Ein Jahr nach der Wahl

Regierung sitzt fest im Sattel

Foto: epa/Alexander Becher
Foto: epa/Alexander Becher

WIEN (dpa) - Vor einem Jahr haben die Österreicher gewählt, seit Dezember regiert eine rechtskonservative Regierung mit scheinbar unzerstörbarer Einigkeit. Die Opposition taucht kaum noch auf. Hat sich in ÖVP und FPÖ das neue Traumpaar der österreichischen Politik gefunden?

Es ist immer wieder das gleiche Bild nach den Sitzungen der österreichischen Regierung: Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) trägt die Ergebnisse vor, Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) wiederholt sie fast wortgleich. Unter den Journalisten wird die immergleiche Inszenierung belächelt. Und doch dient diese Routine als typische Beschreibung für die Gesamtsituation der rechtskonservativen österreichischen Regierung: Zwei Parteien sprechen dieselbe Sprache, sind sich scheinbar immer einig - und tatkräftig präsentieren sie sich auch.

«Der Unterschied zu den frühen 2000ern ist, dass die FPÖ akzeptiert hat, dass sie die Rolle des Zweiten innehat», sagt der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Auch damals gab es in Österreich eine rechtskonservative Regierung. Doch die Rechten waren zerstritten, der weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Populist Jörg Haider, dessen Todestag sich am Donnerstag zum zehnten Mal jährt, wollte nicht, dass seine Partei nur als der kleinere Koalitionspartner dasteht. Laut Filzmaier habe die FPÖ nun die Chance erkannt, länger in Regierungsverantwortung bleiben zu können. «Dafür sind sie bereit, diesen Preis zu zahlen.»

Und tatsächlich sitzt die Regierung derzeit fest im Sattel. «Die Regierung in Österreich hat ein wirklich sehr gutes Ansehen», sagt auch der österreichische Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. Es gebe derzeit weder Streit noch Stillstand. Außerdem werde die Migrationspolitik der Koalition von einer großen Mehrheit der Bevölkerung befürwortet. Kurz vor einer Arbeitszeitflexibilisierung, die einen Zwölf-Stunden-Tag möglich gemacht hat, waren im Sommer viele Menschen auf die Straße gegangen - doch auch diese Wut war schnell verpufft.

Hinzu kommt dieser Tage eine lahme Opposition, die sich vor lauter Selbstbeschäftigung nicht intensiv mit dem Regierungshandeln und eben solchen Arbeitszeitgesetzen beschäftigt. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) hat sich mit ihren parteiinternen Querelen und dem überraschenden politischen Abgang ihres Ex-Vorsitzenden Christian Kern Anfang Oktober selbst das Chaos ins Haus geholt. Auch in der Liste des ehemaligen Grünen-Abgeordneten Peter Pilz lautet das Motto allzu oft «Jeder gegen Jeden». Nur bei den wirtschaftsliberalen Neos läuft es derzeit rund, die Partei hat ihren Platz in der österreichischen Bundespolitik gefunden.

Immerhin ein Hoffnungsschimmer für die Opposition bleibt: Bei einer Neuwahl würde die Regierung wohl nicht nennenswert profitieren. Die ÖVP lag zuletzt bei 33 bis 34 Prozent - im Vergleich zu 31,5 Prozent bei der Wahl am 15. Oktober 2017. Die SPÖ könnte sich trotz der Unruhen der letzten Wochen auf 28 Prozent steigern (2017: 26,9 Prozent). Die rechte FPÖ würde den Wahlerfolg aus dem Jahr 2017 wohl nicht wieder schaffen und auf bis zu 23 Prozent fallen (2017: 25,9). Die Neos stehen derzeit bei bis zu acht Prozent, mit etwas Glück würden auch die Grünen wieder in den Nationalrat einziehen.

Bleibt die Zersplitterung des Parteiensystems in Österreich also im Vergleich zu denen anderer europäischer Staaten wie Tschechien und den Niederlanden aus? Vieles spricht derzeit dafür. Dass sich mehr Wähler rechts der Mitte orientieren, war in der Alpenrepublik zuletzt meist so. «In Österreich gibt es für die SPÖ aber keine große Konkurrenz links der Mitte», erklärt der Politikberater Thomas Hofer. Das Problem der SPD, die mit Grünen und Linken um Stimmen konkurrieren müsse, habe die SPÖ nicht.

Darüber hinaus, so sagt es der Politikwissenschaftler Filzmaier, scheinen derzeit alle Österreicher sehr zufrieden mit den Parteien zu sein, die sie gewählt haben. «Die SPÖ sollte nun die Zukunft mit ihren traditionellen Themen bestreiten», empfiehlt er. Diese seien Bildung, Gesundheit, Wohnen und der Arbeitsmarkt.

«Die Situation könnte für die Regierung schwieriger werden, wenn es nicht mehr gelingt, alle Themen mit der Zuwanderung zu überlagern», sagt Filzmaier. Die gleiche Strategie - also alle Debatten mit den eigenen Kernthemen überlagern - empfiehlt er den Sozialdemokraten: «Die SPÖ müsste sagen: «Was bringt es uns, die Grenzen dicht zu machen, wenn man noch immer nicht bezahlbar wohnen kann?»»

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