Ein Jahr nach dem Tod im Urlaubsparadies

Touristen verlassen ihr Hotel in Hurghada nach dem Anschlag. Foto: epa/Str
Touristen verlassen ihr Hotel in Hurghada nach dem Anschlag. Foto: epa/Str

PEINE/HURGHADA (dpa) - Auf grausige Weise endet das Leben zweier Urlauberinnen in Ägypten. Ein Angreifer ersticht sie am Badestrand vor dem Hotel. Auch ein Jahr danach macht die Tat in Hurghada fassungslos. Viele Menschen ärgern die langsamen Ermittlungen. Hintergründe blieben bis heute unklar.

Als «einen barbarischen Gewaltakt» bezeichnet Pastorin Marion Schmager den Messerangriff im ägyptischen Badeort Hurghada. Vor knapp einem Jahr sind dort zwei deutsche Touristinnen getötet worden. Im Trauergottesdienst stellt die Pastorin die Frage, wie Angehörige bloß damit fertig werden, die Mutter oder die Lebensgefährtin auf so eine schreckliche Art und Weise zu verlieren. Das Entsetzen und die Erinnerung an die Opfer sind in den beiden Wohnorten im niedersächsischen Kreis Peine auch zwölf Monate danach noch groß. Vor allem herrscht Verärgerung darüber, dass die Aufklärung so lang dauert.

Am 14. Juli 2017 hatte ein 28-Jähriger die beiden 56 und 65 Jahre alten deutschen Urlauberinnen an einem Hotelstrand mit mehreren Messerstichen getötet, bevor er überwältigt wurde. Vier weitere Ausländer wurden bei der Tat verletzt. Eine 36-jährige Tschechin starb wenig später an den schweren Stichverletzungen. Ägyptische Sicherheitskreise brachten die Attacke zunächst mit der Terrormiliz IS in Verbindung. Schnell kam Kritik an den langsamen Ermittlungen auf. «Sie reden nicht von Terrorismus, weil das Wort Touristen abschrecken könnte», sagte die tschechische Botschafterin in Kairo, Veronika Kuchynova-Smigolova, bereits sechs Wochen nach der Tat. Aus tschechischer Sicht handelte es eindeutig um einen Terrorangriff.

Zwölf Monate nach den Ereignissen sind nur wenige Erkenntnisse an die Öffentlichkeit gelangt. Um an Informationen zu kommen, leitete die Staatsanwaltschaft Hildesheim, in deren Zuständigkeitsbereich die beiden deutschen Opfer wohnten, ein Rechtshilfeverfahren ein, um auf diplomatischem Weg eine Anfrage an das ägyptische Justizministerium zu stellen.

Im März dieses Jahres erreichte die Behörde dann eine sogenannte Verbalnote aus Ägypten. Demnach lagen dort Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschuldigte an einer psychischen Erkrankung leidet und ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt wurde. Der Mann habe die Taten gestanden. Die Hildesheimer Ermittler betonten aber, dass es sich bei diesen Angaben nicht um die Antwort auf das Rechtshilfeersuchen handelt. «Wir brauchen sämtliche Ergebnisse aus Ägypten, um hier vor Ort Entscheidungen treffen zu können», sagte Sprecherin Christina Pannek im März.

Nach aktuellen Angaben aus ägyptischen Justizkreisen befindet sich der Beschuldigte unter hohen Sicherheitsmaßnahmen in einem Gefängnis und die Ermittler beschäftige vor allem die Frage der psychischen Gesundheit des Mannes. In Ägypten können Tatverdächtige auch längere Zeit ohne Anklage und Gerichtsverhandlung festgehalten werden.

Am Stand der Ermittlungen in Hildesheim habe sich bisher nichts verändert, teilte die Staatsanwaltschaft nun auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Die Ermittler wollen immer noch eine eventuell erhobene Anklageschrift und gegebenenfalls eine Ausfertigung des Urteils für eine eigene Auswertung. Mit einer baldigen Antwort rechnet dabei wohl niemand.

«Es ist einfach sehr ärgerlich, wenn man das Gefühl hat, dass nach so einer Tat wenig bis gar nichts passiert», sagt Frank Bertram, Gemeindebürgermeister in Edemissen, wo eine der beiden Frauen lebte. Er hat Verständnis dafür, dass der Unmut über die dürren Informationen groß ist. Auch wenn nach der sehr emotionalen Phase in der Gemeinde peu à peu der Alltag wiederkehre, reiße so ein Jahrestag die Wunden doch noch einmal auf. «Es kommt einem vor, als sei es gestern gewesen», sagt Bertram.

Ähnlich groß ist das Unverständnis nur wenige Kilometer weiter in der Gemeinde Ilsede. «Es ist schon sehr merkwürdig, dass da nichts kommt», meint Bürgermeister Otto-Heinz Fründt. Im kleinen Ortsteil Münstedt, wo das zweite deutsche Opfer lebte, fällt der Jahrestag der Tat mit dem Schützenfest zusammen. Fründt kann sich noch gut erinnern, wie die schreckliche Nachricht beim Königsfrühstück die Runde machte. Er geht davon aus, dass auch während des Festes an die Opfer gedacht und erinnert wird. In so einer kleinen Gemeinschaft kenne man sich gut und treffe auch die Angehörigen regelmäßig. «Sowas lässt niemanden unberührt.»

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