenehmigung. Ein idealer Job in Thailand?

Er ahnt, welches persönliche Drama sich hinter vielen Verkaufsofferten verbirgt und hält sich da gerne raus.

Er kann nur alle zur Vorsicht raten, die meinen, man könne hier viel Geld verdienen und gleichzeitig gut leben.

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