«Ein Dichter ist kein Mann»

Breloers Film und Buch über Brecht

Das Cover des Buches
Das Cover des Buches "Brecht. Roman seines Lebens" von Heinrich Breloer (undatierte Aufnahme). Foto: Kiepenheuer & Witsch/Dpa

BERLIN (dpa) - Heinrich Breloer hat schon mit «Die Manns» und einem Film über Albert Speer Aufsehen erregt. Jetzt hat er sich mit Bertolt Brecht den Antipoden von Thomas Mann vorgenommen. Zu seinem Dokudrama für das Fernsehen veröffentlicht er auch ein noch detaillierteres Buch.

«Der 24-jährige Dichter Bert Brecht hat über Nacht das dichterische Antlitz Deutschlands verändert.» Das schrieb prophetisch der einflussreiche Theaterkritiker Herbert Ihering nach der Premiere von Brechts frühem Stück «Trommeln in der Nacht» in München am 29. September 1922. Es war Brechts Durchbruch als Dramatiker, dem wenige Jahre später mit dem Sensationserfolg der «Dreigroschenoper» mit der Musik von Kurt Weill im Berliner Theater am Schiffbauerdamm der größte Theatererfolg in der Weimarer Republik folgen sollte. Nichtsdestotrotz musste der von den Nazis ungeliebte Brecht bald danach ins Exil gehen, aus dem er nach dem Krieg nach Deutschland (Ost) zurückkehrte und wo ihm der Wiederaufstieg mit dem Berliner Ensemble in Ost-Berlin Weltruhm einbrachte, nicht ohne politischen Seiltanz in der DDR.

Ein Leben wie im Roman oder im Film mit allen Höhen und Tiefen. Der Regisseur Heinrich Breloer, der schon «Die Manns» um Brechts literarischen Antipoden Thomas Mann verfilmte, hat jetzt zu seinem zweiteiligen TV-Dokudrama «Brecht» (am 22. März auf arte und am 27. März in der ARD) mit Tom Schilling als jungen und Burghart Klaußner als älteren Dichter auch ein Buch zum Film veröffentlicht («Brecht - Roman seines Lebens», Kiepenheuer & Witsch). Um es gleich vorweg zu sagen - das Buch ist besser als der Film, trotz romanhafter Ausschmückung bis hin zu trivialen Formulierungen («Blutspur des Lebens») und pseudo-psychologischen Deutungsversuchen von Brechts Wesen und Charakter. Anders als im Film haben im Buch auch die Exilzeit oder der 17. Juni 1953 ausführlicher ihren Platz, wenn auch jedes Medium seine eigenen Gesetze und sein eigenes Recht hat. Dass ein Film über Brecht in Prager Studios gedreht wurde, wo die Berliner Wohnung nachgebaut wurde und das Berliner Ensemble «ersetzt» werden musste, ist wohl ein anderes Thema.

Breloer, der auch über Hitlers Rüstungsminister und «Chefarchitekten» Albert Speer und die RAF Filme gemacht hat, wuchert jetzt bei «Brecht» in Film und Buch mit den Pfunden seiner über Jahrzehnte gesammelten Zeitzeugeninterviews, vor allem mit Brechts Frauen, Mitarbeiterinnen und Geliebte meist in einem, so dass der Film über weite Strecken auch «Brecht und die Frauen» heißen könnte. Mittelpunkt bleibt aber bis zuletzt die Schauspielerin Helene Weigel, die er 1929 heiratete und seine großen Frauenrollen auf der Bühne verkörpern sollte und die nach seinem Tod die «Hausherrin» am Berliner Ensemble und Bewahrerin des Brecht-Erbes war.

Was Brecht und die Frauen im allgemeinen angeht, so wurde von Zeitzeugen auch von einer «stark erotisierten Atmosphäre am Berliner Ensemble» gesprochen, was aber sicherlich bis heute auch auf andere Theater-Arbeitsatmosphären zutreffen dürfte, die jüngste «Me-Too»-Debatte hat ja auch diesen Bereich betroffen. «Die Frauen verliebten sich in sein Hirn, seinen Geist, nicht in den Mann - ein Dichter ist kein Mann», wird die Brecht-Schauspielerin Käthe Reichel zitiert. «Ich glaube, daß die Frauen Brecht verführt haben.»

