Wie geht es weiter für Jacinda Ardern?

Foto: epa/John Kirk-anderson/STUFF
Foto: epa/John Kirk-anderson/STUFF

WELLINGTON: Mit Herz und Kopftuch: Nach dem Attentat von Christchurch hat Premierministerin Jacinda Ardern als Krisenmanagerin viel Lob bekommen. In ihrer Heimat Neuseeland sieht es für sie aber nicht mehr ganz so rosig aus.

Früher, da war Neuseeland nur das Land mit den vielen Schafen. Die Kulisse für die «Herr der Ringe»-Filme, ein verschlafenes Land am anderen Ende der Welt. Das war, bevor ein rassistischer Attentäter vor einem Jahr, am 15. März 2019, zwei Moscheen in Christchurch angriff. 51 Menschen starben, Dutzende wurden verletzt. Danach war Neuseeland unter Schock. Die Welt blickte auf das Land und seine junge Premierministerin Jacinda Ardern (39).

Davor war die Sozialdemokratin berühmt geworden, weil sie 2018 kurz nach ihrer Wahl im Amt ein Kind bekam. Nach Christchurch musste sich Ardern als Krisenmanagerin bewähren. Sie machte das so gut, dass das «Time»-Magazin sie gerade als Lichtgestalt auf den Titel hob. Ein Jahr nach dem Attentat wird sie am Sonntag bei der Gedenkfeier auftreten. Wieder werden die Kameras der Welt auf sie gerichtet sein.

Ardern hat, so denken viele in Neuseeland, einiges richtig gemacht und entschlossen gehandelt. Sie ging auf die Muslime zu, umarmte die Menschen, band sich ein Kopftuch um. Sie fand einen Schlüsselsatz für die Geschichtsbücher, als sie über die 40.000 Muslime im Land sagte: «Neuseeland ist ihre Heimat. Sie sind wir.» Auf Englisch klingt das noch besser: «They are us.»

Dann ließ Ardern halbautomatische Waffen verbieten. So etwas wäre in den USA mit seiner Waffenlobby und unter Donald Trump undenkbar. Den Attentäter von Christchurch, einen australischen Neonazi, nannte sie demonstrativ nicht beim Namen. Mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron stieß Ardern eine Initiative gegen Internet-Übertragungen von Terrorangriffen an. Beim Attentat von Halle im Oktober wurde das dann traurig aktuell. Wie in Christchurch hatte auch dort der Schütze die Tat gefilmt.

Arderns Stil sind Mitgefühl und Freundlichkeit, eine positive Sicht auf die Welt, ohne Galle. Das fällt in Zeiten des Populismus und wachsendem Extremismus auf. Sie findet, man sollte nicht zynisch auf die Ursachen dieser Trends blicken. «Die Menschen fühlen sich entwurzelt oder kämpfen einfach ums Überleben, und ihre Demokratien haben das nicht verstanden», sagte sie dem «Time»-Magazin.

In Neuseeland ist die Hochzeit der «Jacindamania» aber vorbei. «Ich denke, daheim hätten wir gerne gesehen, dass sie mehr erreicht», sagte ihre Biografin Michelle Duff der Deutschen Presse-Agentur. Als Symbolfigur sei sie aber wirklich beeindruckend.

Mit Ardern ist es ein bisschen wie bei Justin Trudeau in Kanada. International sind sie die Hoffnungsträger für junge Menschen, die eher grün oder links wählen. Fotogen sind beide, ein Kontrast unter all den älteren Herren auf der Weltbühne.

Daheim haben es sowohl Trudeau als auch Ardern nicht leicht. Neuseeland plagt eine ähnliche Not wie Deutschland: Wohnen wird immer teurer. Und Kinderarmut ist ein Problem, gerade bei den Maori, den Ureinwohnern Neuseelands. Auf der Plus-Seite werden Ardern der Elternschutz und die Klimapolitik zugerechnet.

Aber die Wahlperiode ist mit drei Jahren sehr kurz. Im September wird gewählt. Für Arderns Regierungsbündnis mit den Grünen und der populistischen Partei New Zealand First sieht es gerade nicht so einfach aus. Einen Platz in der Weltgeschichte wird sie behalten, so oder so. Privat könnte es demnächst andere Nachrichten geben: Noch ist offen, wann Ardern ihren Verlobten, den TV-Moderator Clarke Gayford, heiraten wird.

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