So gab es auch immer wieder Eifersüchteleien, gegenseitige Angriffe und Konkurrenzgehabe zwischen den Frauen (heute sagen manche «Zickenkrieg» dazu), was Brecht offenbar nicht sonderlich störte, wenn er es nicht einfach ignorierte. «Er hat viele Menschen in Anspruch genommen für sein Leben und für seine Pläne, aber er hat unendlich viel gegeben, wenn man den Verstand hatte, es zu nutzen», resümierte, jedenfalls für sich, die Schauspielerin Regine Lutz, eine «seiner» Frauen. Um dann aber auch hinzuzufügen: «Er hat mich gekannt! Und zwar sehr gut. - Ihn konnte man nicht kennen.»

Aber neben Brechts eigenwilliger Auffassung und Praxis von Partnerbeziehungen und entsprechendem Privatleben entfaltet Breloer natürlich das wechselvolle Arbeitsleben des Dichters und Dramatikers Brecht mit Aufstieg und Erfolgen in der Weimarer Republik, dem Exil in mehreren Ländern und die Rückkehr nach Berlin, zunächst ans Deutsche Theater und schließlich ins Theater am Schiffbauerdamm im Osten der Stadt, das bald darauf sein Berliner Ensemble werden sollte.

«Ich gehe dahin, wo man mir ein Theater gibt», lässt ihn Breloer sagen. Für alle Fälle behielt Brecht seinen österreichischen Pass wie natürlich auch die in Wien geborene Helene Weigel. Dass die SED das Theater am Schiffbauerdamm zunächst lieber der Kasernierten Volkspolizei statt dem bereits berühmten Dramatiker übergeben wollte, führte noch zu heftigen Kämpfen Brechts mit versteckten Drohungen seinerseits, erst recht nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953, mit einem ambivalenten Verhalten Brechts dazu.

Günter Grass schrieb später dazu ein «deutsches Trauerspiel» mit dem Titel «Die Plebejer proben den Aufstand». Brechts Verhalten zum 17. Juni hatte einen Theaterboykott in Westdeutschland zur Folge, wo man Brecht ein Wohlverhalten gegenüber den SED-Machthabern vorwarf, die ihrerseits zunächst mit Brecht und seinem neuen Theaterstil mächtig «fremdelten». Brecht bekam sein Theater. Die Gründungsurkunde des BE findet Breloer in der einstigen Preußischen Kadettenanstalt und früheren Kaserne der «SS-Leibstandarte Adolf Hitler», dem heutigen Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde.

Ausführlicher als im TV-Zweiteiler geht Breloer im Buch auf die Exilzeit Brechts ein, in der immerhin ein Großteil seiner wichtigsten Werke entstanden sind. Er verbrachte die meisten Exiljahre übrigens lieber im kapitalistischen Amerika als in der doch offenbar geschätzten Sowjetunion, die ihm nach dem Krieg den Stalinpreis verlieh, weil Thomas Mann, für den sich unter anderem Anna Seghers eingesetzt hatte, abgelehnt hatte.

Brecht glaubte an ein «gutes, neues Deutschland», wie er es in seiner «Kinderhymne» sah, die auch als neue Nationalhymne mit der Musik von Haydn als neues «Lied der Deutschen» im Gespräch war (sowohl nach 1945 als auch bei der Wiedervereinigung 1990): «Daß ein gutes Deutschland blühe/Wie ein andres gutes Land.» Brecht habe mit der «Lupe von Marx und Engels» die Gesellschaft gesehen, meinte Breloer im Deutschlandfunk. «Und daraus die Hoffnungen entwickelt, eine neue Gesellschaft unter der sowjetischen Besatzung mit Hilfe der Roten Armee usw. zu entwickeln.» Wenige Wochen nach Brechts Tod 1956 schlug die Rote Armee den Volksaufstand in Ungarn nieder. Der direkte Kontakt mit der Wirklichkeit war Brecht nie geheuer. «Lasst mich doch in Ruhe», sollen Brechts letzte Worte gewesen sein.

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